Markus KochFehlt der Wall Street die Moral?

Ich hatte da gerade vor einigen Tagen ein interessantes Interview für „Mal zwischendurch“ mit dem Pfarrer der Trinity Church hier gleich gegenüber der Wall Street. Er mahnte an, dass man der Wall Street über die Jahre zugestanden hat, dass es einzig und allein um das Geld verdienen gehe. Moral und Ethik wären dort eben falsch am Platz, dafür könnte man ja in die Kirche. Diese Haltung ist aber problematisch. Diese Trennung zwischen dem, wo Moral und Ethik wichtig wären und wo sie außer Acht gelassen werden können. Nach der Arbeit dem Obdachlosen einen Dollar zu spenden ist kein Ersatz dafür, wenn im Büro ethische und moralische Prinzipien außer Acht gelassen werden.  

Ich würde gerne aber nochmals zurück zur Börsenberichterstattung. Welche Lehren zieht man dort aus der Krise und dem Wandel des Börsengeschäfts?

Meines Erachtens nach steht die Börsenberichterstattung vor einer ganz großen Herausforderung. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn Merrill Lynch vor zehn Jahren IBM-Aktien empfohlen hat, dann hatte das unmittelbare Auswirkungen auf den Kurs. Heute spielen in einen Aktienkurs so viel mehr Faktoren mit hinein, dass eine Empfehlung nicht mal mehr zwingend einen Ausschlag beim Aktienkurs ergibt. Das ist eine große Herausforderung für die Berichterstattung weil es kaum noch möglich ist über einzelne Aktien zu sprechen ohne Gesamtzusammenhänge zu erklären.
 

 
Ist das Analysieren eines Aktienkurses also Börsenberichterstattung von gestern?

Zumindest will der Zuschauer heute nicht mehr Details zu einer einzelnen Aktie. Denn solche Details erhält er heute im Überfluss und in Echtzeit von überall. Er will den Überblick zurückbekommen. Er will Orientierung. Und dazu ist es heute immer wichtiger hinter die Zahlen zu schauen.

Was Sie mit der Reihe „Mal zwischendurch“ tun....

Mir ging es darum zu zeigen, dass nichts in der Finanz- und Wirtschaftswelt ohne menschliche Entscheidungen geschieht. Wir sprechen immer von der Wall Street als wäre es ein lebender Organismus, aber letztlich sind es einzelne Personen, die handeln und auf ihre Art am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen. Ihre Rollen zu verstehen, hilft das Funktionieren unserer Wirtschaft zu verstehen. Und Wirtschaftsinformationen sind mehr als Breaking News. Wir leben in einer Breaking News-Welt. Das kann man nicht ändern, aber man darf zwischendurch mal eine Auszeit nehmen.

Ist das Ihr Ausstieg aus der Tagesberichterstattung für n-tv?

Nein. Das ist der Aufbruch zu weiteren Ufern. Ich habe meine Tagesberichterstattung ja schon vor längerer Zeit auf eine Woche pro Monat reduziert, aber das macht mir nach wie vor Spaß. Zusätzlich will ich mich künftig aber mehr auf andere TV-Projekte konzentrieren wie „Backstage Wall Street“, eine Doku die am Mittwochabend ab 22.05 Uhr bei n-tv zu sehen ist oder eben „Mal zwischendurch“. Ende des Jahres kommt dann „Endstation Parkett”, ein Film zu dem schleichenden Ende des Parketthandels in Chicago.

Herr Koch, herzlichen Dank für das Gespräch.