Welche Rolle spielt neben dem TV-Programm das Internet für BBC World News?
Aus strategischer Sicht bin ich gleichermaßen Anhänger von Fernsehen wie Internet. Es hat einen Grund, warum auf unseren neuen Visitenkarten jetzt BBC Global News steht: Wir sind ein vollintegrierter Nachrichtenproduzent und wenn das Internet einmal das Medium sein sollte, in dem wir mehr Geld verdienen würden, dann würden wir uns stärker darauf als auf das Fernsehen konzentrieren. Aber das ist weder heute noch auf absehbare Zeit so. Noch macht das klassische TV zwei Drittel unseres Geschäfts aus, das Web ein Drittel.
Vor einigen Jahren entdeckten u.a. auch die Nachrichtensender User-Generated-Content für sich. Wie hat sich das entwickelt?
Wir sind in der zweiten Phase von Bürgerjournalismus oder User-Generated-Content, wie man es auch nennen mag. Seit vier fünf Jahren rufen Nachrichtenmacher ihre Zuschauer oder Leser dazu auf, Fotos oder Videos zu schicken oder hochzuladen. Und das hat seine Rolle im Journalismus gefunden. Auch wir nutzen das von Zeit zu Zeit. Aber meiner Meinung nach hat gerade diese spannende Ergänzung gleichzeitig gezeigt, wie wichtig es ist, klassischen Journalismus zu haben. Die Fachkenntnis, das journalistische Handwerk und die Verantwortung für das, was berichtet wird, sind in einer Welt von viel Information aber wenig Klarheit, sehr wichtig. Ausgewogene Berichterstattung, die Betrachtung einer Story von allen Seiten und die kompetente Analyse sind etwas, was erhalten bleibt. Wenn sich Journalisten dessen bewusst werden, brauchen sie keine Angst haben vor spannenden neuen Möglichkeiten. Je mehr es davon gibt, desto wichtiger ist ihre Aufgabe. Da bin ich überzeugt von. Ich mache mir keinen Sorgen um den Journalismus.
Wie weit kann sich BBC World News im Programm von Nachrichten entfernen?
Eine sehr gute Frage. Die kurze Antwort darauf: Weiter als wir bislang dachten. Ich sehe uns nicht als reinen Rolling News Channel. Wir sind in einem Geschäft tätig, das ich auf Englisch gerne „ topicality“ nenne. Besonders am Wochenende haben wir Sendungen über Gesundheit, Technologie, Lifestyle und Kultur. Diese Formate kommen zu meiner Freude sehr gut beim Publikum an. Wir haben aber natürlich News im Namen des Senders, weil das der Kern dessen ist, was wir tun. BBC World News bedeutet in erster Linie Aktualität und Kontinuität in der Berichterstattung. Daran ändert die Ergänzung des Programms zu gewissen Zeiten nichts.
Wie viel Persönlichkeit darf ein Moderator bei BBC World News in seine Sendung mit einfließen lassen? Da gibt es ja durchaus unterschiedliche Schulen - etwa in den USA und Europa. Wie gehen Sie damit um?
Wenn Sie die Unterschiede zwischen Europa und den USA machen, dann würde ich sagen: Wir werden ein Stück weit amerikanischer. Aber das sage ich mit großer Vorsicht. Der hervorragende Ruf der BBC basiert auf Unabhängigkeit und Objektivität. Keiner unserer Journalisten soll seine persönliche Meinung zum Thema transportieren, weil wir unser Publikum für erwachsen genug halten, dass es sich ein eigenes Bild macht basierend auf den Fakten, die wir liefern. Aber gleichzeitig regen wir unsere Kollegen an, der Berichterstattung eine persönliche Note zu geben. Ihre Leidenschaft für Journalismus soll ruhig spürbar werden und das sieht eben von Kollege zu Kollege anders aus. Ich glaube nicht, dass Unabhängigkeit und Objektivität bedeutet, dass man trocken und distanziert berichten muss. In der Form wollen wir gerne individueller werden. Im Inhalt aber die Tradition der BBC pflegen.
An der Tradition kratzte die BBC zuletzt selbst. Welche Auswirkungen hatten die Skandale in der BBC für BBC World News?
Das war in der Tat eine merkwürdige Situation für mich in den vergangenen Monaten. Die BBC steckte in einer Unternehmenskrise ausgelöst durch eine verhinderte Geschichte über den Fall Savile, dann noch verschlimmert durch eine Story, die nie hätte gesendet werden dürfen. Da hat die BBC innerhalb kürzester Zeit, im Fußball würde man sagen, zwei Eigentore geschossen. Aber für BBC World News war es etwa eine Woche, in der wir uns intensiv mit dem Fall Jimmy Savile beschäftigt haben - und viele unserer Zuschauer rund um den Globus werden auf dem Wege zum ersten Mal von ihm gehört haben. Aber davon abgesehen gab es, wenn Sie danach fragen, keine Werbekunden oder Geschäftspartner, die uns wegen den Schlagzeilen der BBC den Rücken zugedreht haben. Solche Gedanken hat man sich natürlich gemacht für ein oder zwei Monate, aber ich bin sicher, dass wir das gut überstanden haben und die BBC gelernt hat.
Blicken wir zum Abschied nochmal nach vorne: Was erwarten Sie sich von 2013 noch - nach jetzigem Stand?
2013 ist ein relativ ruhiges Jahr, wenn es um die planbaren Events geht. Wir haben nicht die gleiche Zahl an Wahlen, wir haben keine Olympischen Spiele in London. Aber wir investieren weiter, um auch für die tagesaktuellen Geschichten, die dieses Nachrichtengeschäft ausmachen, besser gerüstet zu sein. Wir haben in diesem Jahr unsere Investitionen ins Programm insgesamt um 25 Prozent aufgestockt. Gerade erst ging Linda Yueh bei uns auf Sendung - mit ihr wollen wir die Asien-Berichterstattung bei Wirtschafts- und Finanzthemen verstärken. Wir haben auch ein bisschen am Programmschema gearbeitet. Es ist die Summe kleiner Dinge, die hoffentlich den Unterschied macht. Ich habe meine Zweifel, ob irgendein anderer Nachrichtensender dieses Jahr sein redaktionelles Budget in dieser Höhe erhöht.
Herr Egan, herzlichen Dank für das Gespräch