Nicht nur Carat-Chef Litterscheidt, sondern auch andere Agenturbosse haben in letzter Zeit vermehrt die sinkende Qualität und Attraktivität des TV-Programms insgesamt beklagt. Stimmen Sie in diese Klage mit ein?
Wenn wir gerade über die enorme Fragmentierung und immer neue Spartenangebote für immer neue Zielgruppen gesprochen haben, dann ist klar, dass es für die großen TV-Sender auch zunehmend schwieriger wird, attraktives Programm für alle zu machen. Vieles, was früher als Lagerfeuer für die ganze Familie funktioniert hat, würde unserem heutigen Anspruchsdenken gar nicht mehr genügen. Außerdem lohnt es sich auch hier, mal genauer hinzuschauen, wer Programmqualität nur einfordert und wer sie tatsächlich fördert.
IP-Chef Dang sagt, er habe es äußerst selten erlebt, dass Kunden aus Qualitätsgründen mehr gezahlt hätten.
Das glaube ich sofort. Und das kann man auch nicht unbedingt erwarten, weil es ja schon zu den Kernaufgaben eines Senders gehört, für eine gewisse Programmqualität zu sorgen. Aber natürlich haben wir als Mediawirtschaft indirekte Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir etwa der Auffassung sind, dass Innovation und Mut zu neuen Formaten dem Medium gut täten. Wir empfehlen unseren Kunden durchaus bewusst, auch die ersten Folgen neuer Serien oder Shows zu belegen, sofern das von der Zielgruppe und der erwartbaren Reichweite her in den Mediaplan passt. Wenn manche große Network-Agentur dagegen eine Policy hat, grundsätzlich bei keinem Neustart die ersten drei Folgen zu buchen, dann ist das rein wirtschaftlich eher ein Anreiz, beim Altbewährten zu bleiben.
Sie behaupten also, dass ein Mediaplan aus Ihrem Hause grundsätzlich anders aussieht als der einer Network-Agentur?
Im Zentrum steht immer der einzelne Kunde mit seinem individuellen Kommunikationsbedürfnis. Insofern lassen sich ohnehin keine zwei Kampagnen über einen Kamm scheren. Aber wenn ich als neutraler, unabhängiger Berater ausschließlich auf die Interessen meines Kunden schaue, komme ich in der Regel sicher zu anderen Ergebnissen, als wenn ich gleichzeitig noch vom Handel mit Werbeflächen und von Kickbacks der Vermarkter leben würde.
Vielleicht können Sie zumindest ein bisschen verallgemeinern: Wo gewichten Sie im TV anders als andere?
Im Durchschnitt aller von uns geplanten TV-Kampagnen wird man sicher einen höheren Anteil von Primetime und einen höheren Anteil der Öffentlich-Rechtlichen finden als im Durchschnitt der gesamten Branche. Das liegt daran, dass wir nicht einfach nur möglichst billig Bruttoreichweite einsammeln wollen, sondern unseren Kunden in aller Regel die Umfelder empfehlen, in denen sie ihre jeweilige Zielgruppe am besten erreichen können. Und das sind oftmals Selektivseher, die man schlicht nicht überall kriegen kann.
Wird es für Sie als Independent schwerer oder leichter, wenn die hohe Konzentration der Media-Konzerne mit der geplanten Fusion von Omnicom und Publicis voranschreitet und künftig drei Viertel der deutschen TV-Werbeausgaben bei zwei Mega-Agenturen liegen?
Das gibt uns die Chance, uns als unabhängiger Berater noch stärker abzuheben. Ich finde es allerdings schwer verständlich, wieso der Gesetzgeber zwar TV-Veranstalter auf maximal 30 Prozent Marktanteil beschränkt, aber für die Seite, die das System maßgeblich finanziert, keine solche Begrenzung vorsieht. Wären wir nicht im B2B-Bereich, sondern würden mit Endkunden-Produkten handeln, dann wäre bei derartiger Konzentration bestimmt schon längst der Teufel los.
Herr Biermann, herzlichen Dank für das Gespräch.