Frau Holtmann, nach anderthalb Jahren bei BBC Studios: Kommt man als Produzentin leichter durch die Tür von deutschen Auftraggebern, wenn man einen reichhaltigen britischen Formatkatalog hat?
Das ist auf jeden Fall ein starker Türöffner. Deswegen bin ich unter anderem zu BBC Studios gewechselt. Es ist für mich total spannend, auf diesen Katalog zugreifen zu können, ohne erst groß verhandeln zu müssen – wir haben ihn einfach im Haus und können damit arbeiten. Wobei das nicht heißt, dass wir nur Adaptionen produzieren. Das ist vielleicht ein Drittel unserer aktuellen Entwicklungsarbeit, der Rest sind originäre lokale Stoffe.
Bei Dor Film und Bantry Bay haben Sie zwar auch schon ein paar internationale Formate adaptiert, aber überwiegend originäre Serien und Filme verkauft. Gelangen Sie jetzt schneller zur Akquise?
Ob es wirklich schneller geht – und wenn ja, woran es liegt – lässt sich nicht so leicht sagen. Gerade in Zeiten, wo eine gewisse Unsicherheit im Markt herrscht, ist es natürlich großartig, wenn man sagen kann: Hier ist ein Format wie "Ghosts" – das hat schon in Großbritannien und den USA hervorragend funktioniert, und wir glauben, das hat auch in Deutschland eine Chance. Andererseits ist BBC Studios zwar ein renommiertes Label, aber als operativer Fiction-Produzent ein neuer Player im Markt. Das erzeugt sicher eine gewisse Neugier seitens der Auftraggeber.
Wie gehen Sie bei der Erschließung des Katalogs konkret vor? Wie entscheiden Sie, welche Titel Priorität haben?
Wir pflegen einen regen Austausch mit unseren Kollegen in London, den ich sehr inspirierend finde. Wir sprechen einerseits über neue, aktuelle Marken, die möglicherweise schon einen internationalen Hype ausgelöst haben. Es gibt aber auch andersrum die Möglichkeit, dass ich ein konkretes Briefing habe, zum Beispiel: Sender X hat Timeslot Y und sucht dafür gerade eine Comedyserie, die ruhig ein bisschen edgy sein darf. Dann frage ich in London nach: Habt ihr ein paar Ideen für mich, was ich mir in diesem riesigen Katalog gezielt anschauen könnte? Und ich spreche auch mit meinen Vertriebskollegen hier in Köln, die einen Schreibtisch weiter sitzen und sich um die deutschen Lizenzverkäufe kümmern, um mal zu hören, wie das Feedback der Kunden auf bestimmte Serien ausfällt. Der intensive Austausch und die kompetente Beratung zählen zu den großen Stärken unseres Hauses.
Müssen die Lizenzverkäufer jetzt öfter mal zurückstehen, weil Sie zuerst versuchen, eine lokal produzierte Adaption zu verkaufen?
Es gibt da keine interne Kannibalisierung, sondern eine enge strategische Abstimmung. Bei Formaten, die in unseren Augen förmlich nach einer Adaption schreien und die möglicherweise auch schon international gefragt sind, macht es natürlich Sinn, sie erst einmal mit einem Holdback für den Lizenzverkauf zu versehen. Was nicht heißt, dass sie nach erfolgreicher Adaption nicht auch noch im Original verkauft werden könnten – gerade fürs Stacking in Streaming-Angeboten eine interessante Option.

Ist das bei "Ghosts" auch so gelaufen?
"Ghosts" ist ein außergewöhnliches Projekt, weil es sich um eine der großen Marken im BBC-Universum der letzten Jahre handelt. Da gab es schon vor meinem Wechsel zu BBC Studios großes Interesse und schließlich einen Entwicklungsauftrag, denn der WDR hat sofort gesagt: Wir wollen das unbedingt machen, und zwar als Adaption. Diese Entwicklung hat meine Kollegin Jessica Wirdemann gestartet, die Umsetzung hat dann Nina Sollich als Executive Producer übernommen.
Wie eng sind die Grenzen gesteckt, wenn man ein so begehrtes Format adaptiert?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Kollegen in London uns immer die größtmögliche Freiheit geben. Sie sagen: Das ist deine Adaption, du weißt am besten, was in Deutschland funktionieren kann und was verändert werden sollte. Speziell bei "Ghosts" gab es natürlich auch Learnings aus fünf Staffeln in Großbritannien, von denen wir profitieren konnten. Etwa zu der nicht ganz unwesentlichen Frage, wie man mit einem so großen, vielfältigen Ensemble dreht.
Wir sind in verschiedenen Developments, sowohl mit öffentlich-rechtlichen Sendern als auch mit einer Streaming-Plattform.
Eva Holtmann, Head of Fiction, BBC Studios Germany
Bei den Geistern haben Sie einige der offensichtlichsten Änderungen gegenüber dem britischen Original vorgenommen.
Wir haben uns zum Beispiel entschieden, die Figur des Pfadfinders nicht zu erzählen. Pfadfindertum ist für die Briten ein relevantes gesellschaftliches Thema, für uns Deutsche aber nicht so sehr. Da das Ensemble ohnehin so groß ist, haben wir nur sieben statt acht Geister. Im Original gibt es auch einen Offizier aus dem Zweiten Weltkrieg, der eine spannende Geschichte mit einem emotionalen Bogen hat. Das könnte man nicht einfach auf einen deutschen Wehrmachtssoldaten übertragen. Also erzählen wir stattdessen – passend zu Köln und seiner Historie – einen römischen Legionär.
Und weil Sex-Skandale in der Spitzenpolitik auch eher typisch britisch sind, ist aus dem Tory-Abgeordneten mit heruntergelassener Anzughose bei Ihnen ein Versicherungsvertreter geworden.
Ja, wir fanden, das entspricht eher der hiesigen Realität, wenn man an Schlagzeilen der jüngeren Vergangenheit denkt. (lacht)
Umgekehrt gefragt: Was ist der Formatkern, der "Ghosts" so stark macht und den man tunlichst nicht verändert?
Das ist einerseits diese total fantastische Prämisse: Junges Paar und Geister aus verschiedenen Epochen müssen gegen ihren Willen zusammenleben und versuchen, Kompromisse zu finden und zu akzeptieren, dass jeder eine andere Sichtweise hat. Das macht "Ghosts" in diesen politisch und gesellschaftlich turbulenten Zeiten zu einer sehr aktuellen Serie: Wie wollen wir als Gesellschaft miteinander leben trotz unterschiedlicher Meinungen? "Ghosts" ist eine Comedyserie mit – wie ich finde – immer wieder auch leisen und berührenden Momenten. Auf einer zweiten Ebene geht es um unsere eigene Vergänglichkeit, um Fragen wie: Warum sind wir hier? Was wird aus unseren Liebsten, wenn sie von uns gehen? Außerdem gehört zum Kern das spezielle Regelwerk der Geister. Um die Prämisse zu glauben, braucht es eine Mechanik, die in sich logisch erscheint. Also: Die Geister können durch Wände gehen, aber keine lebenden Menschen und keine Dinge anfassen. Sie müssen an dem Ort bleiben, wo sie gestorben sind. Ihr Aussehen bleibt so wie im Moment des Todes. Diese besondere Form des Storytelling unterstützt die Prämisse: Sobald man im Lauf der Serie erfährt, wie die Geister jeweils gestorben sind, nimmt man sie mehrdimensionaler wahr und entwickelt eine engere Bindung zu ihnen.
"Ghosts" ist die erste eigene Fiction-Produktion von BBC Studios Germany. Im zweiten Halbjahr folgt die ZDFneo-Serie "Chabos", die auf dem BBC-Original "Ladhood" basiert. Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie dort wesentlich freier adaptiert haben?
Das stimmt. Wir haben in der Ankündigung bewusst die Formulierung "inspiriert von" verwendet. In Kürze ist Rohschnittabnahme, dann werden wir nochmal schauen, ob es bei der Formulierung bleibt. Wir erzählen eine andere Storyline als im Original. Es geht auch um einen Mann, der in seine Heimat zurückkehrt und dort seine alte Jugendclique wiedertrifft, aber wir verlegen das Ganze nach Duisburg und ins Setting des WM-Sommers 2006. Während Creator und Hauptdarsteller Liam Williams in "Ladhood" quasi-autobiografische Erlebnisse seines fiktionalisierten Alter Egos erzählt, haben die Autoren und Regisseure Mickey Paatzsch und Arkadij Khaet komplett fiktive Charaktere entwickelt. Was vom Originalformat bleibt, ist das schonungslose Coming-of-Age-Motiv und die Erzählung auf zwei Zeitebenen, bei der der Protagonist direkt in die Kamera spricht und seine eigene Vergangenheit kommentiert.
Sie sagten eingangs, dass ein Drittel Ihrer Projekte Formatadaptionen sind. Wie viel können Sie denn schon über die anderen zwei Drittel, also Ihre lokalen Eigenentwicklungen, sagen?
Noch nicht so viel. Wir sind in verschiedenen Developments, sowohl mit öffentlich-rechtlichen Sendern als auch mit einer Streaming-Plattform. Und wir denken nicht nur an Serien, sondern auch an Event-Movies und Kinofilme. Ich gehe davon aus, dass wir das erste dieser Projekte 2026 drehen werden. Außerdem fangen wir gerade an, mit unseren BBC-Studios-Kollegen in den europäischen Nachbarländern erste Serienentwicklungen für internationale Koproduktionen aufzusetzen.
Frau Holtmann, herzlichen Dank für das Gespräch.
"Ghosts", ab sofort in der ARD-Mediathek. Am 13. März ab 20:15 Uhr auf One.
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