Ist YouTube denn aus Ihrer Sicht überhaupt ein Partner, den man als Produzent umgarnen sollte – oder ist es doch nur eine eher technische Plattform und ein Soziales Netzwerk, das mir dabei hilft, meine Inhalte zu verbreiten?

Ob es nun für immer YouTube sein wird, steht in den Sternen: Man kann aber festhalten, dass YouTube für junge Leute ein fast schon gleichwertiger Ersatz zum Fernsehen geworden ist, weil sie da Formate finden, die besser zu ihrem Geschmack passen. Das ist der Stand der Dinge. Wie das in 20 Jahren aussieht, sei dahingestellt. YouTube hat ja gar nicht die Idee, ein Fernsehsender zu werden. Sie sind ja eher so etwas wie ein Kabelnetzbetreiber und damit als Reichweiten-Partner eigentlich auch für die Sender selbst interessant.

Fernsehmacher haben das Problem, dass sie mit einer neuen Ästhetik, Rezeption und Produktion von Inhalten umgehen müssen. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit zwischen Onlinern und Fernseh-Menschen? Treffen hier unterschiedliche Kulturen aufeinander?

Für mich ist es ein stetiges Wandeln zwischen den Welten. Ich habe viel mit Online-Startups zu tun und fühle ich mich dann oft als Fremdkörper, der aus dem Entertainment-Geschäft kommt. Weil wir mit unserer Firma aber viele Projekte mit Web-Medien realisieren, fühle ich mich auch bei Fernsehveranstaltungen fremd. Wenn ich die Branchen einzeln betrachte, dann sehe ich auf beiden Seiten Defizite.

Worin bestehen die?

Den Onlinern fehlt oftmals noch die Erfahrung, dramatische Geschichten zu erzählen, die das Publikum berühren. Sie kommen eher über Technik und Form zum Erzählen von Geschichten. Dafür haben sie ein viel besseres Gespür dafür, wie man mit dem Publikum umgeht. Sie wissen, wie man Feedback einholt und Nähe herstellt. Beim Fernsehen sitzt man dagegen in einer Quotenblase, die nur bedingt etwas über die wirklichen Nutzertypen und Nutzungssituationen von Formaten aussagen kann. Onliner haben da weitaus genauere Messinstrumente.

Die Strukturen der Fernsehproduktion sind seit Jahrzehnten gepflegt und mit ihren Gewerken sehr hierarchisch organisiert. Onliner arbeiten dagegen generalistischer und denken sehr ergebnisorientiert. Wie wirkt sich das auf die Zusammenarbeit aus?

Klar, die Herstellung eines Films ist wesentlich statischer als ein Online-Projekt. Wenn Onliner und Filmleute aufeinandertreffen, verändert sich vieles. Bei den Videos für ein Social-TV-Game oder den Transmedia-Part steht plötzlich einer von uns hinter dem Regisseur und sagt, dass seine Inszenierung so nicht funktioniert, weil etwas fehlt, das wir für unsere Gesamt-Dramaturgie dringend brauchen. So etwas kann an einem Set, das seit jeher sehr hierarchisch organisiert ist, sehr problematisch sein. Darum sollte es bei solchen Produktionen eine medienübergreifende Kreativ- Direktion geben, die rigoros sagen kann, was zu tun ist. Das muss jemand sein, der beide Arbeitsweisen kennt und allgemeinen Respekt genießt.

Wie organisch wird Social TV denn heute schon integriert? Manche Ansätze erscheinen doch eher verkopft bis verkrampft.

Es kommt immer auf das Format an. Bei Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ kann die Vernetzung rund um die Uhr stattfinden, weil es immer einen Anlass für die Kommunikation mit dem Publikum gibt. Bei Viva Plus konnte man schon vor etlichen Jahren eine SMS in die Sendung schicken. Da haben sich die Zuschauer gefreut, wenn ihre Nachricht in der Sendung eingeblendet wurde. Das hat genau gepasst. Es wird aber albern, wenn ein ältlicher Moderator sagt „Dann schauen wir mal, was das Internet denkt“. Erstens ist es nicht „das Internet“, sondern es sind die Zuschauer und zweitens ist so etwas aufgesetzt. Ich habe aber in den letzten Monaten sehr viele spannende Gespräche mit jüngeren Medienmachern geführt. Ich denke, da werden in den nächsten Jahren eine Menge spannender Projekte auf uns zukommen.

Wie wird sich die Herangehensweise an das Thema mit den kommenden Generationen von Medienmachern verändern?

Vieles wird man viel selbstverständlicher machen als heute. Dinge wie Transmedia sind irgendwann nicht mehr nur dadurch spannend, dass man sie macht. Heute bekommt man viel zu schnell Applaus, wenn man eine neue Form findet. Wir sollten unsere Generation aber auch dazu befähigen, in diesen neuen Formen gute Erzähler zu werden, damit wir mit 50 dann auch mal etwas wirklich Tiefes sagen können, das weit über die Form hinausgeht.

Das Interview in voller Länge finden Sie im Buch „Einfach Fernsehen? Zur Zukunft des Bewegtbildes“, das am 12. November in Köln präsentiert wird.