Was war aus Design-Sicht denn die größte Herausforderung?
Stock (Foto, rechts): Die große Herausforderung, gerade bei einem so zentralen Programmbestandteil wie der aktuellen Information, war, dass der Auftritt einzelner Formate zum Gesamtauftritt des Senders passt. Sie werden zum Beispiel bei unseren Magazinen erkennen, dass „Frontal“, „Länderspiegel“ und Co. alle ein individuelles Erscheinungsbild haben, aber doch aus einem Guss sind und es auch immer Referenzen zum ZDF-Erscheinungsbild gibt, von der Tonalität und Farbgebung. Das war also bislang schon ambitioniert und anstrengend, aber mit dem jetzigen Projekt haben wir da eine ganz neue Dimension erreicht.
...durch ein virtuelles Studio. Gab es bei den Journalisten im Haus keine Bedenken, dass die Virtualität der Seriosität schaden könnte?
Schick (Foto, links): Diskussionen darüber gab es und immer wieder kam die Frage, wie glaubwürdig eine virtuelle Umgebung ist. Wir sind dem Zuschauer gegenüber ehrlich. Es gibt einen realen Tisch und der Hintergrund ist virtuell. Wir gaukeln dem Zuschauer keine Kulissen vor. Hier wurde, finde ich, oft ein Fehler gemacht bei virtuellen Studios: Die wirken eher dann unnatürlich und unseriös, wenn Wände oder Möbelstücke virtuell suggeriert werden. Nein, uns ist ganz wichtig: Im Mittelpunkt steht nach wie vor die Information und der Moderator. Die neuen Möglichkeiten müssen das unterstützen - und nicht davon ablenken.
Stock: Virtualität ist kein Selbstzweck. Es geht um die Veranschaulichung von Nachrichten. Das ZDF hat im Wettbewerb der Nachrichtensendungen eine Uniqueness, die uns die Zuschauer in Umfragen bestätigen. Das ist die Erklärkompetenz. Diese Kompetenz können wir jetzt weiterentwickeln und stärken.
Mit virtuellen Erklärräumen - die allerdings bislang im deutschen Fernsehen oft spektakulär angekündigt aber dann selten genutzt wurden...
Stock: Es muss redaktionell Sinn machen. Das wird nicht jeden Tag gehen. Aber wir werden den Erklärraum deutlich öfter einsetzen als die Kollegen, von denen Sie sprechen, denn wir haben uns mit dem Thema viel intensiver auseinandergesetzt. Man muss begreifen, dass es hier nicht nur um die Frage der Technik sondern auch um die Qualifikation der Mitarbeiter geht. Deswegen haben wir hier personell ausgebaut und etwa das neue Berufsbild des Grafikredakteurs geschaffen. Der entscheidende Unterschied: Ein Grafikredakteur handelt nicht erst auf Anweisung eines Redakteurs, sondern kann selbst aktiv mögliche Veranschaulichungen für Themen entwickeln.
Schick: Wir brechen ein wenig die Weisungsdominanz des Redakteurs, der den Designer nur zum operativen Umsetzen braucht, obwohl der besser wissen kann, welche Themen sich wie grafisch umsetzen lassen würden.
Stock: Ganz wichtig ist uns, dass wir hier über die Möglichkeiten reden. Das bedeutet nicht, dass sie täglich virtuelle Erklärräume erleben werden. Schon gar nicht in der „heute“-Sendung. Das wäre Effekthascherei. Wenn wir derzeit erklären, was künftig alles möglich ist in dem neuen Studio, dann muss man immer bedenken, dass wir hier eine große Zahl von Sendungen produzieren werden. Wir sind stolz auf das, was künftig möglich ist. Das heißt aber nicht, dass immer alles zum Einsatz kommen muss. Wir machen nichts, nur weil es machbar ist.
Es wirkt bislang oft unbeholfen, wenn Moderatoren mit virtuellen Objekten hantieren müssen. Wie vermeiden sie das?
Schick: Das ist für die Moderatoren sicher eine neue Herausforderung. Sie sehen zwar etwas, weil die virtuellen Objekte auch auf die grüne Wand des Studios projiziert werden. Aber sie haben natürlich nicht das plastische 3D-Modell vor sich. Deswegen gab und gibt es intensive Schulungen. Denn wenn die Interaktion des Moderators mit dem virtuellen Modell nicht harmoniert, wird die ganze Szene merkwürdig wirken.
Apropo merkwürdig. Die neuen Nachrichten, egal ob „heute“ oder „heute-journal“ wirken irgendwie flüssiger...
Stock: Die Beweglichkeit der Kameras, die Beweglichkeit der Moderatoren und die Flexibilität des Hintergrundes ermöglichen einen ungewöhnlich flüssigen Ablauf. Die Sendungen bekommen erstmals eine optische Dramaturgie, wie wir sie aus fiktionalen Sendungen kennen. Fließende Übergänge, Bewegungen, Kamerafahrten - das haben sie bislang bei Nachrichtensendungen allenfalls beim Opening. Der Gesamtablauf wird fließend. Auch bei den Grafiken zur Bebilderungen von kurzen Nachrichten. Mehr Übergänge anstelle von harten Schnitten. Der Zuschauer wird das vielleicht gar nicht bewusst wahrnehmen und beschreiben können, aber er wird es spüren.