Immer wieder hupen Autofahrer als sie Bernd Stromberg entdecken. Wir sind in Köln, es ist der vorletzte Drehtag für den neuen „Stromberg“-Film unter Regie von Arne Feldhusen. Der kommt im Dezember zuerst in die Kinos - und dann zu Prime Video und ProSieben. An diesem Vormittag strengt sich der Frühling in Köln erstmals in diesem Jahr so richtig an: die Sonne knallt. Einige aus der Crew am Set fragen nach Sonnencreme. Die Mittagspause naht. Ein euphorisches Hupen im falschen Moment - und alles kann nochmal wiederholt werden.

Verärgert ist hier trotzdem niemand. Ist doch jedes Hupen vorbeifahrender Autos nur ein Beleg dafür, dass eine Figur wie die des von Christoph Maria Herbst verkörperten Bernd Stromberg immer noch auffällt. Mehr noch: Emotionen auslöst. Und das wünscht man sich ja, wenn man zehn Jahre nach dem letzten Kinofilm und zwanzig Jahre nach dem Start der Serie den „Papa“ noch einmal zurück holt für einen neuen Film. Wie fühlt es sich an, eine solche Figur, die für Herbst wie auch Autor Ralf Husmann prägend war, wieder aus dem Schrank zu holen?

Dazu bin ich an diesem Vormittag mit Ralf Husmann am Set der MadeFor-Produktion verabredet. Mit der Tochter-Firma der Banijay Germany unter Führung von Nanni Erben und Gunnar Juncken hatte Husmann zuletzt auch schon u.a. die beiden Spielfilm-Fortsetzungen von „Merz gegen Merz“ sowie Serie „Frau Jordan stellt gleich“ produziert. Auf dem Weg in die Mittagspause wird auch Christoph Maria Herbst kurz Zeit haben. Doch zuerst spreche ich mit Husmann, ein Stück abseits des Sets, über Arbeitsteilung, warum Humor heute nicht weniger darf als früher und den Einfluss von AfD und Deutscher Bahn. 

Ralf Husmann © MadeFor / Anja Käumle

Herr Husmann, wenn Bernd Stromberg zurückkehrt - stecken Christoph Maria Herbst und Sie dann die Köpfe zusammen?

Nein, aber das haben wir auch noch nie gemacht. (lacht) Wir bleiben bei unserer bewährten Arbeitsteilung: Ich schreibe, er spielt. Am Abend des Bayerischen Filmpreises Ende Januar, wo ich ihn mit einer Auszeichnung überraschend durfte, meinte Christoph zu mir: Wir fangen ja in 10 Tagen an; ein Buch wäre schön. Ich hatte es den Abend zuvor erst fertig, habe es ihm rübergeschickt. Dann kam nur ne kurze SMS: „Finde ich super“. Das war’s.

Und wie haben Sie sich dem Comeback angenähert? Holt man den Notizblock mit Ideen der vergangenen Jahre raus?

Da gibt’s keinen Notizblock. Ich habe in der Deutschen Bahn festgestellt, dass dort die „Stromberg“-Staffeln 4 und 5 verfügbar sind. Das hab ich genutzt, um mal wieder reinzukommen. Die Figuren, also die Tonalitäten, habe ich natürlich im Kopf und weiß wie ein Bjarne oder eine Milena spricht. Das vergisst man nicht. Aber man hat nicht mehr jeden Gag im Kopf, die Story jeder Folge. Oder wie wir damals mit Kamera und Bildsprache umgegangen sind. Für die Erinnerung bin ich der Deutschen Bahn sehr dankbar.

Wie kam es jetzt nach all den Jahren zum Comeback?

Ich habe ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, dass wir das nochmal machen. Und dann kam Christoph in der Corona-Pandemie mit der Idee, dass wir die Figur Bernd Stromberg für kurze Impfspots wiederbeleben. Dabei haben wir gemerkt: Och, das geht eigentlich immer noch ziemlich gut. Und damit war Bernd Stromberg wieder in der Welt.

Und die Fantasie wieder geweckt?

Banijay-CEO Marcus Wolter hat bei Euch im Interview das Thema ja auch nochmal aufgemacht und am Rande der Dreharbeiten zu „Merz gegen Merz“ habe ich mit Christoph gesprochen. Wir waren uns schnell einig: Wenn wir es noch einmal machen, dann jetzt, zu diesen Jubiläen: 20 Jahre nach dem Start der Serie und zehn Jahre nach dem letzten Film. Dann mussten wir uns nur noch mit allen Anderen koordinieren. Ich habe die ja alle zu Superstars gemacht - und jetzt haben die kaum noch Zeit (lacht). Das zog sich ein bisschen, aber jetzt ist der neue Film abgedreht.

Warum gab es eigentlich nicht schon früher ein Comeback? Etablierte Marken, die vermeintlich das Risiko minimieren, werden schon länger händeringend gesucht…

Ich bin damals von Brainpool weg und hatte mit dem letzten „Stromberg“-Film die Idee, Bernd Stromberg könnte doch in die Politik gehen. Das war ja das Ende des letzten Films. Aber es kam mir komisch vor, sich von Brainpool zu trennen und dann woanders als erstes das zu machen, was vorher schon gemacht habe. Das fand ich merkwürdig - und dann ist auch noch die Idee mit Bernd Stromberg und der Politik gestorben. 

Wieso?

Es passte einfach nicht mehr in die Zeit, weil mit der AfD eine Farbe in das politische Spektrum kam, die man eigentlich nicht bedienen will und die Bernd Stromberg ja schon irgendwie automatisch bedient hätte. Zu sagen, alle Politiker sind doof, unfähig und so. Das war kein Weg, den ich gehen wollte. Und dann dachte ich: Vielleicht ist es einfach vorbei. Das fand ich jetzt auch nicht schlimm.

 

"Ich möchte nicht rausfinden müssen, was die Leute sehen wollen und das dann bedienen."

 

Jetzt geht es weiter, aber ohne Anschluss an den ersten Kinofilm, richtig?

Jetzt ist so viel Zeit vergangen, dass wir uns gar nicht um den Anschluss an den alten Film kümmern, sondern gedacht haben: Wir fangen nochmal neu an. 

Aber schon, um die Fans von damals zu bedienen? „Stromberg“ bleibt „Stromberg“?

Ja, aber es ist mehr als ein sentimentales Wiedersehen für die, die mit „Stromberg“ groß geworden sind. In der Corona-Pandemie ist eine neue Generation an Fans dazu gekommen, was mich ehrlich gesagt auch ein bisschen bewogen hat, weiterzumachen. Übrigens: Wie schon damals sind das meist Leute, die selbst nie ein Büro von innen gesehen haben. Das hat mich früher schon überrascht, wenn wir Veranstaltungen hatten und wir das Publikum vor Ort studiert haben.

Stromberg-Setbesuch © MadeFor / Willi Weber

Für wen schreiben Sie „Stromberg“?

Ich schreibe nicht für Zielgruppen. Marktforschung fand ich immer schon bescheuert. Henry Ford hat mal gesagt, wenn man die Leute gefragt hätte, was sie haben wollen, hätten sie schnellere Pferde gefordert. Ich möchte nicht rausfinden müssen, was die Leute sehen wollen und das dann bedienen. Das würde mich langweilen. Mir geht es darum etwas Neues zu erschaffen, was mich interessiert und dann zu hoffen, dass es genügend Menschen gibt, die das ähnlich sehen. Und obwohl wir vor und hinter der Kamera inzwischen über tausend Jahre alt sind, mache ich mir keine Sorgen, dass „Stromberg“ auch diesmal 20-Jährige erreicht.

Die Sprüche von Bernd Stromberg waren schon vor 20 Jahren Geschmackssache. Kann man den Humor von damals heute so fortsetzen?

Allein die Tatsache, dass ich die Folgen nochmal in der Deutschen Bahn gesehen habe, zeigt ja: da hat sich nicht viel verändert. Denn es gibt ja - glaube ich - nichts, was mehr Deutschland ist als die Deutsche Bahn. (lacht). Wenn „Stromberg“ also problematisch wäre, würde es dort nicht laufen. Vor 20 Jahren haben sich die Leute schon Gedanken darüber gemacht, ob man das machen kann. Ist doch völlig okay, wenn der Humor nicht für jeden was ist.

Aber würden Sie heute die gleichen Witze machen wie vor zwanzig Jahren?

Natürlich hat sich die Welt weiterentwickelt, aber ich kann mit diesem so oft beklagten Gedanken nichts anfangen, dass der Humor heutzutage eingeschränkt wäre oder wir weniger scherzen dürfen als früher. Das ist Quatsch. Als ich angefangen habe, das ist jetzt leider auch schon 40 Jahre her, musste man Sketche beim WDR, die sich mit religiösen Inhalten beschäftigen, noch vorab einreichen, damit „die Kirche“ entscheidet, ob das geht oder nicht. Also diese Vorstellung, dass man früher alles sagen durfte und heute nicht mehr, ist absolut absurd. Ich würde allen, die das beklagen, gerne in eine Zeitmaschine stecken, damit sie sich ein Bild davon machen können, was bis in die 80er passierte, wenn man sich für Abtreibung oder Homo-Ehe ausgesprochen hat. Oder in Bayern das mit der Jungfrau Maria in Frage gestellt hätte. 

Die Arbeitswelt von heute hat sich, nicht zuletzt durch die Pandemie, verändert. Eine Steilvorlage für den neuen „Stromberg“-Film?

Wenn ich jetzt darüber Gags machen würde, wie Leute im Homeoffice ohne Hose Zoom-Konferenzen machen, wäre ich mindestens vier Jahre zu spät. Und Gags über die nächste Generation und ihre Work-Life-Balance wurden auch schon gemacht. Ich habe mich an unseren Figuren orientiert und was aus denen wohl geworden sein könnte. Die Dynamik dieser Charaktere untereinander, natürlich vor dem Hintergrund der sich verändernden Arbeitswelt.

Herr Husmann, herzlichen Dank.

Gut zwanzig Minuten haben wir miteinander gesprochen und das mit der Arbeitsteilung spürt man: Husmann ist aber auch zu lange im Geschäft als dass er sich beim Gespräch nervös umdrehen würde um zu schauen, wie weit die Dreharbeiten gerade sind. Ein Duo mit großer Gelassenheit, das sich gut kennt, wie man auch beim Fototermin vor der Mittagspause merkt. Hier sind zwei alte Hasen zurück in ihrem Element - und die Referenz aufs Alter - bevor sich jemand beschwert - die kommt von Husmann selbst. Auf dem Weg in die Mittagspause hat dann auch Christoph Maria Herbst Zeit für ein kurzes Gespräch...

Stromberg-Setbesuch © MadeFor / Willi Weber

Herr Herbst, wie fühlt es sich an, „Stromberg“ wieder zu beleben? Das Comeback kam recht unerwartet…

Was hat Ralf denn gesagt? Ich würde dann das Gleiche sagen (lacht) Also aus dem Nichts kommt das Comeback nicht, denn ‚Stromberg’ hatte über die Jahre hinweg ja allerorts eine gewisse Präsenz. Die Pandemie hat geholfen, da wurde gestreamt ohne Ende. 

Und es gab ein erstes kleines Comeback mit Bernd Stromberg in Impfspots. Hat das die Lust neu geweckt?

Die Impfspots damals, ja die waren so ein bisschen das Antipasto. Jetzt servieren wir Primo Piatto - und dann schauen wir mal was noch kommt.

Als Schauspieler ist es Ihr Beruf in Rollen zu schlüpfen. War das in diesem Fall trotzdem nochmal etwas Besonderes?

Klar, so eine Figur wie Bernd Stromberg legst du ja auch nie komplett ab. Also es ist jetzt nicht so, dass ich vor unserem Dreh erstmal einen Workshop belegen musste, um mir wieder die Haut von Bernd Stromberg überzustreifen. Die saß noch immer wie angegossen. Es war wirklich erstaunlich, und da spreche ich - glaub’ ich - für uns alle, wie leicht abrufbar unsere Figuren auch nach so langer Pause waren. Was da natürlich sehr hilft, sind Kostüm und Maske.

Das klingt sentimental…

Unser allererster gemeinsamer Drehtag - das war wie Klassenfahrt in der Zeitmaschine. Wir standen da und dachten alle: Aber es sind doch jetzt nicht zehn Jahre vergangen seit dem letzten Mal?! Es ist schon echt weird, aber: Totgeglaubte leben länger! Im Flow dieser Energie haben wir dann alles gedreht.

Herr Herbst, herzlichen Dank für das Gespräch und guten Appetit.

Einen Drehtag später ist der neue "Stromberg"-Film im Kasten - und soll am 4. Dezember zunächst in deutschen Kinos starten. Wann genau das Comeback dann bei Prime Video bzw. ProSieben zu sehen sein wird, ist noch nicht bekannt. Und ob es nun bei diesem einen Kinofilm bleiben wird? Wie man die Fantasie der Fans anregt, hat Christopha Maria Herbst nicht verlernt. Um ihn zu zitieren: "Die Impfspots damals, ja die waren so ein bisschen das Antipasto. Jetzt servieren wir Primo Piatto - und dann schauen wir mal was noch kommt."