„Was ich aber nicht mehr versuchen werde ist ,Gottschalks neue Show‘. Also zwölfmal im Jahr am Samstagabend irgendein Format zu gebären, das noch in irgendeiner Form vorher innovativ hochgejubelt wird und ich doch wieder abstürze und alle sagen: ,Siehste, der kann eben nur das eine‘. Johnny Depp war als Pirat mit der Augenklappe grandios, also hat Disney gesagt: Mit ner Feder in den Haaren wird er auch funktionieren - kein Mensch wollte ,Lone Ranger‘ sehen“, erklärt Gottschalk und meint: Er bleibt künftig bei dem, was er kann. Er mache weiter, solange ihn da noch jemand wolle: „Ich hab ja nicht RTL gefragt ob ich darf, sondern RTL hat gefragt ob ich möchte.“ Da das Konzept von „Die 2“ auch auf mehrfache Nachfragen immer noch nicht klar erscheint, verlagert sich das Gespräch kurzzeitig in eine andere, erwartbare Richtung: „Wetten, dass..?“ und die Frage eine Journalisten, ob er es denn nochmal machen würde. „Nein, ganz eindeutig. Das Ende von ,Wetten, dass..?‘ kam zum richtigen Zeitpunkt. Klar, ich hätte das Ding zuende verwalten können. Ich hab mit 18 Millionen angefangen, war dann bei 8 Millionen und ich wäre heute auch nicht weiter als der Kollege Lanz. Gewisse Dinge haben sich einfach erledigt und das muss man zur Kenntnis nehmen. Als da vor 20 Jahren Lilli Palmer saß, wusste ganz Deutschland wer das ist. Oder Curd Jürgens. Heute sitzt da Keisha und keiner über 30 weiß, wer das ist. Oder da sitzt Sophia Loren und keiner unter 20 weiß, wer das ist.“ Und er redet weiter.



Redet sich rein in eine eigentlich gerade gar nicht im Raum stehende Generationenfrage. Günther Jauch wird es später „die Dinosaurier-Fragen“ nennen. „Da hat sich was geändert und das muss ich zur Kenntnis nehmen. Das ist nichts Furchtbares. Ich stehe auch nicht am Ende meiner Weisheit. So wie die schreibende Presse sich mit dem Internet auseinandersetzen muss, so muss ich mich als Unterhaltungsmoderator mit veränderten Bedingungen auseinandersetzen. Das ist nichts, was mir besonders zu schaffen macht. Das ist nichts was meine Lebensfreude trübt.“ Günther Jauch knüpft an: „Als Harald Schmidt in Richtung Sky ging und Du bei ,Wetten, dass..? aufgehört hast, hieß es dann, wann ich denn als letzter Dinosaurier in die Parkgarage des Privatlebens folgen würde. Ich sehe diese ganz großen existenziellen Fragen aber nicht.“ Er freue sich einfach auf eine Live-Show mit einem guten Freund. Eine sympathische Gelassenheit, die Jauch vermittelt: „Deutschland wird am Dienstag nach der Sendung nicht klüger sein.“ Das gewaltige Interesse an der Show scheint ihm ein bisschen ungeheuer. „Ich geh da mit einer Versuchs-Attitude ran. Wir werden dann am Dienstagmittag feststellen, was uns nicht gelungen ist, woran wir selber schuld sind; Was uns nicht gelungen ist, woran wir nicht schuld sind; was wir ändern können und was leider nicht. Das wir nicht mehr über irgendwelche Quoten hinausschießen werden, die heutzutage üblich sind, ist mir bewusst. Wenn wir uns im Rahmen der Quoten von ,Wer wird Millionär‘ bewegen, wäre ich zufrieden“, erklärt Jauch. Die Individualisierung der Gesellschaft mache große gemeinsame Nenner immer schwieriger.

„Mir hat meine Mutter noch ,Schuld und Sühne‘ vorgelegt, um zu lernen, was gut und was böse ist. Mit meinem Sohn diskutiere ich das heute an ,Breaking Bad‘.

Thomas Gottschalk

Oder werde das Fernsehen einfach immer schlechter, will eine Kollegin wissen. Auf diese altbekannte Frage wollen beide am liebsten gleichzeitig antworten. Diesmal gewinnt Jauch. Er gibt zu bedenken, dass diese Sorge auch schon zu Kuhlenkampffs und Frankenfelds Zeiten vorgetragen wurde. „Man kann auf der anderen Seite auch sagen: Gab es je eine größere Vielfalt im deutschen Fernsehen? Ich muss sagen: Ich finde schon unter den ersten fünfzehn Sendern immer etwas, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wenn ich natürlich immer nur einen Sender gucke und da festgelegt bin, dann kann ich bei fast jedem Kanal schwermütig werden“, so Jauch. Gottschalk bringt es gut auf den Punkt. „Mir hat meine Mutter noch ,Schuld und Sühne‘ vorgelegt, um zu lernen, was gut und was böse ist. Mit meinem Sohn diskutiere ich das heute an ,Breaking Bad‘. Das Ergebnis ist das gleiche.“ Nach der Frage zur Qualität des deutschen Fernsehens kommt ein weiterer Klassiker, an Gottschalk gerichtet. Ob er die amerikanische Mentalität vermisse, wo nicht alles erst einmal negativ gesehen werde. Jauch lacht auf. „Das ist seine Lieblingsfrage. Jetzt dauert‘s lang.“ Sagt er und greift nochmal bei den Häppchen zu. Gottschalk legt los.

„Ich wünsche mir nicht das amerikanische Fernsehen, ich wünsche mir das amerikanische Publikum, das mit einer naiven Fröhlichkeit auf Unterhaltung reagieren. Ich sehe das ja am ,Supertalent‘. Das gibts ja drüben auch. Dort treten die gleichen Acts auf - und verschwinden wieder. Das sind da drüben nette Seifenblasen. In Deutschland machen wir da Pflastersteine draus, die dann analysiert werden wollen. Die Bereitschaft sich zu freuen ist drüben weitaus größer als bei uns. Wenn in den den USA ein rotes Licht angeht, dann klatschen alle. Wenn in Deutschland ein rotes Schild mit ,Applaus‘ leuchtet, denkt der Deutsche erstmal: ,Moment mal. Wer zwingt mich jetzt dazu zu klatschen? Es gibt doch gar keinen Grund dafür und für das Geld, was der da vorne auf der Bühne bekommt, muss der erstmal lange durch die Wüste gehen bevor ich klatsche. Das rote Licht geht mir völlig am Arsch vorbei‘ Diese Gedanken kennt der Amerikaner nicht. ,Applaus, vielleicht bin ich ja im Bild‘.

Gottschalk Jauch© RTL


Schon weit mehr als eine Stunde ist rum. Doch der Schlagabtausch der beiden geht munter weiter. Das Themenfeld öffnet sich und auch Gottschalks Vorabend-Abenteuer kommt so natürlich noch einmal zur Sprache. „Da haben wir vorher auch drüber geredet. Er wollte es mir auch ausreden“, erzählt Gottschalk. „Wir haben drüber geredet. Ich bin da immer etwas defensiver. Ich sehe ihn seit Jahrzehnten als Gesamtkunstwerk und ich hätte ihm wahrscheinlich gesagt: ,Mach jetzt zwei Jahre mal gar nichts.‘„ „Er hat das auch gesagt“, fällt Gottschalk ihm ins Wort. „Nicht weil ich es besser wusste, sondern weil ich geglaubt habe, dass ein Zwei Jahre-Wegsein vom Schirm ihm nicht schadet und die Begehrlichkeit oder Sehnsucht vielleicht auch Nostalgie der Leute größer werden lässt. Weil ich da von mir aus gegangen wäre“, so Jauch. Und Gottschalk  ist, das ermüdet nicht nur ihn, wieder mal in der Rechtfertigungsrolle: „Mich hat auch dieses Vorabend-Loch gereizt. Ich gebe zu, ich habe wider besserer Beratung da etwas riskieren wollen. Diese Risikobereitschaft, die ist mir im Nachhinein auch der einzige Trost dieser Veranstaltung. Da hast Du auch einen gut, finde ich.“

Erinnerungen an Radio-Zeiten dürfen natürlich nicht auch fehlen. Da ist Gottschalk in seinem Element und gibt Anekdoten zum Besten, die meisten davon kennt man. Wir überspringen das lieber. Ohnehin sei früher auch nicht alles so viel besser gewesen. „Dinge aus der Vergangenheit werden auch wahnsinnig verklärt“, glaubt auch Jauch und hat ein Beispiel parat: „Als damals das Tor in Madrid umgefallen und wir dachten in fünf Minuten sei das wieder in Ordnung gebracht, haben wir aus purer Verzweiflung diese 78 Minuten überbrückt. Zehn Jahre später kam dann plötzlich die Idee, dass man das ja als CD rausbringen könnte. Da habe ich gesagt: ,Bloß nicht. Das will keiner hören. Ganz schrecklich.‘ Ich bin dann doch in diese Nummer reingequatscht worden. Als Vorab-Honorar bekam ich 1.000 Euro, aber das musste an CDs abverkauft werden und ich glaube ich bin heute immer noch bei Schulden gegenüber diesem Verlag von 720 Euro. Aber ich bin froh darüber, dass das keiner mehr hört. Es ist nämlich unwitzig. In der Situation damals, da war das witzig. Aber doch nicht zehn Jahre danach als CD.“

„Wir sind für das Medium Fernsehen in die glücklichsten Zeiten hineingeboren“

Günther Jauch

Gottschalk sieht auch eine begrenzte Haltbarkeit von Unterhaltung. „Diese alten ,Dalli Dalli‘-Sendungen haben aus heutiger Sicht eine unerträgliche Langsamkeit. Zwei Menschen hängen Wäsche auf und wer eher fertig ist, hat gewonnen und die Nation freut sich. Das was mir passiert, ist die Gerechtigkeit mit der man mit meinem Menschen wie mir und meiner Kunst umgeht. Irgendwann hat es sich erledigt. Mozart ist unsterblich, meine Fernsehunterhaltung ist in 30 Jahren Müll. Wertlos.“ Jauch sieht trotzdem keinen Grund zur Klage. „Wir sind für das Medium Fernsehen in die glücklichsten Zeiten hineingeboren“, ist er sich sicher. „Wir haben bei den Öffentlich-Rechtlichen gelernt. Da kann man auch dankbar sein für eine solide Ausbildung und dass die uns auch haben machen lassen. Dann haben wir den Aufstieg des Privatfernsehens genau mitbekommen und durften in einer glücklichen Zeit dort mit wachsen.“ Heute freue er sich sowohl Produzent als auch Moderator zu sein, sich der Unterhaltung und der Politik widmen zu können. Und das bei Privaten und Öffentlich-Rechtlichen.“

Wer gibt Ihnen eigentlich nach einer Sendung wie „Die 2“ als erstes Feedback? Macht man das Handy an und hat schon Glückwünsche oder Kritik per SMS bekommen? „Bei meinen Sendungen in den letzten zehn Jahren lag die Zahl der SMS immer zwischen null und drei. In 90 Prozent der Fälle null“, erklärt Jauch. Und Gottschalk sagt: „Ich hab nach jeder ,Wetten, dass..?‘-Sendung meine Mutter angerufen und seitdem die nicht mehr lebt, ist alles egal. Wir kennen ja auch wenig Leute, die sich da hinsetzen würden und dann schreiben ,Suuuper‘ mit drei u oder so. Wobei da der Tom sehr tröstlich ist.“ Gemeint ist RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. „Ich hab nach jeder Sendung tröstende, aufmunternde Worte bekommen.“ „Ach, mir schickt er immer dreißig Sekunden vor einer Sendung SMS“, so Jauch. Das Pressegespräch neigt sich langsam dem Ende. Gottschalk versucht noch einmal das Anliegen dieses Treffens auf seine ihm eigene Art zwischen Ernst und Scherz zusammenzufassen: „Was wir verzweifelt versuchen ist nur, diese hohe Erwartungshaltung herauszunehmen.“ Das da am Montagabend, um 20.15 Uhr, sei nur eine Fernsehshow. Die kann klappen oder halt nicht. „Die Erde dreht sich auch so weiter.“