Herr Münzner, im vergangenen Jahr haben Sie mehr Reality für Joyn angekündigt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Sehr positiv. Joyn wächst und wächst und wächst insbesondere dank Reality, unserem inzwischen wichtigsten Genre. Zum Jahresende haben wir mit dem "Promi-Büßen" und "Forsthaus Rampensau" einen echten Endspurt hinlegen – und dieser Trend setzt sich 2025 beschleunigt fort: Der Februar markiert mit 8,3 Millionen Nettoreichweite den zweiten Rekordmonat für Joyn in Folge. Besonders schön: Der "Germany’s Next Topmodel by Heidi Klum"-Kosmos wächst bei der Watchtime um 44 Prozent – das ist schon jetzt die erfolgreichste Staffel auf Joyn ever!
Aktuell setzen Sie auf "Big Brother". Die Staffel ist allerdings nur noch halb so lang wie die vorherige und auch das Preisgeld hat sich halbiert. Setzen Sie dem Publikum also eine Sparversion vor?
Die Staffel ist nur halb lang, aber auch doppelt so gut. (lacht) Im Ernst, wir haben die vergangene Staffel sehr genau analysiert und festgestellt, dass es heutzutage schwer geworden ist, die Begeisterung für ein solches Event über 100 Tage aufrechtzuerhalten. Wir sind damals fulminant gestartet, aber man muss jeden Tag etwas zu erzählen haben, um die Fans bei der Stange zu halten. Aus diesem Grund haben wir diesmal die Strategie gewählt, die Staffel zu kürzen, sie aber gleichzeitig mit tollen Geschichten und Gaststars wie Matthias Mangiapane oder Emmy Russ aufzuwerten. Inhaltlich hauen wir wirklich auf die Pauke.
Können Sie schon etwas zur Nutzung sagen?
Um ein Fazit zu ziehen, ist es noch verfrüht. Konkrete Zahlen kann ich daher leider nicht nennen, aber die Staffel läuft bislang stabil. Insbesondere bei den Promi-Einzügen stellen wir regelmäßige Peaks fest, die dazu führen, dass wir wochenweise neue Fans für "Big Brother" gewinnen.
Wie schwer ist es geworden, sich von der sehr starken Reality-Konkurrenz abzuheben?
Wir heben uns schon alleine von der Konkurrenz ab, weil unser Angebot kostenlos verfügbar ist. Gleichzeitig arbeiten wir bereits an weiteren Projekten und werden 2025 gleich drei neue Programme starten, mit denen wir zusätzliche Akzente setzen wollen. Nach "Big Brother" planen wir für den Herbst mit "The Power" eine weitere Reality-Daily mit insgesamt 50 Folgen. Das Format stammt ursprünglich aus Frankreich, wir wollen den Fokus mit unserer Adaption von Redseven Entertainment aber noch stärker auf Reality setzen – mit einer 24-Stunden-Überwachung des Casts, der aus gut zehn Realitystars besteht und keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben wird.

Was ist das Besondere?
"The Power" setzt sehr stark auf Strategie. Es gibt einen sogenannten "Power-Player", der die maßgeblichen Entscheidungen trifft – etwa, wer wo schläft, wer welche Privilegien genießt oder wer in welchem Team zum Spiel antreten muss. Wer der Power-Player ist, weiß allerdings niemand; er muss daher möglichst unauffällig agieren. Das Ziel ist es allerdings, ihn zu enttarnen. Wird er gefunden, muss der Spieler gehen.
Welche neuen Reality-Formate kommen noch?
Eines unsere Ziele ist es, das Universum großer Marken auszubauen, so wie uns das mit „Germany‘s Next Topmodel Stories“ erfolgreich gelungen ist. Wir starten daher im Frühsommer mit "Hochzeit auf den zweiten Blick", einem Spin-Off des Sat.1-Klassikers "Hochzeit auf den ersten Blick" produziert von Redseven Entertainment. Anders als im Original starten wir hier nicht mit der Hochzeit, sondern lassen die neuen Paare in "Couple-Houses", gemeinsame Appartments einziehen, in denen sie ihre Verlobung überprüfen können und mit anderen Singles in Kontakt kommen. Auf Dinner-Partys und Commitment-Ceremonies treffen sie schließlich aufeinander und überlegen gemeinsam, ob sie sich trauen, den nächsten Schritt zu gehen, eben der Hochzeit auf den zweiten Blick. Und ohne zu viel zu verraten: Aus der Show haben sich echte Beziehungen entwickelt, was heutzutage bei Reality-Dating-Shows ja eigentlich nicht mehr unbedingt auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus planen wir für den Frühsommer noch den Start von "Match my Ex" – eine Erweiterung des Kosmos von "Match in Paradise", einer Dating-Realityshow aus Österreich, die auch bei unserem deutschen Publikum gut ankam. Wir arbeiten mit der Produktionsfirma Madame Zheng an einer Version mit deutschen Promis. Es geht um Ex-Paare, die gegenseitig darüber entscheiden, wer gedatet wird. Das ist ein schöner Twist, der das Genre noch einmal gut erweitert.
Werden die Shows ausschließlich bei Joyn zu sehen sein oder ist auch eine Verbindung ins Lineare geplant?
Eine konkrete Entscheidung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gefallen, aber das ist natürlich denkbar. Bei Programmen, die bei einem breiten Publikum funktionieren können, haben wir auch bisher schon verstärkt den Schulterschluss mit unseren linearen Sendern gesucht, um sie ins Schaufenster zu stellen und die Wahrnehmung zu erhöhen. Genau das ist ja der Vorteil, den wir gegenüber reinen Streamern haben.
"Bei künftigen fiktionalen Projekten müssen wir eine breite Ansprache finden."
Bei den Comedyserien, die Sie in den vergangenen Monaten ausprobiert haben, etwa "Der Upir" und "Die Stinos", war es hingegen trotz der zusätzlichen Ausstrahlung im Free-TV schwer, für Aufmerksamkeit zu sorgen. Wieso ist Ihr Plan nicht aufgegangen?
Zunächst mal sind wir total stolz darauf, was wir mit diesen zwei sehr besonderen und liebevollen Serien auf die Beine gestellt haben. Aber wir haben feststellen müssen, dass die Zielgruppe doch sehr spitz war und wir bei künftigen fiktionalen Projekten eine breite Ansprache finden müssen. Es gibt in der Fiction ein derartiges Überangebot, dass man wirklich aufmerksamkeitsstark sein muss, um beim Publikum durchzudringen. Deshalb haben wir unsere Fiction-Strategie für 2025 weiterentwickelt und mit "Frier & 50 – Am Ende meiner Tage" auch eine tolle Serie gefunden, die wir in der zweiten Jahreshälfte zusammen mit Sat.1 zeigen werden.
Eine neue Serie mit Annette Frier?
Ganz genau. Annette Frier spielt sich darin selbst – eine Frau, die sich der Menopause nähert, aber nur total unangenehme Rollenangebot erhält. Das Angebot, die Mutter ihrer eigenen Schwester Caro Frier zu spielen, bringt das Fass schließlich zum Überlaufen, sodass sie sich dazu entscheidet, eine eigene Serie zu entwickeln, bevor sie 50 wird. Das ist ein tolles Projekt, gespickt mit zahlreichen Cameo-Auftritten von Stars aus Film und Fernsehen, die sie ja jahrelang begleitet haben. Produziert wird "Frier & 50" vom Brainpool-Label Good Humor.
Für "Die Stinos", "Der Upir" und "KEKs" geht’s dementsprechend nicht weiter?
Eine endgültige Entscheidung haben wir noch nicht getroffen, aber in diesem Jahr wollen wir uns ganz auf unsere neuen Serien konzentrieren, zu denen ja auch noch die Neuauflagen von "Der letzte Bulle" und "Kommissar Rex" gehören, die bekanntlich ebenfalls in Sat.1 zu sehen sein werden.
"Lineare Sender spielen auch in Zukunft eine entscheidende Rolle."
Was plant Joyn abseits von Reality und Fiction?
Wir werden auch weiterhin auf Creator-Programme setzen, um gezielt die Nutzer:innen einer jüngeren Generation, die keine TV-Konsumenten mehr sind, an Joyn zu binden. 2025 wollen wir gleich 20 neue Formate im Creator-Bereich launchen, mit starkem Fokus auf Adventure und Food. Aktuell arbeiten wir beispielsweise an einem neuen Format mit dem Titel "Deep Down", das wir zusammen mit Knossi und Sascha Huber launchen werden. Die beiden und ihre Creator-Freunde werden darin unter der Erde vergraben. Das ist sehr spooky und gleichzeitig ein äußerst spannendes Sozialexperiment, das wir im Frühling zeigen werden.
Wie wichtig sind angesichts dessen eigentlich noch die linearen Sender, die sich ja auch auf Joyn finden?
Lineare Sender spielen auch in Zukunft eine entscheidende Rolle. Rechnet man alles zusammen, dann bieten wir schon heute rund 190 Channels auf Joyn. Und es sollen noch mehr werden: Wir haben uns vorgenommen, in diesem Jahr 30 neue FAST-Channels zu launchen. Die ersten davon sind bereits an den Start gegangen, darunter der "Big Brother Classics"-Channel, mit dem wir all jene ansprechen wollen, die von der aktuellen "Big Brother"-Staffel nicht genug bekommen können.
Und wie steht's um die Mediatheken von ARD und ZDF, die inzwischen wieder verschwunden sind?
Es gibt konkrete Gespräche mit ARD und ZDF und ich bin positiv, dass wir den Geist echter Kooperation leben und umsetzen werden.
Herr Münzner, vielen Dank für das Gespräch.