Einer der Kritikpunkte entzündete sich unter anderem an den Eigenproduktionen im Factual Entertainment-Bereich. Die Privatsender sagen, das könnte auch bei ihnen laufen. Was ist denn Ihrer Ansicht nach denn das typisch öffentlich-rechtliche an den ZDFneo-Dokusoaps?
Prinzipiell glaube ich, dass wir uns kein Genre von den Privaten verbieten lassen dürfen, wir uns aber in jedem Genre von ihnen unterscheiden müssen. Die signifikantesten Unterschiede im Bereich der Dokusoaps kann man am „Straßenchor" aufzeigen. Wie hier Obdachlose zu einem Chor geformt wurden, zeigt die Art und Weise, wie man in diesem Genre seriös mit den Protagonisten umgehen und eine Geschichte erzählen kann. Es gab auch ein ähnliches Projekt bei einem deutschen Privatsender. Vergleichen Sie beide, dann werden sie die Unterschiede sehen. Wir gehen das Thema zudem nachhaltig an. Das ZDF produziert gerade eine Reportage ein Jahr danach. Oder nehmen Sie „Plan B": Wenn wir eine Dokusoap-Reihe über Selbständigkeit machen, dann tun wir das auf praxisnahe und beratende Art und nicht, um Menschen beim Scheitern zu beobachten. So könnte ich an vielen Beispielen die Unterschiede zu den Privaten aufzählen, sage aber im gleichen Atemzug, „Rach, der Restauranttester" könnte ich mir auch bei ZDFneo vorstellen. Es ist sicher nicht alles schlecht, was die Privatsender machen.
Die zahlreichen Eigenproduktionen wurden aber bislang ein wenig unter Wert verkauft und nur am Vorabend gezeigt, wo sie dann kaum Publikum fanden. Halten Sie trotzdem daran fest?
Wir halten an den Eigenproduktionen fest, weil sie wichtig und zentral sind, um ZDFneo journalistisch und inhaltlich zu positionieren. Daher werden wir die Eigenproduktionen sogar ausbauen, nicht nur im Factual Entertainment-Bereich. Wir haben allerdings erkannt, dass die 19:30 Uhr-Leiste, auf der bisher die meisten der Dokusoaps liefen, sehr von Nebenbei-Rezeption geprägt ist. Das macht es schwierig, dass sie dort gebührend wahrgenommen werden. Wir sind daher derzeit auf der Suche nach einem neuen Sendeplatz, der dann in der Primetime liegen soll.
Sie sprechen die Primetime an: Das ZDFneo-Programm ist bislang horizontal aufgebaut. Um 20:15 Uhr gibt es eine Doku, um 21 Uhr einen Film, um 22:30 Uhr eine Serie - das ist verglichen mit den Privatsendern ungewöhnlich und wohl auch nicht hilfreich für den Audience Flow. Bleibt es auch im zweiten Jahr ZDFneo bei dieser Strategie?
Ich orientiere mich da nicht an den Privatsendern; aber es ist tatsächlich die Erkenntnis des ersten dreiviertel Sendejahres, dass ein kleiner Kanal wie ZDFneo sich schwer damit tut, horizontale Leisten aufzubauen, weil die Zuschauer noch nicht so häufig in ZDFneo reinschalten. Wir denken darüber nach, uns stärker vertikal aufzustellen und die Abende thematisch zu sortieren. Vorstellbar sind zum Beispiel große Dokumentationsabende zu spannenden Themen, an denen wir dann drei, vier Dokus hintereinander senden oder einen britischen Abend mit „Inspector Lynley" und „Inspector Barnaby". Wir müssen stärker daran setzen, die Zuschauer an einem Tag zu halten als zu versuchen, sie jeden Tag wieder zur gleichen Uhrzeit zu gewinnen.
Von der Struktur zum konkreten Programm. Womit will ZDFneo die neue Saison bestreiten?
Die drei großen Entwicklungsbereiche sind Kaufserien, Late-Talk und Quiz.
Im Kaufserien-Bereich dürfte die vielfach Emmy-prämierte Serie „Mad Men" das Aushängeschild werden...
Richtig, das wird unser Highlight in den nächsten Monaten, das wir ab dem 6. Oktober ausstrahlen werden. Daneben haben wir auch die kanadische Sitcom „Being Erica" erworben. Im Mittelpunkt steht eine 32-jährige Protagonistin, die seit jeher Beziehungsprobleme hat und sich mit den Männern im Berufs- und Privatleben auseinandersetzen muss. Zudem haben wir von ITV auch die Rechte an der Serie „The Prisoner" erworben, einer Mischung aus „Truman-Show" und „Lost". Die Serie soll noch in diesem Jahr bei uns starten soll. Außerdem geht natürlich „30 Rock" in die dritte Staffel. Neben Kaufserien nehmen wir neben „Ijon Tichy" auch noch eine zweite eigenproduzierte Fiction ins Programm: „Snobs" mit Christian Ulmen.