Ist es denn gelungen eine jüngere Leserschaft anzusprechen, wonach sich ja im Grunde alle Tageszeitungen sehnen?

Hinter dieser stabilen, leicht steigenden Auflage verbirgt sich natürlich ein Leseraustausch. Wir haben den ganz normalen Verlust an Abonnenten durch Wegzug, Tod oder finanziellen Problemen. Aber das haben alle Zeitungen. Natürlich hatten wir auch Leser, die sich aufgrund der Umstellung von uns verabschiedet haben, weil sie mit dem Produkt nicht einverstanden waren. Das waren etwa 1.500. Diejenigen die neu dazugekommen sind, sind unserer Kenntnis nach meist jüngere Leser. Das ist ein schleichender Prozess, der nicht schlagartig vollzogen wird, aber wir freuen uns über die Verjüngung der Leserschaft.
 
Vor der Umstellung der „FR“ wurde viel über das Tabloid-Format diskutiert. Die Diskussion ist inzwischen verstummt. Freut es sie, keinen Konkurrenten in dem Format zu haben oder wäre es ein gutes Signal für die „FR“, wenn andere Ihrem Beispiel folgen?

Ich glaube nicht, dass die Formatfrage bei anderen Zeitungen erledigt ist. Es gibt eine Reihe von Zeitungen bei denen man über das Format nachdenkt. Aber mir wäre es ganz recht, wenn diejenigen, die jetzt im nordischen Format erscheinen, auch im nordischen Format bleiben würden. Ich bleibe gerne der Einzige im nordischen Tabloid-Format als nur einer in einer ganzen Reihe von Tabloid-Zeitungen zu sein. Das Format als Alleinstellungsmerkmal ist für uns einfach hochattraktiv.

Gibt es zehn Monate nach der Tabloid-Umstellung etwas, was sich als schwieriger entpuppte als zuvor gedacht?


Wir haben vor der Umstellung alle Szenarien durchgespielt und sind bei unseren Planungen immer bewusst auf der vorsichtigen Seite geblieben. Das hat uns davor geschützt, dass wir jetzt zugeben müssen, etwas deutlich unterschätzt zu haben. Wir waren lieber vorher Pessimisten um danach optimistischer sein zu können. Aber Details verbessert man natürlich ständig. Deshalb machen wir die Zeitung heute zum Beispiel schon wieder völlig anders als im vergangenen Juni. Aber da war uns auch klar, dass wir experimentieren müssen.

Zum Beispiel beim Titelbild. Das hat sich seit dem Start verändert. Aus welchem Grund?


Wir hatten am Anfang eine sehr große Breite an unterschiedlichen Titelbildern gehabt. Das ging von monothematisch mit einer großen Illustration bis hin zu einer relativ klassischen Titelseite mit mehreren Texten und einem vergleichsweise kleinen Bild. Wir haben uns von beiden Extremen entfernt und ein Stück weit die Mitte bewegt. Die Titelseite ist plakativer geworden als am Anfang. Das ist ganz wichtig. Wir versuchen nicht mehr alles auf die Seite zu bringen. Dazu, das haben wir eingesehen, eignet sich das Tabloid-Format nicht. Andererseits halten wir uns die monothematische Version immer offen für ein besonderes Thema.
 
Foto: Frankfurter Rundschau
 
 
Welches Mehr an Information kann mir eigentlich eine Tageszeitung bzw. im Speziellen die „FR“ bieten, wenn ich am Abend die Fernsehnachrichten gesehen habe die u.U. einen späteren Redaktionsschluss hatte...

Wenn wir die „Tagesschau“ von gestern wiederholen, haben wir den schlimmsten Fehler gemacht, den wir überhaupt begehen können. Die nackte Nachricht spielt für uns nicht mehr die Rolle, die sie vor zwanzig Jahren mal gespielt hat. Die haben unsere Leser schon aus anderen Quellen erfahren. Für uns spielt die Meinung und Analyse eine viel größere Rolle ebenso wie mehr Hintergrundinformation.

Sie sprechen die Meinungsseite an. Ist das eine erfolgversprechende Richtung für die Zeitungen? Weg von der nackten Nachricht?

Wir haben ja die Doppelseite Meinung eingeführt und präsentieren viel mehr Meinungsartikel als es vor der Formatumstellung der Fall gewesen ist. Die Meinungsseite macht diese Artikel auch auffälliger z.B. mit Autorenfoto, die den Autoren als Person erkennbar macht. Die Resonanz darauf fiel unmittelbar sehr positiv aus, was zeigt, dass es richtig war.

Jetzt sind wir gerade beim Thema Meinung. Deshalb Ihre Meinung bitte: Das Jahr 2008 wird für die „Frankfurter Rundschau“ das Jahr...


...der kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung.

Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie eigentlich die aktuellen Geschehnisse bei der „Berliner Zeitung“...

Ich habe größten Respekt und alle Hochachtung vor meiner früheren Redaktion, weil sie unter so schwierigen Bedingungen immer noch und jeden Tag eine hervorragende Zeitung macht. Das ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit.

Zum spekulierten Wechsel zum „Spiegel“ im vergangenen Herbst will ich jetzt zum Abschluss nichts fragen. Nur so viel: Vervollständigen Sie doch bitte den Satz: Frankfurt ist schöner als Berlin es war und Hamburg es gewesen wäre...


...weil es in Frankfurt die „Frankfurter Rundschau“ gibt.

Herr Vorkötter, herzlichen Dank für das Gespräch