Herr Frey, der Trend hin zu FAST war vor einigen Jahren ja auch gefühlt die Gegenbewegung zum SVoD-Boom mit dem dortigen Überangebot an Inhalten. Und trotzdem: Wenn ich mir Inhalte individuell aussuchen kann, zum Beispiel einzelne Folgen der "Lindenstraße", wieso sollte ich sie dann linear über FAST-Channels schauen? Mit allen Nachteilen, die Linear so mit sich bringt.

Benedikt Frey: Es gibt mittlerweile eine gewisse Müdigkeit vieler Menschen, wenn es um SVoD geht. Viele fühlen sich von dem Überangebot an Content überfordert und zappen manchmal lieber im guten alten Lean-Back-Nutzungsmodus durch ein laufendes Programm. Außerdem gibt es immer mehr Leute, die aus wirtschaftlichen Gründen auf Gratis-Angebote setzen. Wenn Nutzerinnen und Nutzer bei uns in einen Channel kommen und den jeweiligen Inhalt lieber von vorne sehen wollen, können sie das zudem häufig auch tun. Denn in vielen Fällen halten wir bzw. unsere Content-Partner auch die VoD-Rechte an den entsprechenden Inhalten. Manchmal geht das nicht, das stimmt. Da teilt sich die Userschaft in zwei Lager: Es gibt eben die Leanbacker, die nicht lange nach Inhalten suchen wollen, die sie schauen. Und auf der anderen Seite sind die Nutzerinnen und Nutzer, die weiter vor allem VoD nutzen und immer selbst entscheiden wollen, wann sie was sehen.

Samsung TV Plus ist also das Lager für die Leanbacker?

Im Idealszenario bedienen wir beide Lager. FAST ist groß geworden durch die Leute, die dieses Leanback-Gefühl weiter haben wollten. Mehr und mehr richten wir unser Augenmerk aber auch auf die andere Gruppe – beispielsweise durch die Instant-Restart-Funktion und unser immer weiter wachsendes VoD-Portfolio. Für unsere Zukunft ist das ein großes Thema, wir fragen uns ständig: Wie können FAST und AVoD auf unserer Plattform möglichst harmonisch Hand in Hand gehen?

Vielleicht blicken wir nochmal kurz im Schnelldurchlauf zurück. Wie hat sich der FAST-Markt aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren gewandelt und wo steht er heute?

Ich bin vor viereinhalb Jahren bei Samsung TV Plus dazugestoßen. Damals hat es noch einige Monate gedauert und plötzlich war das Thema FAST sehr präsent und wurde zunächst als Hype hochgepusht. Seither hat sich FAST zu einem sehr guten und nachhaltigen Business für viele Player entwickelt. Und ganz wichtig: Für alle ist es ein zusätzliches Geschäft, das keine anderen Einnahmen kannibalisiert.

FAST schnell erklärt

  • FAST steht für Free Ad-supported Streaming Television und ist im Grunde nichts anderes als ein linearer Sender, der eben nur online ausgespielt wird. Anders als die großen SVoD-Dienste setzen FAST-Anbieter ausschließlich auf Werbeeinnahmen und sind für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos verfügbar. In den meisten Fällen sind auf einem FAST-Channels thematisch ähnliche Formate zu sehen. Oder es gibt gleich ganze Kanäle für eine Sendung, die dort dann 24/7 zu sehen ist.

Es hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom an FAST-Channels gegeben. Wie sehr schadet dieses Überangebot? Auch hier werden Zuschauer doch erschlagen.

Der Markt ist noch im Aufbau, da ist diese Entwicklung ganz normal. Und ich sage immer: Wettbewerb belebt das Geschäft, sowohl bei den Inhalten als auch in der Vermarktung. Generell gibt es ja immer mehr Player, die auf Werbung setzen – nicht nur im FAST-Bereich. Vielleicht kommen wir irgendwann mal an einen Punkt, in fünf bis zehn Jahren, an dem ich mich über die vielen Wettbewerber ärgere. Stand jetzt ist das nicht der Fall. Wir stehen allerdings auch an einer sehr exponierten Stelle im Markt.

Wie meinen Sie das?

Durch die Samsung-TV-Geräte haben wir eine riesige Reichweite mit global über 80 Millionen Samsung Smart TVs, allein 11,4 Millionen davon in Deutschland. Und unser FAST-Service ist europaweit der, der am besten funktioniert. Wir haben die meisten User. Von daher haben wir keine Angst vor neuen Playern. Am Ende ist es wie in der gesamten Medienbranche: Es wird sich zeigen, wer überlebt bzw. wer mit wem zusammenarbeitet oder fusioniert.

Wenn man 400 Kanäle oder noch mehr anbietet, befriedigt man damit nicht das Bedürfnis der Menschen. So viele Channels wollen wir nicht.  


Und doch stocken alle Anbieter auf und bieten teils hunderte Channels an. Da muss ich genauso suchen wie bei SVoD-Anbietern – und bin im Zweifel überfordert.

Grundsätzlich bin ich ein Verfechter von: weniger ist mehr. Wir sehen in der Tat, dass die Userinnen und User nicht so lange nach Inhalten suchen wollen. Wenn man 400 Kanäle oder noch mehr anbietet, befriedigt man damit nicht das Bedürfnis der Menschen. So viele Channels wollen wir nicht. Bei Samsung TV Plus haben wir ein Soft Ceiling von rund 120-130 FAST-Channels. Vielleicht könnten es auch noch weniger sein, denn schon das ist ja ein Brett. Aber damit fahren wir derzeit gut. Mehr Channels heißt ja nicht, dass wir damit automatisch mehr Geld verdienen. Am Ende kannibalisiert sich das und eine zu hohe Anzahl an Sendern bringt weder uns etwas, noch den Content-Anbietern.

Brauchen wir eigentlich mal eine konkrete Definition, was FAST ist? Ursprünglich war es ja mal das Versprechen, Inhalte auch online linear zu sehen. Bei Samsung TV Plus und anderen Diensten kann man an den Anfang springen, Joyn setzt vor allem auf Playlists, wo man auch nach vorne springen kann. Ist das noch FAST? Oder ist diese Unterscheidung egal?

Ich würde fast sagen, es ist egal. Ich bin kein Medienprofessor, der eine Definition von FAST aufstellt. Für mich ist FAST wie ein klassischer linearer Sender, nur eben in einer IP-Welt. Ob eine AVoD-Playlist auch FAST ist, sei mal dahingestellt. Auch der Unterschied zwischen FAST und AVoD ist ja nicht ganz klar. Es heißt zwar was anderes, aber ist es tatsächlich auch etwas anderes? Wenn man bei uns zurück auf den Start einer Folge gehen kann, ist das ja auch eher AVoD. Insofern müssen wir uns Stand heute nicht an den Definitionen aufhalten. Wir versuchen alle, den besten Service für die Userinnen und User zu bieten. Den Endkunden ist es dann egal, wie das heißt.

Ist das Wachstums-Plateau von FAST mittlerweile erreicht? 2024 gab es gefühlt deutlich weniger neue Channels als noch 2022 und 2023.

Global betrachtet ist das nicht der Fall. Das liegt daran, dass viele Länder etwas später dran waren als die USA, Deutschland oder auch Großbritannien. Deshalb ist das Gesamtangebot auch im vergangenen Jahr stark gewachsen. In Europa sind wir mittlerweile in vielen Ländern auf einem ähnlichen Level angekommen. In Deutschland ist es so, dass ich mich 2024 vor allem auf Premium-Inhalte konzentriert habe, also auf Kooperationen mit großen Marken, Sendern und Studios. Da starten wir also längst nicht mehr so viele neue Kanäle wie noch vor wenigen Jahren. Wir unterziehen unsere Inhalte jedoch einer regelmäßigen Überprüfung und kontinuierlichen Check-ups, und passen unser Programmportfolio anhand der Resonanz der Zuschauer und Zuschauerinnen an, um immer am Puls der Zeit zu sein.

Wie haben sich die Nutzungszahlen von Samsung TV Plus entwickelt?

Wir sind bislang noch in jedem Jahr gewachsen, und optimieren auch unsere Inhalte auf Zuschauerwachstum. Das macht sich bezahlt: 2024 hat sich beispielsweise die Zeit, die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Samsung TV Plus verbringen, im Vergleich zu 2023, um 40 Prozent erhöht – und das trotz diversen neuen Markteintritten.

Ist Samsung TV Plus profitabel? Muss die Plattform das überhaupt sein oder ist das für Samsung eine klassische Mischkalkulation mit den anderen Geschäftsbereichen?

Samsung macht generell kein Business, um nicht profitabel zu sein. Insofern: Ja, wir arbeiten heute schon profitabel. Für uns ist es sehr wichtig, nicht nur Break-Even zu sein, sondern auch ein Margen-Treiber.

Und wie haben sich Ihre Werbeeinnahmen entwickelt?

Mein Kollege Christian Russ, Country Manager DACH bei Samsung Ads, sagt immer: Wenn man im Bereich CTV arbeitet und es läuft nicht, dann macht man etwas falsch (lacht). CTV ist ein Wachstumsmarkt, auch für Werbung, und wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung in Deutschland. Auch hier zeigt sich, dass wir mit unserer Strategie sehr gut fahren: die Partner, mit denen wir bei Samsung TV Plus zusammenarbeiten, und der Content, den wir zeigen, beides kommt nicht nur bei unseren Zuschauenden gut an, sondern bietet auch für Werbetreibende ein sehr attraktives und hochwertiges Umfeld.

Für uns ist es sehr wichtig, nicht nur Break-Even zu sein, sondern auch ein Margen-Treiber. 


Die großen US-SVoD-Dienste setzen mittlerweile auch stark auf Werbung – und es wird immer mehr. Wie sehr ist das eine Gefahr für Ihr Geschäftsmodell?

Vielleicht wird mir das mal um die Ohren fliegen. Aber ich glaube fest daran, dass Markteintritte von Netflix & Co. gut für uns sind. Der CTV-Markt wächst stark, ist jedoch nach wie vor ein zartes Pflänzchen, wenn man ihn mit dem großen Ganzen vergleicht. Deshalb bin ich optimistisch für die Zukunft und das Wachstum in unserer Vermarktung deutet nicht darauf hin, dass wir durch den Eintritt der SVoD-Dienste in die Vermarktung verlieren. Ich hoffe sogar, dass das dazu führen wird, dass Agenturen mehr über CTV lernen und ihre Werbetreibenden dafür gewinnen können. Die wollen schließlich möglichst viele und verschiedene Touchpoints haben, um alle Menschen in der Gesellschaft zu erreichen. Im Unterschied zu den in Teilen spezialisierten SVoD-Playern, manche setzen auf Hollywood, andere auf Sport oder lokale Inhalte, hat Samsung TV Plus ein breites Angebot, das von vielen verschiedenen Menschen genutzt wird.

Über FAST werden auch Inhalte von ARD und ZDF angeboten. Wie viel Aufwand ist es, diese Inhalte zu sichten, um dort geeignete Plätze für Unterbrecherwerbung zu finden? Es gibt für Zuschauer ja nichts ärgerlicheres als unglücklich platzierte Werbung. Oder passiert das automatisch?

Weil wir Inhalte von zum Beispiel ZDF Studios lizenzieren, treten wir in diesem Fall als Sender auf. Dadurch können wir bei Kanälen wie "Bares für Rares" oder auch "Terra X" Werbung schalten. Dementsprechend setzen wir die Werbung und die Werbeblöcke selbst. Das Setzen der verschiedenen Blöcke passiert wie bei einem klassischen, linearen TV-Sender. Wir haben also tatsächlich ein eigenes Team, das die bestmöglichen Zeitpunkte findet, um bestimmte Programme durch Werbung zu unterbrechen. Wichtig für die User-Experience ist auch eine sorgfältige Abwägung der Menge an Werbeunterbrechungen: wir legen großen Wert darauf, unsere Werbepausen in Grenzen zu halten und unser Programm nicht mit Werbung zu überfrachten. Auch das ist sicherlich ein Grund dafür, warum sich Zuschauerinnen und Zuschauer für Samsung TV Plus entscheiden.

Sie sagten vor einem Jahr in einem Interview, dass mindestens 40 bis 50 der Channels von Samsung TV Plus "auf dem Niveau von Broadcast Content" seien. Da frage ich mich: Die andere Hälfte ist Ramsch?

Nein, natürlich nicht. Broadcast ist eben das oberste Regalfach, die beste Qualität. Wir bemühen uns allerdings, dass wir auch Nischeninteressen bedienen wie z. B. Kids Content, Anime oder auch ungewöhnliche Sportereignisse, die man im Umfeld der klassischen TV-Sender üblicherweise nicht findet. Über unser gesamtes Programmportfolio hinweg arbeiten wir mit unseren Content-Partnern zusammen und versuchen, das Niveau immer weiter zu steigern. Nur ein Beispiel: Die Mainstream Media AG hat bei uns verschiedene Channels, unter anderem "Starke Frauen". Den haben sie im vergangenen Jahr auf ein komplett neues Level gehoben, als sie die "Vorstadtweiber" eingekauft haben. FAST ist, verglichen mit der langen Tradition von klassisch-linearem TV, noch eher neu auf dem Markt, und viele Contentanbieter sind noch im Prozess, die Möglichkeiten, die sich dort bieten, für sich zu erschließen. Daher glauben wir, dass es noch deutlichen Raum zum Ausbau unserer Partnerschaften gibt.

Welche Inhalte oder Genres funktionieren bei Samsung TV Plus denn generell gut? Und welche nicht?

Auf Genre-Ebene ist das schwierig zu beantworten, denn in den meisten Genres haben wir Channels, die in unseren Top 30 sind. Generell funktioniert der gesamte Bereich Nature/Wildlife bei uns sehr gut. Mit CNN und Euronews haben wir zwei Nachrichtensender, die immer gut laufen. Und auch die Channels von ZDF Studios sowie DAZN Fast+ gehören zu unseren Top-Performern, genauso wie unser Entertainment Mix, auf dem wir zuletzt "Yellowstone" gestartet haben. Allgemein lässt sich vielleicht sagen, dass Genre-Kanäle grundsätzlich sehr beliebt sind, gerade weil sie die Lean-Back Erfahrung optimal bedienen: manchmal weiß man eben, man möchte eine Naturdoku sehen, oder ein bisschen lachen, hat aber keine Lust, lange nach entsprechenden Inhalten zu suchen. Da kommt ein "Terra X" oder ein "Comedy Mix" genau richtig.

Und was funktioniert nicht so gut?

Es kommt sehr auf die jeweiligen Inhalte an. Grundsätzlich ist Musik ein Thema, das schwieriger ist als andere. Der ganze Bereich Kinder läuft wunderbar, ist aber schwierig in der Vermarktung. Es ist uns aber auch wichtig, nicht nur die meist-gestreamten Inhalte zu zeigen, sondern darüber hinaus auch eine inhaltliche Vielfalt zu bieten. So spielen wir auch bewusst weiter Nischen-Content, der im FAST leichter umzusetzen ist und spezielle Zielgruppen anspricht, wie Anime oder Bollywood Inhalte. Oft geht es uns hierbei auch darum, neue Zielgruppen zu erschließen, die FAST vielleicht zuvor noch nicht nutzten und über diese Nischeninhalte den Service entdecken.

Wir legen großen Wert darauf, unsere Werbepausen in Grenzen zu halten und unser Programm nicht mit Werbung zu überfrachten. 


Wird Samsung TV Plus auf absehbare Zeit in klassische Eigenproduktionen investieren? 2023 sagten Sie mal, dass das diskutiert werde.

Wir haben das Thema tatsächlich ernsthaft diskutiert, uns dann aber dagegen entschieden. Für den Moment ist das also kein Thema für uns. Es gibt so viel guten Content da draußen, den man auch exklusiv akquirieren kann. Und selbst non-exklusive Rechte sind in den meisten Fällen ja völlig in Ordnung.

Wo liegt also der Fokus für die kommenden Monate? Sie suchen nach möglichen hochwertigen Inhalten und wollen die an den Start bringen?

Generell fokussieren wir uns in Deutschland sehr auf Premium-Content und eine vielfältige Auswahl, bestehend aus einem Mix aus lokalen und internationalen Angeboten, der für jeden etwas bereithält. Darüber hinaus halten wir auch immer mehr nach klassischen TV-Signalen Ausschau. Nach und nach wollen wir unseren Userinnen und Usern hier ein größeres Angebot bieten. Unser Angebot von internationalen Nachrichtengrößen wie CNN und Euronews habe ich schon angesprochen, in der Zukunft werden da weitere, lokale Player folgen. Das werden in einem ersten Schritt vielleicht nicht die größten Häuser sein. Aber gerade für die kleineren Medienhäuser sind wir spannend, weil wir nicht nur zusätzliche Reichweiten versprechen, sondern auch Reichweite in neuen Zielgruppen. Und dann schauen wir natürlich auch, in welche Länder wir noch expandieren können. 2024 sind wir im Nahen Osten, Nordafrika und Südostasien gestartet. Auch in Europa gibt es, gerade im Osten, noch ein paar Länder, in denen wir noch nicht vertreten sind. Das könnte in der Zukunft auch ein Thema für eine Expansion werden.

Apropos Expansion: Wie groß ist die Versuchung, Samsung TV Plus auch auf iOS-Geräte zu bringen? Gerade auch, weil sich die Plattform ja selbst finanzieren soll? Da entgeht Ihnen doch ohne Not eine riesige Zielgruppe.

Natürlich ist das eine Versuchung. Die Frage ist nur immer: Ist es der USP von Samsung TV Plus, dass das Angebot für alle Nutzerinnen und Nutzer von Samsung-Geräten gratis verfügbar ist? Oder betrachte ich es von einem anderen Blickwinkel und bewerte die Plattform als Standalone-Produkt in einem internationalen Konzern, das entsprechend mehr auf Wachstum ausgerichtet ist? Die zwei Denkweisen gibt es, auch bei uns im Konzern. Stand heute sind wir auf einem klaren Weg. Wer sich einen Fernseher oder ein Smartphone von Samsung kauft, bekommt einen starken Service als USP dazu, und das Wachstum, das wir jedes Jahr verzeichnen, erfolgt ganz organisch über die steigende Beliebtheit von FAST und unserem Angebot.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Frey!