Mit den Dortmundern kommt nun allerdings bald ein weiteres Team hinzu. Gibt es für immer neue Teams eigentlich ausreichend viele Sendeplätze?

Früher haben einzelne Teams mehr Folgen pro Jahr gespielt. Die Kölner waren schon mal bei vier Folgen, jetzt machen wir drei. Manfred Krug war zwischenzeitlich sogar bei fünf Folgen pro Jahr angekommen. Für Schauspieler bedeutet das, dass sie sehr festgelegt sind und wenig anderes machen können. Noch dazu ist es schwierig, für ein Team pro Jahr fünf exzellente Drehbücher zu entwickeln. Und Sie kriegen für derart viele Folgen auch nicht jeden Protagonisten – Jan Josef Liefers beispielsweise will Zeit für seine Musik haben, Axel Prahl will Kinofilme drehen. Da ist klar, dass die beiden nie mehr als zwei „Tatorte“ pro Jahr machen würden. Zu mehr Folgen haben wir sie bisher noch nicht überreden können, aber das ist auch vollkommen nachvollziehbar. Auch Til Schweiger wird sicherlich nicht mehr als ein, zwei Folgen im Jahr machen wollen...

… mit neuem Vorspann?

(lacht) Also diese Debatte möchte ich beim besten Willen nicht auch noch befeuern. Aber um auf die vielen Ermittler zurückzukommen: Um auf eine bestimmte Schlagzahl zu kommen, müssen wir mehr Teams haben, die weniger Folgen pro Jahr drehen. Als diese Entwicklung vor einigen Jahren aufkam, haben wir uns die Frage gestellt, ob das vom Zuschauer in dieser Form erwünscht ist. Früher war es so, dass die etablierten Stars – also Manfred Krug oder Götz George – viel erfolgreicher waren als die Ermittler, die seltener auftraten. Das hat sich in meinen Augen heute komplett geändert. Die Zuschauer sind neugierig auf die Neuen. Das ist für uns beruhigend und führt zudem dazu, dass der „Tatort“ lebendig bleibt. Zum Kult gehört ja auch, dass der „Tatort“ so unterschiedlich ist wie er ist und man sich – wie beim Fußball – auch mal ärgern darf. Man wendet sich deswegen aber nicht ab, sondern freut sich auf das nächste Spiel. Oder in unserem Fall auf den nächsten „Tatort“.

 

Derzeit ist der „Tatort“ ja sogar so erfolgreich wie lange nicht.

Das ist das größte Glück für Das Erste, das Akzeptanzprobleme bei den jüngeren Zuschauern hat. Es gibt oft tolle Filme, bei denen man sich fragt, warum diese nicht gefunden werden. Nun gibt es jedoch das Phänomen, dass zunehmend jüngere Zuschauer den „Tatort“ entdecken. Das ist meines Erachtens durch den Tatort Münster gekommen – er ist bei den Jüngeren so populär durch die Autorisierung im Netz geworden. Das habe ich an meinen eigenen Söhnen feststellen können. All das hat offenbar in den letzten Jahren auf die gesamte Reihe durchgefärbt. Bemerkenswert ist auch, dass es viele jüngere Zuschauer gibt, die den „Tatort“ nicht alleine gucken.

„Public Viewing“ ist das Stichwort...

Man möchte das Gemeinschaftserlebnis haben wie beim Sport. Das ist im Laufe der Jahre deutlich angestiegen. Wir haben inzwischen sogar verschiedene Artikel wie Tatort-Bierdeckel hergestellt, damit sich Kneipen damit ausstatten können. Die Münchner Schrannenhalle hat spezielle Veranstaltungen schon vor Jahren gemacht. Zuschauer schauen sich den „Tatort“ im Kino an. Das Besondere dort ist, dass der Film gegen 21:30 Uhr angehalten wird, um gemeinsam mit dem Moderator zu raten, wer der Mörder ist.

Der Münsteraner „Tatort“ ist die neue Nationalmannschaft?

An dem gewaltigen Zuspruch sehen Sie zumindest, dass vieles von dem, was gerne behauptet wird, gar nicht stimmt. Zum Beispiel, dass das klassische Fernsehen aussterben wird. Die Diskussion über den „Tatort“ am Tag danach, so wie früher, als es nur zwei Programme gab, steht in gewisser Hinsicht auch für so etwas wie alte analoge Lebensqualität, weil man etwas Verbindliches hat und sich auf etwas Verbindendes beziehen kann. Ich merke das ja selbst, wenn ich anderen Leuten sage, was ich beruflich mache – zum Tatort möchte jeder etwas sagen, auch Politiker oder Minister. Interessant ist: Je kleiner die Region ist, in der der „Tatort“ angesiedelt ist, desto begeisterter sind die Zuschauer. Wir hatten letztes Jahr in Münster ein Event in einem Freiluftkino. Innerhalb von wenigen Tagen wurden 3000 Tickets verkauft. Die Verantwortlichen sagten uns, das sei ein reißenderer Absatz als bei „Avatar“ oder „Herr der Ringe“ und baten uns um einen zweiten Abend – danach waren wieder 3000 Karten verkauft.

Müssen solche Events generell von Ihnen abgesegnet werden?

Das sind Aufgaben, die wir im "Tatort-Markenboard" beraten. Wir filtern ganz allgemeine Fragen, zum Beispiel zu Veranstaltungen. Sie können sich vorstellen, wie viele Leute unser Logo haben möchten. Oder wenn für ein Polizeifest in München der „Tatort“-Vorspann angefragt wird. Dabei geht geht es neben markenrechtlichen auch um urheberrechtliche Probleme.

So wie beim Vorspann?

Genau. Solche Fragestellungen sind Teil meines Alltags. Pro Tag habe ich immer einige Vorgänge, die mit diesen Themen zusammenhängen. Wollen wir, dass „Tatorte“ im Flugzeug angeboten werden? Soll ein Buch zur Reihe erscheinen? Es ist unglaublich, wie viele Trittbrettfahrer es gibt, die ohne Unrechtsbewusstsein diese eingetragene Marke für ihre Interessen verwenden wollen.