Sie war ungewöhnlich vielschichtig. Im Schnitt haben 7 Millionen Menschen den Film gesehen. Haben Sie schon Reaktionen bemerkt?
Ja, Bekannte kamen auf mich zu, sie konnten nicht fassen, wie gering die Entschädigung für die Opfer ausgefallen ist. Ich habe den Eindruck, dass viele Zuschauer jetzt mehr kennen als die Schlagworte “Contergankind” oder “100 Millionen Entschädigung.” Als Schlagwort klingt das viel. Dennoch ist es schwer, sich ein Bild davon zu machen: Was es bedeutet, täglich auf die Straße zu gehen, eine Bühne zu betreten, auf der dich alle angucken.
Kämpfen Sie gegen die Firma Grünenthal?
Nein. Ich kaufe keine Medikamente, auch keine Kosmetikprodukte, Waschmittel oder Reinigungsmittel von diesem Firmenverbund. Aber ich würde auch niemandem ein Medikament ausreden wollen, das er braucht.
In einer Folge von “Para-Comedy” gehen Sie in eine Apotheke und verlangen Contergan. Ist das Aufarbeitung?
Nein, keinesfalls. Es war meine Idee, aber ich habe mich einfach auf den Effekt gefreut. Die herabfallende Kinnlade der Apothekerin. Diese Auftritte mache ich aus Spaß an der Freude. Ich bin ja keine Missionarin.
Worin liegt die Komik der Sendung?
In der Reaktion der Menschen. In der Apotheke musste ich mich schrecklich zusammenreißen, damit ich nicht lospruste. Oder nehmen sie dieses Beispiel: Ich sitze als Taxifahrerin ohne Arme im Wagen, eine ältere Frau steigt ein, ich sage ihr, sie soll den Motor starten, diesen und jenen Hebel tätigen. Und sie macht es, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie hat so weich, so lieb reagiert, das war eine große Erfahrung. Sie dachte wohl: Okay, sie hat kurze Arme, fährt Taxi, und ich helfe ihr jetzt, damit wir gemeinsam ans Ziel kommen.
Sind solche Reaktionen überhaupt verwertbar innerhalb des Rahmens, den die Sendung vorgibt? Der Lacher fällt weg. Da wird’s doch interessant.
Humor bleibt natürlich eine Geschmackssache. Schnick-Schnack-Schnuck ohne Finger fand’ ich einfach nur blöd. Meine Herausforderung war, auch Episoden zu spielen, die ich nicht auf Anhieb toll fand. Ich will ja Rollen spielen.
Nennen Sie eine solche Szene.
In einer laufe ich mit meinem Zivi an der Leine durch die Gegend. Er verkörpert eine Art Sklaven, ganz in Leder. Eigentlich bin ich eher verklemmt - in diesem Fall musste ich mich überwinden.
Kennen Sie eigentlich Joe “Wee Man” Acuna von “Jackass”? Der hat als Kleinwüchsiger schon vor sieben Jahren solche Effekte erzielt. Die Idee ist nicht neu.
Neu ist, dass behinderte Laien versuchen, die Normalos aufs Glatteis zu führen. Wir haben das Rad nicht neu erfunden. Auch das Schauspielern findet natürlich auf niedrigem Level statt. Aber: Die Passanten glauben nachher manchmal nicht, dass es gespielt war.
Ist es realistisch, anzunehmen, dass die Sendung, die ja auf einem Nischensender läuft, einen Effekt aufs Fernsehpublikum erzielen kann?
Die Intention ist und bleibt, zu unterhalten. Wir finden eine ungewöhnliche Form dafür. Daneben habe ich viel positive Resonanz erfahren. So hat mich bei einem Hundespaziergang eine Frau angesprochen: Sie war begeistert von meiner Performance in der Sendung, sie fand es fantastisch.
Ist es ein Befreiungsschlag für Sie, die Bühne nun in einer neuen Rolle zu betreten?
Ja. Weil ich mit der Teilnahme an der Show in die Offensive gegangen bin. Darin liegt eine Umkehrung. Ich gehe hier auf die Menschen zu. Erst ist es eine Überwindung, und dann man stellt fest, wie nett die Menschen doch sind. Was das Schauspielern angeht: Da möchte ich nichts mit ändern, sondern ich will mich einbringen, wie ich bin. Ich hab nun mal kurze Arme, die muss ich mitnehmen.
Diesmal hat es nicht geklappt - aber können Sie sich ein Interview vorstellen, in dem ihre Arme gar nicht angesprochen werden?
Nein.
Keine Chance?
Da müsste der Interviewer etwas ignorieren. Das wäre, als würde man bei Ihnen etwas Markantes verschweigen.
Die riesigen Füße.
Die sieht man nicht sofort. Aber wenn man nie ihre Füße erwähnen dürfte - das wäre auch bescheuert.