Das ZDF hat statt Medienforschung jetzt das Publikum über neue Formate entscheiden lassen. Ist das die Zukunft?
Eine tolle Idee, die auch alle paar Jahre wieder kommt. Aber ich muss auch sagen: So ein Versuchslabor ist eine kritische Geschichte. Wenn man den Zuschauer fragt, welche Sendung gesendet werden soll, dann ist nach meiner Erfahrung meistens nie ein wirklicher Treffer dabei herausgekommen.
Aber ist Marktforschung die Lösung?
Nein, es gibt mehr als genug Programmmacher, die sich nur noch auf die Marktforschung verlassen. Meines Erachtens gehört bei jeglicher Programmentscheidung Bauchgefühl dazu. Und die Kenntnis des eigenen Senders. Das beherrschen sicherlich alle Programmdirektoren perfekt, da würde ich nie dran zweifeln. Aber es braucht auch noch drei andere Voraussetzungen: Den Glauben an und die Begeisterungsfähigkeit für ein Format sind genauso wichtig wie der Wille ein Format zum Erfolg zu machen. Und das fehlt oft. Viele sind mehr damit beschäftigt Ihren Job zu behalten als ihn zu machen.
Aber wo gibt es noch den Platz um Formate oder neue Köpfe auszuprobieren?
Die dritten Programme könnten heute hervorragend neue Leute aufbauen. Auch im LateLateNight-Bereich, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, könnte man sicher neue Gesichter aufbauen. Mit wenig Geld. Ich bin da nicht so pessimistisch. Sehen Sie sich doch nur Joko und Klaas an...
Nun gut, das sind jetzt gerade die beiden Ausnahme-It-Boys, die jeder gerne anführt. Besonders ProSieben und ZDFneo...
Die haben aber auch einen jungen Moderator, den man noch vor zwei Jahren hochgejubelt hat, rechts überholt. Die sind persönlich sehr in Ordnung und haben großes Talent.
Wo sie grad von Pocher sprechen, ist Olli Kahn nur eine Parodie weit entfernt. Da gab es Schlagzeilen zu einer Castingshow für Sat.1. Was gibt es dazu zu sagen?
Nicht an jeder Meldung ist etwas dran.
Und an der auch nicht?
Nein, also wirklich nicht. Ich würde das doch sonst in Ihrem Interview sagen...
Selbstverständlich. Zum Abschluss noch ein Blick zurück. Sie sind ja auch im Grunde so etwas wie der Vater der Scripted Reality, weil es mit den Gerichtsshows bei Sat.1 damals anfing. Ist man stolz darauf, dass das Genre so stark geworden ist?
Es wurden neue Fernsehformen geschaffen bei denen man natürlich fragen kann: Sind sie qualitativ besser als das was es früher gab? Nein. Aber sie sind in sich qualitativ gut gemacht. Wir können uns nicht die seligen Zeiten zurückträumen, in der die Sender mehr Geld in die Hand genommen haben. Ich glaube nicht, dass wir nochmal zu diesen goldenen Zeiten zurückkommen. Weil, warum sollte der Werbemarkt jetzt plötzlich wieder explodieren und teurere Programme auf Strecke ermöglichen? Trotzdem ist unser Fernsehen insgesamt international gesehen eines der besten Angebote, die es gibt. Und es hat sich weitgehend unbeeindruckt vom Internet entwickelt.
Also ist all die Aufregung um die Frage, wie das Fernsehen auf das Internet reagieren muss, umsonst gewesen?
Schauen Sie, ich kann mich noch genau an eine Sitzung bei Sat.1 im Jahr 1995 erinnern als meine damalige Pressechefin zu mir kam und sagte, wir brauchen unbedingt viele Millionen Mark für dieses Internet sonst sind wir morgen tot. Das wäre dann das dritte Todesurteil des Fernsehens nach der Erfindung der Fernbedienung und des Videorekorders gewesen. Und heute sehen wir: Ohne jede Abwertung dessen, was im Internet möglich ist, steigt die Fernsehnutzung über fast alle Zielgruppen und selbst bei den internet-affinen Zielgruppen bleibt die TV-Nutzung konstant und fällt nicht. Denn Fernsehen hat immer noch eins: Es ist genial einfach und genial einfach zu konsumieren. Die Mehrheit der Leute will abends nach acht nicht mehr aktiv werden.
Herr Kogel, herzlichen Dank für das Gespräch