Frau Klink, sind Sie eigentlich ein zweckoptimistischer Mensch?

Nina Klink: Ich würde das "zweck" wegstreichen. Ich bin generell optimistisch.

Wenn ich mich in den März 2020 zurückversetze und an TV-Produktionen im anfänglichen Corona-Chaos denke: Da musste man fast schon zwangsläufig (zweck)optimistisch sein, oder?

Das stimmt. An die Anfangszeit der Pandemie erinnere ich mich noch sehr gut, weil wir vor ziemlich genau fünf Jahren mit der damaligen Staffel von "Let’s Dance" gestartet sind. Zum Start war die Welt eine gewohnte, drei Wochen später mussten wir die wöchentliche Live-Show in einer komplett veränderten Welt aufrechterhalten. Keiner wusste, wie es weitergeht und was da noch kommt. Wie für alle war das auch für uns auf ganz vielen Ebenen ein Schockzustand. "Let’s Dance" ist die größte Live-Show im deutschen Fernsehen und dementsprechend braucht es einen riesigen Apparat, um jeden Freitag vier Stunden live zu senden. Freitags arbeiten dort rund 250 Menschen. Es war schnell klar, dass es unter Corona Bedingungen nicht mehr wie gewohnt weitergehen konnte.

Es herrschte in den ersten Tagen viel Durcheinander, gerade auch bei den Auflagen, die für TV-Shows gelten.

Die Einschläge kamen täglich näher und die Restriktionen wurden immer schärfer. Ich kann mich daran erinnern, dass wir damit begonnen haben, das Publikum im Studio zu reduzieren, noch bevor das eine offizielle Vorschrift durch das Land NRW war. Neben der Ungewissheit und Gesundheit aller Beteiligten war unsere größte Sorge, dass wir die Staffel nicht wie geplant zu Ende bringen können. Ein Abbruch wäre auch wirtschaftlich eine Katastrophe gewesen.

Wie haben Sie die Tage und Wochen damals erlebt?

Es gab eine große Diskrepanz: Auf der einen Seite ein großer öffentlicher Druck, dann aber auch das große Bedürfnis von vielen Menschen nach Unterhaltung. Wir haben versucht, da sehr umsichtig zu agieren. Generell war es eine dystopische Zeit. Und als Geschäftsführerin eines Unternehmens war diese Zeit für mich, wie aber für alle anderen auch, von großer Sorge geprägt. Neben privaten Herausforderungen wie Homeschooling haben mich die Augen von 80 Mitarbeiter:innen fragend angesehen. Wir mussten ständig schauen, welche Vorgaben es gibt und wie wir dem gerecht werden können. Und jede:r ist anders mit der Situation und den eigenen Ängsten umgegangen. Da standen sich schnell berufliche Anforderungen und private Angstsituationen im Wege. Das aufzulösen und gleichzeitig den Betrieb aufrechtzuerhalten war ein Balanceakt und für mich persönlich die größte Herausforderung. Ich wollte beiden Seiten bestmöglich gerecht werden. Der private und berufliche Raum war aber nicht mehr so leicht zu trennen. Sowohl vor als auch hinter der Kamera hatten wir Menschen, die mit ihren ganz persönlichen Ansichten und Ängsten nicht mit den Vorgaben übereingestimmt haben. Diese Personen mitzunehmen, ohne dass es übergriffig wird, war eine der komplexesten Aufgaben der Pandemie für mich. Ich kann mich bei meinem Team aber nur bedanken. Alle hatten den Anspruch und das Verständnis dafür, dass wir nur gemeinsam durch die Krise kommen. Am Ende haben wir auch davon profitiert, dass es in der Non-Fiktion mehr Flexibilität gibt als zum Beispiel in der Fiktion.

Glück im Unglück sozusagen?

So kann man das nennen. Wir konnten Moderatoren, Tänzerinnen und Tänzer, Promis oder Jury-Mitglieder ersetzen, wenn sie Corona hatten. Und das ist uns ja immer wieder passiert. Das haben wir alles regeln können und das ist ein unschätzbarer Vorteil gegenüber fiktionalen Produzenten. Aber wenn ich an den ganzen logistischen Aufwand denke: Irgendwann haben alle Hotels in Köln zugesperrt, wir konnten unseren Cast zum Glück in Apartments in Düsseldorf unterbringen. Gleichzeitig sind Züge nicht mehr gefahren und Flugzeuge nicht mehr geflogen. Das zu managen, war eine unglaubliche Herkulesaufgabe für das Produktionsteam.

Ein Abbruch wäre auch wirtschaftlich eine Katastrophe gewesen.


Wie knapp sind Sie damals bei "Let’s Dance" an einem Staffelabbruch vorbeigeschrammt?

Da wir einzelne Ausfälle kompensieren konnten, wäre es wohl nur zu einem Staffelabbruch gekommen, wenn von der BG ETEM Vorgaben gekommen wären, die wir nicht mehr hätten erfüllen können. Oder aber wenn gesellschaftlicher Druck aufgekommen wäre. Nach dem Motto: Wieso tanzen da Menschen, wenn gleichzeitig andere sterben? Diese Gedanken gab es auch. Ich hatte teilweise die Sorge, dass der öffentliche Druck zu groß wird und das Unterhaltungsfernsehen in einer so ernsten Lage als unangebracht angesehen wird. Wir waren aber immer überzeugt, wie wichtig auch solche Shows waren! Für viele Menschen war der Freitagabend das einzige Highlight der Woche. Diese paar Stunden Zerstreuung waren wie Balsam für die Seele.

Am Ende lagen die Quoten der Staffel auf Rekordniveau. "Let’s Dance" war aber ja nicht nur eine der ersten Shows, die von den ganzen Verordnungen und Einschränkungen betroffen war. Es war auch die erste große Live-Show, bei der das Publikum wieder zurückkehrte, das war im Sommer 2021.

Richtig. Wir waren mit die ersten, die gezeigt haben, dass es ohne Publikum geht und wir waren die ersten, die wieder Publikum hatten. Der Moment, als wir wieder Publikum im Studio hatten, war für das gesamte Team und alle Beteiligten vor der Kamera ein wahnsinnig besonderer und ergreifender Moment. Wir wussten schon davor welche Kraft ein Studiopublikum hat und wie wertvoll enthusiastische Zuschauer:innen vor Ort sind, aber in diesem Moment haben sie ihre Kraft noch einmal ganz besonders gezeigt.

Die Rückkehr des Publikums war damals zur Profi-Challenge von "Let’s Dance". Kurz vor der Show sind Ihnen wegen Corona aber noch drei Paare abhandengekommen.

Das haben wir während der Pandemie alle gelernt. Die Planbarkeit von solchen Prozessen war zeitweise komplett hinfällig. Der Ablauf, der am Donnerstagabend stand, war nie der, der einen Tag später live vollzogen werden konnte.

Am Ende haben wir auch davon profitiert, dass es in der Non-Fiktion mehr Flexibilität gibt als zum Beispiel in der Fiktion.  


Seapoint hat damals schon das "Sommerhaus der Stars" produziert. Die Produktion wurde kurzerhand von Portugal nach Bocholt verlegt - dort drehen Sie die Show bis heute. Gab es eigentlich Überlegungen, zurück nach Portugal zu gehen?

Wir haben das diskutiert, ja. Aber der Executive Producer des "Sommerhauses", Jan Graefe zu Baringdorf, ist seit dem Wechsel ein absoluter Verfechter von Bocholt (lacht). Da gibt es unterschiedliche Gründe.

Nämlich?

Wir lieben den Look. Es ist inzwischen ja wirklich DAS "Sommerhaus". Es gibt ganze Pilgerreisen nach Bocholt von Menschen, die das Haus sehen wollen. Ich habe erst neulich gehört, dass eine Kollegin aus der Branche das Haus gemietet hat, um dort eine Geburtstagsparty zu feiern. Der Ort ist mittlerweile Kult. Es gibt aber auch produktionell einige Vorteile. Das Team liebt es und die Bocholter sind toll. Für Bocholt war es natürlich auch eine große Nummer, als dort plötzlich eine Reality-Sendung produziert wurde.

Welche Auswirkungen hatte Corona auf andere Seapoint-Produktionen und gab es im Zuge der Krise eigentlich Kurzarbeit bei Ihnen im Unternehmen?

Rückblickend bin ich sehr stolz darauf und froh darum, dass wir nur in einem Monat vereinzelt Kolleg:innen in Kurzarbeit schicken mussten, weil wir eine Produktion im europäischen Ausland vorausschauend nach hinten schieben mussten, damit sie auch wirklich stattfinden konnte.

Der Ort ist mittlerweile Kult.
Nina Klink über den "Sommerhaus"-Standort Bocholt


Wie gut haben die Auftraggeber während der Pandemie unterstützt?

Ich war im permanenten Austausch mit unseren auftraggebenden Sendern, in erster Linie war das damals RTL. Die haben uns und mir immer das Gefühl gegeben, dass wir gemeinsam durch diese Pandemie gehen werden. Das war immer ein sehr partnerschaftliches Miteinander. Aber natürlich: Selbst wenn man eine gemeinsame Lösungen gefunden hätte, für eine Produktionsfirma wäre es wirtschaftlich im Vergleich zu einem großen Sender eine Katastrophe gewesen, wäre eine Produktion ausgefallen.

Vielfach beklagt wurde damals, dass Versicherungen mögliche Unterbrechungen, die durch Corona verursacht werden, nicht abdecken. Hat sich daran mittlerweile eigentlich etwas geändert? Oder stünde die Branche bei einer neuerlichen Pandemie wieder vor dieser Herausforderung?

Die Branche würde heute vor den gleichen Herausforderungen stehen, weil Corona nach wie vor kein Versicherungsfall ist. Wir als Produzenten von non-fiktionalen Inhalten sind da wie beschrieben flexibler. Aber die Kolleg:innen in der Fiktion müssen ganze Drehtage verschieben, sobald ein Darsteller des Hauptcasts ausfällt. Und wenn der dann auch noch Corona hat, zahlt die Versicherung nicht. Der PCR-Test muss negativ sein, damit die Versicherung greift.

Die Branche würde heute vor den gleichen Herausforderungen stehen, weil Corona nach wie vor kein Versicherungsfall ist. 


Ist heute, fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie, wieder alles normal oder spüren Sie die Auswirkungen von Corona noch immer? Falls ja: Wie macht sich das bemerkbar?

Auswirkungen gibt es natürlich noch immer, manche sind sogar positiv. Die Digitalisierung ist auch in unserer Branche in einem Tempo vorangegangen, das sehr lobenswert ist. Wir müssen zu Senderterminen nicht mehr zwingend mit vier Personen quer durch die Republik fliegen. Das wird mittlerweile auch nicht mehr erwartet. Neben der Zeitersparnis und dem Umweltaspekt sind also auch die Reisekosten gesunken, das ist positiv. Auch die Mobile-Office-Regelung, die nach wie vor in der Branche gelebt wird, ist etwas, das es zuvor nicht gab. Da schlagen als Unternehmerin in mir aber zwei Herzen.

Wieso genau?

Ich stelle immer wieder fest, dass man vor allem in den kreativen Bereichen unserer Branche, effektiver ist, wenn die Menschen aktiv miteinander reden und gemeinsam Zeit miteinander verbringen. So banal das klingt, an der Kaffeemaschine werden oft Ideen ausgetauscht, die ein Projekt oder Pitch dann entscheidend nach vorne bringen. Diese Zufallsmomente gibt es im digitalen Meeting eben nicht. Oder auch die Wertschätzung untereinander im Team, man geht bei einem Kollegen vorbei und freut sich mit ihm gemeinsam über eine erfolgreiche Produktion. Eine Mail schreibt man dafür aber wahrscheinlich eher seltener.

Noch etwas Positives: Wenn jetzt ein Kandidat oder eine Kandidatin kurzfristig erkrankt und ausfällt, treibt Ihnen das vermutlich nicht mehr so schnell die Sorgenfalten in die Stirn, oder? Bei "Let’s Dance" fielen in diesem Jahr zum Auftakt Leyla Lahouar und Jeanette Biedermann aus, letzte Woche fehlte Paola Maria.

Das ist natürlich trotzdem sehr schade für die Show, aber in der Tat greifen da inzwischen gelernte Abläufe.

Vielen Dank für das Gespräch!

DWDL.de-Schwerpunkt: 5 Jahre Corona