Herr Opoczynski, Sie haben im Februar Ihren letzten Arbeitstag. Was überwiegt: Die Angst vor dem Abschied oder die Freude auf die Zeit danach?
Sowohl als auch. Ich habe es lange gemacht, es reicht jetzt auch, aber natürlich mache ich es gerne und bin deswegen auch ein bisschen traurig. Als Journalist will man ohnehin weiterarbeiten. Langweilig wird es mir hoffentlich nicht. Derzeit arbeite ich an einem Buchprojekt.
Eine Abrechnung mit dem ZDF nach drei Jahrzehnten?
Eine gute Idee von Ihnen! Wie wäre es mit einem Buch über meine Erlebnisse beim ZDF, das ich dann dem ZDF zum Kauf und zur anschließenden Vernichtung anbiete? (lacht) Nein, im Ernst. Ich würde gerne eine Art Wirtschaftskrimi machen, auch wenn ich dafür noch keinen Abnehmer habe. Man erfährt im Laufe der Jahre so viel. Da habe ich eine Fülle von schönen Geschichten, die ich gerne belletristisch behandeln möchte. In den Verlagen glauben sie alle, dass Fernsehleute nicht schreiben können - aber denen werde ich's zeigen!
Dafür haben Sie jetzt ja genügend Zeit. Oder gibt es die Sorge, dass gar keine Zeit bleibt, weil plötzlich ganz neue Aufgaben auf Sie zukommen?
Bei einem Sachbuch, das ich machen will, gibt es schon einen Verlag. Darin beschäftige ich mich kritisch mit der Vergeudung der Arbeitskraft der der Älteren, was ja genau meine Lebenssituation ist. Diese schickt man gerne weg und anschließend beklagt man den Mangel an Facharbeitern.
Fühlen Sie selbst sich denn weggeschickt?
Ich fühle mich nicht weggeschickt, aber ich fühle mich voll arbeitsfähig. Ich kann doch vergleichen, wie mein Vater aussah, als er so alt war wie ich heute. Da liegen gefühlt zehn Jahre dazwischen. Mein Vater hatte eine Druckerei und war mit 65 froh, als er aufhören konnte. Ich bin dagegen noch ziemlich munter und nicht reif für den Senioren-Teller. Es gibt eine geteilte Gesellschaft, die die Alten pfleglich behandeln will, aber die Alten wollen das gar nicht – genau das will ich zum Thema machen.
Erinnern Sie sich eigentlich noch an den ersten Tag in der WISO-Redaktion?
Nicht wirklich. Ich war ja erst ganz normaler Autor, bevor ich Redaktionsleiter wurde. Ich selbst wollte nie moderieren, weil ich fand, dass ich das nicht kann. Damals galt aber noch das alte Gesetz: Wer Redaktionsleiter ist, muss auch moderieren, egal wie er aussieht.
Bei der ARD gilt das für die "Brennpunkte" offenbar noch heute...
(lacht) Das stimmt, da habe ich erst neulich wieder ein Beispiel gesehen. (lacht) Ich wurde damals regelrecht zu dem Job verdonnert: Du musst moderieren, ansonsten kannst du es lassen. Irgendwann habe ich aber Geschmack daran gefunden und mit der Zeit haben die Zuschauer mich auch akzeptiert. Im ZDF gibt es ein Köpfe-Ranking, das mir eine hohe Bekanntheit attestiert. Das finde ich erfreulich.
Umso erstaunlicher, dass das ZDF Sie einfach so gehen lässt
Mag sein, aber das ist einfach so, und ich will darüber auch nicht meckern.
Als Sie angefangen haben, war vermutlich gar nicht absehbar, dass Sie so lange bei "WISO" bleiben…
…das wollte ich auch gar nicht!
Wo wollten Sie denn hin?
Ich wollte ein paar Jahre bei "WISO" bleiben, denn ich fand die Herausforderung, Wirtschaftsthemen verständlich im Fernsehen zu erzählen, richtig gut. Eigentlich wollte ich aber nach Washington. Nach fünf Jahren bei "WISO" bin ich als Redaktionsleiter zum Intendanten gegangen und habe gesagt, dass ich das jetzt machen will. Der Intendant meinte daraufhin: "Sie kriegen mehr Geld und bleiben bei 'WISO'." Damit war das erledigt. Obwohl ich eigentlich nicht mehr Geld wollte – schön war es trotzdem. (lacht)
Und später gab es keinen Anreiz mehr, etwas Neues zu machen?
Irgendwann habe ich mich mit Mainz versöhnt.
Was hat Sie denn an Mainz gestört?
Nichts gestört. Die Stadt hat eine große Universität und ist daher jung und lebhaft, aber sie ist eben eine Stadt mit 200.000 Einwohnern und mit einer rheinischen Lebensart – keine Metropole. Das meine ich nicht abfällig.
Sie sind also eher ein Großstadtmensch?
Ja. Ich bin in Berlin geboren und da hätte ich auch gerne gearbeitet. In dieser Hinsicht habe ich auch einen Vorstoß gewagt und im Haus versucht zu transportieren, dass eine Wirtschaftssendung in die Hauptstadt gehört, genauso wie "Frontal 21" oder "Maybrit Illner".
Dann sprechen wir doch über die Veränderung von "WISO": Ich habe das Gefühl, dass sich die Art und Weise, wie Wirtschafts- und Verbraucherthemen umgesetzt werden, deutlich gewandelt hat, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen.
Das konnte ich glücklicherweise beeinflussen. Als ich 1986 angefangen habe, war die Sendung gerade einmal zwei Jahre auf dem Sender und da wurde man sowohl hausintern als auch in der Welt eher belächelt mit Verbraucherthemen. Das galt als unfein. Fein war die Wirtschaftsberichterstattung in der Zeitung. Wenn man dort über Bilanz-Pressekonferenzen von Siemens berichtet hat, dann war man geadelt. Aber wenn man über Telefontarife und Preisvergleiche berichtet hat, führte das eher zu Naserümpfen. Das hat sich völlig verändert. Das, was „WISO“ macht, gibt es inzwischen überall. Da tummeln sich Schuldnerberater und selbst Herr Rach holt mittlerweile Jugendliche zurück ins Arbeitsleben. Das Sujet, das wir mal für uns hatten, ist Allgemeingut geworden - und ist jetzt auch nicht mehr unfein. Das ist eine ganz schöne Entwicklung, die aber bedeutet, dass wir uns kräftig anstrengen müssen, um weiter vorne mitspielen zu können.