RTL II-Programmdirektor Holger AndersenEin Format wie „Abenteuer Afrika - Deutsche Teenies beißen sich durch“ klingt recht problembeladen. Kollegin Schäferkordt zweifelt gerade an solchen Konflikt-Dokusoaps. Was macht Sie da optimistischer?

Wir haben im Frühjahr schon mit der „Mädchen-Gang“ gute Erfahrungen gemacht und insbesondere ein junges Publikum erreicht. Das ist für uns immer besonders wichtig. Bei „Abenteuer Afrika“ zeigen wir acht Jugendliche, die sich in Deutschland dem Konsum und Wohlstand hingeben und mit denen wir in Afrika eine „Therapie“ durchziehen.. Die Teenager haben die einmalige Chance eine ganz fremde Kultur kennenzulernen – und sehen so Ihr Konsumverhalten plötzlich ganz anders. Das ist für die Zuschauer nicht sehr problembeladen, sondern viel mehr sehr unterhaltsam. Und den Jugendlichen ermöglicht es durch einen Denkanstoß ihr Verhalten zu hinterfragen – oder gar zu ändern.

Wie unterhaltsam darf es denn werden? Manche Originale Ihrer Formate laufen in England bei der BBC. Trotzdem seufzt mancher Kritiker, wenn er dann hört, dass RTL II das Programm in Deutschland umsetzt...

Da spielen zwei Dinge eine Rolle. Natürlich fahren wir bei RTL II mit „it‘s fun“ eine konkrete  Strategie, mit der wir bei manchen Formaten aus dem Ausland eine ganz eigene Interpretation umsetzen. Wir wollen auffallen, aber mit Qualität. Auffallen ist für uns als kleineren Sender noch wichtiger als bei den Großen, die stärker auf das Zappen der Zuschauer setzen können. Zum Zweiten muss man sagen: Ja, die Engländer oder Niederländer sind weitaus offener für neue Ideen und Formate. Manche unserer neuen Formate laufen etwa bei BBC 3, dem jungen öffentlich-rechtlichen Kanal. Dort muss sich niemand für die Formate rechtfertigen. Uns läuft bei RTL II immer noch ein altes Image nach. Wir arbeiten daran es zu ändern, aber nicht gegen sondern mit dem Publikum und das braucht Zeit.
 

 
Wenn die „Bild“ aber dann Ihre Formate als „Dschungel-Big Brother“ oder „Sextalk mit Mama und Papa“ ankündigt - freuen Sie sich oder ärgert es? Wo Sie doch vom Trash-Image weg wollen?

Grundsätzlich freue ich mich über die „Bild“-Zeitung immer. Wenn die Kollegen noch nichts von unseren neuen Formaten gesehen haben, können Sie natürlich nichts anderes als spekulieren und wir sind damit mal wieder aufgefallen. Aber wir kommunizieren ja nicht nur über die „Bild“ und sind ohnehin der Meinung, dass sich das Publikum immer noch selber ein eigenes Urteil bilden will. Darauf freuen wir uns.

Aus „Sextalk mit Mama und Papa“ wurde „Generation Ahnungslos“...

Das Format ist sehr ernsthaft. Es wird eines unserer sozial relevantesten Formate der nächsten Saison und deswegen passt es sehr gut am Dienstagabend vor „Zuhause im Glück“. Die Therapeutin erklärt in der ersten Folge sehr gut unsere Idee. Wenn Familien über Sex reden können, können sie über alles reden. Es geht ja nicht nur um Sex sondern um all das, was heutzutage in Familien vielleicht manchmal lieber totgeschwiegen wird. Wir wollen da Hilfestellungen und Anregungen geben.

Ich muss da nochmal einhaken. Das klingt aber wieder nach Konflikten und Problemen. Sehen Sie das anders als Kollegin Schäferkordt oder sind sie einfach nur waghalsig?


Anke hat da sicherlich absolut Recht. Aber wir müssen differenzieren: Entscheidend ist, dass Dokusoaps für den Zuschauer eine gewisse Relevanz haben. Wenn es nur um Probleme eines Protagonisten geht, dann will das Publikum dies nicht mehr sehen. Also wenn es um extreme Einzelfälle geht. Wenn es aber Probleme sind, aus denen man als Zuschauer für sich etwas ableiten kann, dann kann so ein Format funktionieren. Und darauf achten wir.

Ich muss nochmal auf „Big Brother“ zurückkommen. Sie holen mit der aktuellen Staffel gute Quoten, aber bei einem Blick auf die Werbepausen habe ich das Gefühl, dass mehr Sex und Krawall zwar gut für die Quote aber schlecht für die Vermarktung sind...


Nein, „Big Brother“ ist sicher ein Format, welches die einen Werbekunden begeistert und die anderen nicht. Da leisten wir immer noch Überzeugungsarbeit. Wir sind sehr stolz auf diese Staffel, weil wir deutlich Marktanteile hinzugewonnen haben und das mit einer sehr ursprünglichen Variante, also mit nur einem Haus und einem guten Cast. Das ist bei „Big Brother“ 90 Prozent der Miete. Übrigens: Meines Wisens gab es diesmal gar keinen  Sex, nur um das klar zu stellen.