Die nächste Frage klaue ich mal vom Edinburgh TV Festival. Fall Sie das Spiel mitspielen wollen, bitte jetzt Ihre Antwort auf das Stichwort „The worst programme i ever made - and what i learned from it“...

(lacht) Wir hatten natürlich nicht nur Welterfolge. Wobei die Quote nicht immer der Maßstab für mich ist, ob eine Sendung gut oder schlecht ist. Wir hatten mal eine Produktion für Vox, die hieß „Geld zu verschenken“. Das war eigentlich eine tolle Idee. Es ging darum Menschen in Schwierigkeiten zu helfen und eine Schulklasse hat diese Menschen und Institutionen besucht und am Ende entschieden, wem man mit dem Geld helfen will. Das war toll gedacht, aber man hat dann gemerkt: Wie wirkt das eigentlich gegenüber denen, denen nicht geholfen wird? Das war dann unglücklich, aber die Produktion und diese Erkenntnis eine lehrreiche Erfahrung.



Woher kommt eigentlich der Nachwuchs dieser Branche, die immer noch sehr von Quereinsteigern lebt? Ist das für Sie ein Problem?

Wir haben in zehn Jahren eigentlich nie das Feld der kleineren Magazin-Produktionen für ProSieben, RTL oder das ZDF aus den Augen verloren. Da musst Du jede Woche um deine MAZ kämpfen. Es gibt keine Verträge bis zum St. Nimmerleins Tag. Der Sender will jede Woche neue Ideen hören. Das zwingt uns quasi zu einer dauerhaften Entwicklungsphase. Das ist ein Umfeld in das neue Kolleginnen und Kollegen zusammen mit erfahreneren Mitarbeitern sehr schnell reinfinden können, weil wir einfach immer wieder von vorne beginnen mit einem Blatt Papier. Dieses Grundrauschen in unserem Geschäft ist eine gute Ausgangsposition um neue Köpfe und ihre Ideen zu integrieren. Und aus mancher Magazin-Serie wurde ja schon ein eigenes Format.

Schnell reinkommen bedeutet aber auch die Gefahr, dass viele wieder abspringen, weil man u.U. woanders leicht reinkommt. Lange bleibt man in dieser Branche ja selten bei einer Firma...

Das stimmt, aber ich glaube wir haben jetzt sehr lange sehr konstant viele gute Köpfe bei uns behalten. Unser Chef-Editor ist seit Tag 1 dabei und ist Seele und Archiv gleichermaßen. Unsere Factual-Chefin ist seit mehr als sieben Jahren dabei. Am Ende macht es die Mischung. Wenn Kolleginnen oder Kollegen gehen, muss man es sportlich sehen: Wir sind nicht Bayern München. Wir sind ein guter Verein der um den Aufstieg spielt. Wenn Bayern München Dir gute Spieler abwirbt, dann bist Du manchmal chancenlos. Aber wenn man dann einmal mehr drüber nachdenkt, ist es auch eine Auszeichnung, wenn die Großen bei uns auf Suche gehen. Also nimmt man es als Kompliment.

Stört es Sie, gerade als Produzent, der lieber selber Ideen entwickelt statt aus dem Ausland zu adaptieren, wenn abfällig über das deutsche Fernsehen gesprochen wird?

Sagen wir mal so: Der Blick auf das deutsche Fernsehen, so wie wir es häufig im Feuilleton lesen, gilt ja meist nur wenigen großen Formaten. Da spielen dann Sympathie und Antipathie gegenüber wenigen Genres und Personen eine Rolle bei der Frage, wie gut das deutsche Fernsehen ist. Unsere Formate sind nicht unbedingt immer „Talk of the Town“, obwohl ich nichts dagegen hätte. Ich bin aber überzeugt, dass das deutsche Fernsehen kreativer ist als es oft dargestellt wird. Nur sind neue, kreative Ideen nicht immer gleich die großen Quotenhits - und deshalb nicht so präsent. Und auch wenn Formate aus dem Ausland adaptiert werden, muss ich sagen, dass auch die Adaption für das deutsche Publikum eine hohe Kunst ist, was man leicht daran sieht, wie viele schon daran gescheitert sind. Ich sehe weder einen Mangel an Kreativität noch würde ich Adaptionen per se verteufeln.

Adaptionen sind, glauben die Sender, weniger risikoreich. Würden Sie auch fehlenden Mut zum Risiko attestieren?

Jein, sowohl als auch. Im Großen und Ganzen stimmt das. Aber es gibt eben Ausnahmen wie den Bayerischen Rundfunk mit „Heimatrauschen“. Aber auch beim ZDF oder RTL II. Aber wir merken natürlich, dass es schwer wird neue Ideen für ein fest etabliertes LineUp vorzustellen. Da kann ich die Senderseite aber mitunter auch verstehen. Ich glaube auch nicht, dass Mut und Risikobereitschaft die Währung sind, in der sich Fernsehqualität bemisst. Es wäre aber schön, wenn man offen für Gespräch ist - und das nicht erst, wenn im Programm Not herrscht.

Stichwort Not. Mit dem Namen South & Browse waren in vergangenen Jahren auch manche Turbulenzen verbunden. Aus South & Browse ist mal der Schwulensender TIMM hervorgegangen. Eine kurze, teure Eskapade. Es klingt jetzt so als sei wieder Ruhe eingekehrt?

Das Gegenteil von Ruhe ist eingekehrt: Wir sind sehr geschäftig. Aber ich weiß was Sie meinen. Mein damaliger Geschäftspartner in Berlin hatte die Idee mit TIMM und ich glaube auch nach wie vor, dass das eine gute Idee war. Es ist ja auch nicht inhaltlich gescheitert. Niemand hat dem Sender schlechtes Programm vorgeworfen. Aber es war ein Sender für Schwule, eine sehr klar definierte Zielgruppe. Und in der ist die Idee kaufmännisch gescheitert. Wir erleben wenige Jahre später plötzlich lauter neue Free-TV-Sender der großen Sendergruppen. Die können Synergien nutzen, die TIMM als Einzelkämpfer nicht hatte. Aber wir hier in München waren nur mittelbar involviert und haben das Kapitel auch längst abgeschlossen.

Also können Sie beruhigt Jubiläum feiern?

Sieben verschiedene Formate bei sieben verschiedenen Sendern - das ist für uns dieses Jahr schon eine sehr schöne Bilanz.

Herr Gamlich, herzlichen Dank für das Gespräch.