Ihr ehemaliger Kollege Harald findet kaum noch Zuschauer, aber freut sich über die Freiheit ohne Quotendruck bei Sky...
Das ist natürlich völliger Blödsinn und die Zweckargumentation und der Trotz nicht wirklich den Ankündigungen nach verschwunden zu sein, weil man den Sender, bei dem man einmal angefangen hat, dann doch aus vielen verschiedenen Gründen, quotenmäßig nicht befriedigen konnte. Das hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was die „Harald Schmidt Show“ mal war.
Wie meinen Sie das?
Was uns am Anfang ausgemacht hat, Stichwort Nische, war der erfrischende Größenwahn. Wir waren nicht auszurechnen. Ich weiß noch, wie ich Anfang 1996 bei ihm angefangen habe, da hat uns der Boulevard aber so richtig im Visier und da verging eigentlich keine Woche, in der es nicht hieß „Pfui-TV“, „ekelhaft“, „absetzen“ und „Letterman-Kopie“. Wenn ich dann mal erschöpft mit meinem Kollegen Ralf Husmann aus dem Büro kam, übern Flur ging und mich Harald dann fragte, wie es mir ginge und ich besorgt war, beispielsweise wegen der Presse, dann sagte er: „Ach Peter, mach dir mal keinen Kopf, wir sind wie die Tagesschau, wir werden immer laufen!“ Scharfe Kritik ist immer besser als Lob, weil es anspornt. Aber um Kritik zu bekommen, musst Du wenigstens gesehen werden. Und das fehlt jetzt fast völlig.
Glauben Sie, dass sich Harald Schmidt lange dafür begeistern kann?
Wenn Harald Schmidt in Höchstform ist, dann braucht man für ihn eigentlich gar nichts zu schreiben, dann sind das immer seine eigenen Beobachtungen, wenn er aber nicht in Höchstform war, hatte er eben kundige Leute, unter anderem auch mich, die es zu ihm getragen haben. Das war eine relativ einzigartig tolle Zeit, die drei bis vier Jahre andauerte und dann leider in eine andere Richtung, in eine gewisse Selbstgefälligkeit kippte. Auch wenn ich früher von Freundschaft zu Harald Schmidt gesprochen habe - inzwischen haben wir aus verschiedenen Gründen keinen Kontakt mehr - denke ich, dass der Wechsel zu Sky eine Entscheidung war, die einem gewissen Trotz geschuldet ist. Ich denke nicht, dass er dort glücklich ist.
Sie haben nach Ihrer Zeit bei der „Harald Schmidt Show“ an diversen Shows mitgewirkt, die nicht funktioniert haben. „Die Niels Ruf Show“, „Krügers Woche“, „Oliver Pocher Show“. Haben Sie Erklärungen dafür, warum es so oft schief ging?
Natürlich hat man für sich bei der Absetzung immer erstmal eine Schnellanalyse. Mit Abstand denkt man dann immer nochmal anders über die Sendungen. Bei Mike Krüger hatte ich sehr viel Spaß und ich brauchte das Geld und das Gefühl vor der Kamera zu agieren. Dass das Ganze allerdings als Bauerntheater aufgeführt wurde, war schade. Hätte man das Ganze als Mockumentary oder Sitcom inszeniert, dann glaube ich wäre das geglückt. Was überraschend war, war in der Tat, dass ProSieben nachbestellt hatte, der Produzent jedoch interveniert hatte und meinte, dass er den Schmerz von ProSieben nicht vergrößern wolle, was auch selten ist, dass ein Produzent eine Nachbestellung ablehnt. Und bei der „Oliver Pocher Show“ hatte der Sender nicht die nötige Geduld und schnell sollte aus einer LateNight-Show eine Personality-Show mit diesem jungen ambitionierten Radikalcomedian werden.
Fehlt den Deutschen einfach das LateNight-Gen oder hat das deutsche Fernsehen nur verlernt, wie es geht?
Ich würde Zweiteres sagen. Die Kultur, die wir da hätten heranbilden können, hätte mit einer Kopie der „Harald Schmidt Show“ anfangen können. Wir haben ja auch nur ein amerikanisches Format adaptiert. Und drüben hat auch niemand geklagt, dass jede neue LateNightShow nur eine Kopie der existierenden sei. Da freut man sich über Vielfalt und Abwechslung. Aber in Boom-Zeiten der Comedy haben wir im deutschen Fernsehen das Sperrige verlernt. Es muss gefällig sein - und wiederholbar. Beides trifft auf LateNight-Shows nicht zu. Deswegen wundert es mich nicht, dass wir heute „X-Diaries“, „We love Lloret“ und „Mitten im Leben“ haben. Die letzte Stichprobe, die ich persönlich gemacht habe, war eine der gescripteten Nachmittagstalkshow bei Sat.1. Wer das gesehen hat, fragt sich nicht länger warum immer mehr Zuschauer dem Fernsehen den Rücken kehren. Natürlich kann man positive Ausnahmen hervorheben, wie die „heute show“ oder alles was Bastian Pastewka und Anke Engelke machen. Aber wir haben eine TV-Landschaft, die ein Publikum hervor gebracht hat, das eine gewisse Schamlosigkeit beinhaltet. Und nur die wird noch bedient. Ich habe nichts dagegen, dass es solche Sendungen gibt, aber die Inflation ist einfach niederschmetternd.
Herr Rütten, herzlichen Dank für das Gespräch