Haben Sie kürzlich die gescripteten Talkshows in Sat.1 mal gesehen?
Ich habe stellenweise reingeschaut und fand schon die Drehbücher schlecht. Solche Bücher hätte ich meinen Redakteuren um die Ohren gehauen. Das ist aber auch das Problem einer echten Talkshow: Oft hapert es an der Pfiffigkeit. Als ich noch die Talkshow gemacht habe, habe ich mir immer die Freiheit genommen, in die Gestaltung der Sendung einzugreifen, schließlich stand ja mein Name auf der Tür. Es ging mir darum, die Leute nicht für blöd zu verkaufen – und oft genügen kleine, pfiffige Ideen um aus einem Gespräch eine runde, abgeschlossene Geschichte zu machen..
Zum Beispiel?
Wir hatten mal eine Familie im Studio, die seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen hat. Nachdem das Eis ein wenig gebrochen war, wollte ich wissen, wann zuletzt ein Familienfoto entstanden ist – das war natürlich schon einige Jahre her. Als sich die Familie in der Diskussion aufeinander zu bewegt hat, habe ich sie gefragt, ob wir nicht hier und heute einen Neustart in Punkto „Familienverhältnis“ machen wollen und dies mit dem ersten Familienfoto seit vielen Jahren besiegeln. Wir haben dann in der Sendung mit einer Polaroid-Kamera ein Foto gemacht und hatten einen symbolischen Abschluss. Das hat so gut wie gar nichts gekostet, war aber eine nette Kleinigkeit, die die Geschichte rund gemacht hat.
Wie ist Ihr Eindruck von der derzeitigen Daytime?
Der Talkshow-Boom war zu meiner Zeit schon auf dem absteigenden Ast, aber von Marktanteilen mit bis zu 18 Prozent, wie wir sie hatten, kann man heute in Sat.1 nur träumen. Der Doku-Bereich hat den Moderatoren dann die Arbeitsplätze weggenommen. Als ich moderiert habe, gab es ja nicht nur Talkshows, sondern auch viele Quizshows. Die Dokus haben die Primetime und Scripted Realitys die Daytime besiedelt. Aber darüber sollte man nicht Jammern, denn schließlich bedeutet das ganze Leben immerzu Veränderung. Heute mache ich einen anderen Job und fühle mich sehr wohl dabei!
Sehen Sie Schnittpunkte zu ihrer früheren Arbeit als Talkshow-Moderator?
In beiden Fällen müssen die Ideen originell sein. Ich habe kürzlich den Piloten einer anderen Firma gesehen, die einfach die Realität abgebildet hat – da muss ich das Format ja nicht scripten, das kann ich auch echt haben. Mir geht es darum, Formate zu scripten, die man echt gar nicht machen könnte. Bei „Zugriff“ und „Die Zollfahnder“ begleiten wir Spezialeinheiten der Polizei und des Zolls hautnah bei ihren Einsätzen. Das wäre in der Realität natürlich viel zu gefährlich. Und bei den „Autoeintreibern“ würden die Banken Amok laufen, weil das ein Thema ist, über das nicht gesprochen werden soll. Aber Fälle von Autoeintreiberei gibt es wirklich in Deutschland, nur wollen die Geldinstitute in der Öffentlichkeit ungern dazu stehen.
Echte Dokusoaps bringen es also nicht mehr?
Die Grundkonflikte bei „Familien im Brennpunkt“ könnte man auch ohne Drehbuch darstellen. Man kann mit echten Dokusoaps aber keine solch komplexe Dramaturgie stricken: Bei diesen RTL-Formaten am Nachmittag kommt dann plötzlich der Bruder um die Ecke, der ein Geheimnis verrät, was dann das Rad nochmal in die entgegen gesetzte Richtung dreht. Und noch viel wichtiger: Man kann mit Scripted Reality ganz andere Zeitspannen abbilden und extremere Entwicklungen der Protagonisten darstellen. Bei einer echten Doku gibt’s fünf Drehtage – entweder es geht dann was, oder eben nicht.
War Ihnen das von Anfang an bewusst?
Wir haben den Wert von Scripted Reality erst langsam erkannt. Es ist zunächst mal auch teurer als eine echte Doku, für die ich z.B. Polizeibeamte mit einem echten Polizeiauto begleiten kann. Das alles kostet erst mal nichts – und der gefasste Schwerverbrecher erhält natürlich auch keine Gage. Bei gescripteten Formaten müssen dagegen alle Einzelelemente organisiert und bezahlt werden.
Und am Ende zahlt es sich aus, weil vermeintlich spannendere Geschichten erzählt werden können?
Scripted Reality ist vor allem planbarer. Unsere Art zu scripten ist für ein Daily-Budget kaum machbar, weil Besetzung und Technik recht aufwändig sind. Wir haben aber schon ein gutes System, um die Kosten möglichst niedrig zu halten. Für mich ist Scripted Reality aber vor allem deshalb spannend, weil es ein kleiner Schritt hin zu Fiction ist und ich ein großer Fiction-Fan bin. Ich will nicht vermessen sein und sagen, wir machen Fiction – ganz bestimmt nicht. Wir gestalten allerdings das maximal Machbare mit einem Doku-Budget. Bei den „Zollfahndern“ und bei „Zugriff“ tasten wir uns teilweise ganz deutlich in den Fiction-Bereich vor, verwenden auch Spezialeffekte wie Explosionen und Stunts. Sprecher und O-Töne grenzen es allerdings dann doch wieder klar von der Fiction ab.