Derzeit erleben wir ja allmählich eine Übersättigung mit Scripted-Reality-Formaten. Das dürfte Ihnen ja entgegenkommen...
Mark Land: Fernsehen funktioniertin Wellenbewegungen. Bei den Gameshows war das z.B. ähnlich, da gab es plötzlich eine Schwemme und dann schrumpfte sich das wieder gesund. Bei Scripted Reality wird das sicher auch so passieren. Man merkt ja, dass nicht alles, was derzeit noch in den Markt kommt, gleichermaßen durchstartet.
Arne Kreutzfeldt: Scripted Reality wird sicher nicht komplett verschwinden, aber der Anteil wird sich mittelfristig wieder ein wenig reduzieren. Alle suchen deshalb heute bereits nach Factual-Formaten, die für eine tägliche Ausstrahlung produzierbar und noch dazu spannend sind. "Shopping Queen" hat ja bereits gezeigt, dass das durchaus gut funktionieren kann. Der Bedarf ist sicherlich groß und ich habe das Gefühl, dass die Leute wieder Lust darauf haben, authentische, gute Geschichten und echte Menschen zu sehen. Das hat man ja auch innerhalb anderer Genres schon feststellen können.. Auch Formate wie "Undercover Boss" produziert von unserer Schwesterfirma MME, ist ja ein erfolgreiches Format, bei welchem - ähnlich wie auch bei „Secret Millionaire“weitestgehend normale Typen, quasi als „Helden des Alltags“ im Mittelpunkt stehen. Da kommt sicherlich noch mehr nach. Das ist eine erfreuliche Entwicklung und da sind wir mit dem BBC-Katalog vielleicht dann diejenigen, die am Ende des Tages davon profitieren werden.
Aber mal vom BBC-Katalog abgesehen: Entwickelt Tower Productions auch selbst? Wie wichtig ist das für Sie?
Mark Land: Wahrscheinlich so wichtig wie für alle anderen Produzenten am Markt auch. Wir wissen allerdings auch, wie schwer es mit Neuentwicklungen am Markt ist. Die meisten kommen an Adaptionen nicht vorbei, weil häufig bei den Sendern der Mut fehlt, etwas auf den Schirm zu bringen, das nicht schon woanders erfolgreich getestet wurde. Aber wir brauchen natürlich trotzdem eine Entwicklungsabteilung. Allein schon, weil wir die Formate in unserem Katalog für den deutschen Markt aufbereiten müssen.
Arne Kreutzfeldt: Es ist ja nicht so, dass wir 1:1-Kopien produzieren. Jedes Land hat seine eigenen Bedürfnisse und seine eigene Zuseher-Struktur. Da muss man immer schauen, für welchen Slot und welchen Sender man ein Format produziert.
Mark Land: Beim SWR gab es ja beispielsweise einen Ideenwettbewerb, aus dem verschiedene Pilotprojekte hervorgegangen sind. Wir haben für diesen Pitch eine Show namens "Verstehen Sie was?" rund um Dialekte konzipiert, in der Hella von Sinnen als erster Gast zu sehen war. Die Show war mit 13,4 Prozent ein Riesenerfolg. Derzeit sprechen wir mit dem Sender über die erste Staffel.
Im Bereich Factual Entertainment wurde gerade auch auf dem Realscreen Summit in Washington wieder heiß diskutiert ob Thema oder Charaktere eigentlich wichtiger sind. Wie sehen Sie das für den deutschen Markt?
Arne Kreutzfeldt: Na, die beiden Faktoren sind ja schon sehr eng mit einander verknüft. Grundsätzlich habe ich zwar schon den Eindruck, dass tatsächlich erst mal das Thema im Vordergrund steht. Das heißt aber natürlich nicht, dass nicht auch der Cast ausschlaggebend ist für Erfolg oder Misserfolg eines eigentlich starken Konzepts. Der Fokus liegt– meiner Meinung nach - momentan darauf, gesellschaftlich relevante Themen, in eine Form zu bringen, die es erlaubt, das Ganze in Reihe zu produzieren und mit guten Charakteren zu füllen. Im Pitch geht es mir zunächst darum, eine starke Idee zu präsentieren und zu erklären, warum ich von einer Sendung auf einem bestimmten Sendeplatz überzeugt bin. Dann ist es natürlich die Aufgabe eines guten Teams, das Ganze mit den möglichst besten Protagonisten zu füllen. Ich bin aber keiner, der sagt: Schau mal, der komische, übergewichtige Vogel da drüben - den begleiten wir jetzt mit der Kamera und machen ne prima Show draus. Das wäre nicht meine Herangehensweise.
Wir haben über Factual und Shows gesprochen. In welchem Bereich sehen Sie die größten Wachstumschancen für Tower Productions?
Mark Land: Wir wollen im Bereich Show weiter wachsen, aber der Fokus liegt, wenn man sich den Katalog auch anschaut, im Augenblick sicherlich auf Factual-Programmen.
Arne Kreutzfeldt: Insgesamt wird das vom Markt derzeit am meisten nachgefragt. Die Potentiale sind im Factual-Bereich sicherlich größer als in anderen Genres. Was uns in dem Zusammenhang den Start mit Tower Productions seinerzeit sicherlich erschwert hat, ist die Tatsache, dass eine der wichtigsten und größten Show-Marken, die die BBC international vermarktet - nämlich “Strictly come dancing“ -, nicht für uns verfügbar war. Das ist ehrlich gesagt auch der Brand, der uns fehlt, um über die Grenzen des Factual-Bereichs hinaus wahrgenommen zu werden. Aber wir haben lange gekämpft und gearbeitet. So langsam ist die Tower in den Köpfen der Leute angekommen. Die BBC gilt nach wie vor als „Mutter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Und wir sind in der glücklichen Situation, deren Formate nach Deutschland bringen zu können.
Herr Land, Herr Kreutzfeldt, herzlichen Dank für das Gespräch.