Markus KochHerr Koch, seit 15 Jahren berichtet n-tv live von der Wall Street. Der Sender hat Sie zum deutschen Gesicht der New Yorker Börse gemacht. Erschreckt es Sie, wie lange das schon her ist?

Ich bin seit April 1996 dabei, aber fast 15 Jahre - das ist schon eine irre Zeit. Erschreckt mich das? Nein, ich glaube man macht es sich nicht in der Form bewusst. Aber wenn man mit den Leuten auf dem Parkett spricht, die die Zeit noch überlebt haben - anders kann man es eigentlich schon gar nicht mehr sagen - dann erinnert man sich natürlich daran, wie viele Menschen dort einmal unterwegs waren. In dem Moment wird einem klar, dass sich viel geändert hat.

Sie waren 1996 einer der ersten Journalisten, die überhaupt auf das Parkett der New York Stock Exchange durften. Und dann auch noch ein ausländischer Journalist. Es war kein herzlicher Empfang damals, nehm ich an...

(lacht) Die Rolle des Börsenberichterstatter auf dem Parkett war nicht unbedingt gerne gesehen da unten. Ich kam drei Monate nach Maria Bartiromo von CNBC als zweiter Journalist, der sich dauerhaft auf dem Parkett bewegen durfte.
 

 
CNBC ist ja ein Begriff in den USA. Aber dann ein Jungspund aus Deutschland. Waren Sie nicht völlig nebensächlich dort auf dem Parkett?

Das Geschehen auf dem Parkett hat viel mit Respekt zu tun. Mit dem Wissen, welche Rolle man spielt und meine war sehr sehr klein. Ich vorher selbst bei einem Brokerhaus gearbeitet und wusste, wie die Börsenmakler auf Journalisten auf dem Parkett reagieren würden. Die Jungs sind es, die die Millionen umsetzen - nicht ich. Da ist die erste Aufgabe eines Journalisten, nicht im Weg rumzustehen.

Das klingt jetzt aber so als sei es doch recht reibungslos verlaufen zu Beginn...

Nein, natürlich gab es Reibungen am Anfang. Sogar Beschwerden bei der Chefetage der New York Stock Exchange über diesen ausländischen Reporter, der ihnen da im Weg rumsteht. Das war am Anfang schon ein Gegeneinander. Aber, das ist das schöne an Amerika, es funktionierte ab dem Moment wo die Jungs gemerkt haben, dass ich sie mit dem nötigen Respekt behandele und genauso taten sie es dann auch. Nach ein paar Monaten war ich nicht mehr der deutsche Reporter sondern einer von ihnen. Wir sind, so fühle ich das auch, eine Familie da unten auf dem Parkett. Das ist auch heute noch so obwohl ein Großteil der Händler nicht mehr da ist.

In 15 Jahren hat sich eben viel verändert. Gibt es rückblickend für Sie verschiedene Phasen an die Sie sich erinnern? Oder verschwimmen die 15 Jahre?

(überlegt) Nach dem Platzen der Spekulationsblase bei HighTech-Aktien im Jahr 2000 hat sich die Welt an der Wall Street komplett verändert. Auch in der Berichterstattung. Bis dahin konnte man vor der Kamera im Grunde alles machen.

Es gibt also eine Wall Street vor und eine nach dem Jahr 2000?

So kann man es sagen. Als es mit dem Bärenmarkt anfing, habe ich mich noch mit dem Verweis, ich könne die Verluste einfach nicht mehr sehen, mit einer Papiertüte über dem Kopf vor die Kamera gestellt. Diese Leichtigkeit hat die Börsenberichterstattung dann irgendwann im Jahr 2000 verloren, weil plötzlich eben nicht mehr alle gewonnen haben. Diese Wandlung vor zehn Jahren wurde bislang nicht wieder umgekehrt. Es liegt seit Jahren das ungute Gefühl in der Luft, dass etwas nicht stimmt.