Herr Schmitter, RTL+ ist das zentrale Investment von RTL Deutschland mit der auch aus Gütersloh aufmerksam verfolgten Zielsetzung, bis 2026 profitabel zu sein. Das ist nicht mehr lange hin...

…und wir sind auf einem richtig guten Weg. 2024 ist RTL+ um mehr als eine Million Abos auf nun mehr als sechs Millionen zahlende Abonnentinnen und Abonnenten gewachsen. Damit sind wir weiterhin der am stärksten wachsende Streamingdienst in Deutschland. Dabei waren vor allem Oktober und November zwei sehr starke Monate, in denen das „Sommerhaus der Stars“ über alle Streaming-Plattformen hinweg das meistgesehene Format war. Wir haben viel ausprobiert: Anfang des Jahres konnten wir mit der Dschungel-NFL-Kombination an einem Abend über 1,5 Millionen Menschen zwischen RTL und RTL+ hin- und herbewegen, und im Herbst hat der exklusive Start der wöchentlichen Stefan-Raab-Sendung auf RTL+ für Rekorde gesorgt. Wir haben eine neue Abo-Struktur eingeführt, und unsere VoD-Nutzung ist aktuell je nach Zielgruppe drei- bis viermal so groß wie bei Joyn. Und auf die kommt es ja letztlich an und nicht auf die Reichweite von Livestreams von Sendern, die einem nicht gehören.

Ist das der Konter auf die ProSiebenSat.1-Pressemitteilung „Superstreamer Joyn überholt RTL+"?

Nein, das ist kein Konter. Die Freude über den einen Monat Dezember lassen wir den Kollegen gerne. Auch weil wir ehrlicherweise im Dezember nicht in Höchstform waren, da wir einiges an Content in das neue Jahr verschoben haben. Der entscheidende Maßstab für den Erfolg einer Plattform ist nicht die Nettoreichweite, sondern das monatliche Nutzungsvolumen. Und da lag RTL+ in zwölf von zwölf Monaten ganz klar vor Joyn. 

Der Kampf um die Deutungshoheit mit Unterföhring geht also weiter...

Das Problem ist, dass Joyn sich auf die Nettoreichweite fokussiert, und somit auch die Nutzung der Livestreams der verfügbaren Sender einbezieht, darunter auch alle öffentlich-rechtlichen Sender. Das ist aber keine vermarktbare Eigenleistung. Ein Beleg dafür: Angesichts seiner Eigenproduktionen müsste Joyn ja extrem jung sein, aber durch die Livestreams unter anderen der öffentlich-rechtlichen Sender liegt das Durchschnittsalter der Joyn-Nutzer laut AGF sieben Jahre über dem von RTL+. Und schaut man allein auf die VoD-Nutzung, dann liegt RTL+ auch im Dezember weiter klar vor Joyn. Sie merken: Uns fehlen über alle Plattformen hinweg noch die Standards in der Messung, auf die wir uns als Markt gemeinsam verständigen. Und bis dahin werden weiter Äpfel mit Birnen verglichen. 

Der direkt Schlagabtausch zwischen Ihnen und ProSiebenSat.1 war schon lange nicht mehr so intensiv wie gerade, oder? Mal gegenseitige Seitenhiebe, mal aber auch gegenseitige Einladungen…

Anfang Dezember habe ich die Gesprächseinladung aus Unterföhring angenommen, und wir haben uns getroffen. Aus meiner Sicht war es ein wirklich gutes Gespräch. Ehrlicherweise habe ich seitdem nichts mehr gehört. Aber das Jahr ist ja noch jung, ich bin Optimist und guter Hoffnung, dass es irgendwann auch eine Reaktion auf meine Vorschläge gibt. Das Marktumfeld wird quasi täglich härter und damit kommt es auch mal zu raueren Tönen. Aber das tolle Teamwork bei „Ad Tech für Europe“ und das Gespräch im Dezember zeigen, dass wir vernünftig miteinander arbeiten und reden können, ohne allerdings gleich Herzchen-Emojis zwischen Unterföhring und Köln hin- und herzuschicken.

Braucht die Branche nicht ohnehin eine "Währungsreform", weil über die lineare Quote hinaus noch immer keine vergleichbare Messgröße für die kombinierte Nutzung von linear und on-demand existiert?

Eine sehr gute Frage, das ist sie. Jeden Tag haben wir mit dem Frust zu kämpfen, dass der morgendliche lineare Quotenausweis in keiner Weise mehr die Komplexität der heutigen Nutzung abbildet. Ungefähr die Hälfte der täglichen Nutzung der 14- bis 49-Jährigen auf dem Big Screen ist mittlerweile schon non-linear, und das taucht in der bisherigen Quotenausweisung nicht auf. Auch hier ist das „Sommerhaus der Stars“ ein sehr gutes Beispiel. Die lineare Quote war schwächer als im Vorjahr, gleichzeitig haben aber so viele Menschen wie noch nie die Sendung bei RTL+ gesehen. Rund 1,7 Millionen im Schnitt. Nimmt man die Zahlen von RTL und RTL+ zusammen, dann haben das „Sommerhaus der Stars“ 2024 somit mehr Menschen gesehen als jemals zuvor. Das steht aber nirgendwo. Sie und auch andere Medien sind ohne eine kombinierte Währung gezwungen, über die linearen Abnutzungserscheinungen des Formats zu schreiben. Diese Problematik müssen wir dringend lösen, da es hier um die Relevanz unserer starken Marken geht.

Okay, Vorschlag: Einmal eine „Woche ohne Quoten“ - und dann den Wechsel auf einen Marktstandard Live+7, der neben der linearen Nutzung die On-Demand-Nutzung binnen der ersten sieben Tagen abbildet?

Das würden wir sofort umsetzen. Es gibt ja mit Holland einen vergleichbaren Markt, in dem das schon genau so gemacht wird und von dem wir viel lernen können. Die Verantwortlichen haben dort vor gut einem Jahr die Quotenmessung auf Live + 7 Tage umgestellt. Eine solche Messung würde auch die Wirklichkeit bei uns viel besser abbilden und eine sinnvollere Grundlage schaffen. Ich habe den Gedanken auch schon an verschiedenen Stellen eingebracht, aber leider gibt es noch nicht genügend Mitstreiter. Dabei wäre es richtig, wichtig und würde die Relevanz der klassischen Medienhäuser auf einen Schlag deutlich stärken.

 

"Wir erleben gerade das Comeback der Werbepause"

 

Inzwischen sind Netflix und Amazon in Gesprächen mit der AGF. Wie bewerten Sie das?

Ich halte das für zwingend notwendig. Wir erleben gerade das Comeback der Werbepause, die von den internationalen Streamern lange als old fashioned abgetan wurde. Dabei ziehen Netflix, Amazon und Disney schon nach wenigen Vermarktungsmonaten signifikante Gelder aus dem Werbemarkt, basierend auf eigenen Messungen und Daten, die nicht mit unseren AGF-Zahlen vergleichbar sind. Wenn sie jetzt in unser Spielfeld kommen - fair enough -, dann aber bitte mit denselben Spielregeln und totaler Transparenz. Ich bin mir sicher: Alle würden schnell feststellen, dass dort an vielen Stellen auch nur mit Wasser gekocht wird. Deswegen begrüße ich die Gespräche mit der AGF sehr und bin gespannt, wohin sie führen.

Aber nochmal zurück zur Eingangsfrage: Liefern Sie Bertelsmann die schwarze Null bei RTL+ in 2026?

Wir haben einen sehr klaren Fahrplan, nicht nur für die Profitabilität in 2026, sondern auch darüber hinaus. Im aktuellen Marktumfeld sind dafür starke, verlässliche Partnerschaften ein zentraler Baustein. Deswegen freue ich mich besonders, dass wir unseren Vertrag mit der Deutschen Telekom über das Bundling von RTL+ in Magenta TV gerade bis 2030 verlängert und gestärkt haben. Zwei deutsche Mega Brands schreiben ihre Erfolgsgeschichte im Streaming fort, die für beide Häuser sehr, sehr gut funktioniert. Da rund die Hälfte unserer RTL+-Abos über diese jetzt verlängerte strategische Partnerschaft kommen, ist dieser Vertrag wegweisend. Denn unser RTL+ Premium-Paket ist damit weiterhin fester Bestandteil nahezu aller Magenta TV-Tarife. Und auch Magenta TV-Kunden in Österreich erhalten durch eine weitere Partnerschaft jetzt bevorzugt Zugriff auf RTL+.  

Ein wichtiger Deal, den man nicht hätte verlieren dürfen. Wie siehts inhaltlich aus bei RTL+?

Wir haben im vergangenen Jahr an vielen Stellen sehr gezielt investiert, z.B. in den Deal mit Stefan Raab oder auch in umfangreiche Fußball-Rechte. Wir freuen uns darauf, dass die 2. Fußball-Bundesliga ab Sommer am Samstagabend im Livestream bei uns läuft und wir für dieses Topspiel das Picking Right haben. Darüber hinaus werden ab August die Highlight-Clips der 1. und 2. Bundesliga mit bis zu 15 Minuten Länge direkt nach Abpfiff exklusiv auf RTL+ zur Verfügung stehen.

Kommt jetzt eine „Sportshow“ bei RTL+ vor der „Sportschau“ im Ersten?

Ich sag es mal so: Die Menschen, die um 18.30 Uhr die „Sportschau“ einschalten und sich geduldig bis 20.00 Uhr von Spiel zu Spiel hangeln, sind jetzt nicht zwingend das Kernsegment für eine agile Streamingplattform. Wir bereiten für RTL+ ein Angebot vor, das die gesamte 1. und 2. Bundesliga direkt nach Abpfiff schneller, frischer, individueller und flexibler präsentiert. Details dazu wird meine Kollegin Inga Leschek zu gegebener Zeit einordnen.

Lückerath Schmitter © Anne Werner

Eine Bundesliga-Saison hat 34 Spieltage. An wie vielen Samstagen planen Sie die neu erworbenen Live-Übertragungsrechte an der 2. Fußball-Bundesliga auf RTL zu nutzen? Wenn der größte Privatsender ausgerechnet am Samstagabend großflächig anders plant, wird der Produzentenmarkt hellhörig…

Also zunächst einmal ist der Samstag leider längst nicht mehr der nutzungsstärkste Tag, auch dazu sind wir im engen Austausch mit dem Produzentenmarkt. Wenn ich mir die Budgets so anschaue, die wir 2025 in Samstagabendshows investieren, muss sich da keiner Sorgen machen. Momentan kann ich Ihnen noch nicht beantworten, an wie vielen Samstagen RTL das Topsspiel zeigen wird. Das hängt auch davon ab, welche Mannschaften zukünftig in der 2. Liga spielen. Wenn weiterhin so viele mitgliederstarke Traditionsvereine dabei sind, dann dürfte das für einige spannende Paarungen auf Bundesliga-Niveau sorgen. Und so wollen wir es auch angehen: Wenn das Spiel auf RTL läuft, dann soll das ein Abend sein, der sich nach Erstliga-Fußball anfühlt. Sind es am Ende fünf, zehn oder 15 Spiele? Wir werden sehen.

Die Übertragungsrechte der Fußball-WM 2026 sind in Deutschland noch nicht vergeben. Ist RTL Deutschland daran interessiert?

Unter dem Kosten/Nutzen-Aspekt ist es zu den Preisen, die sich die FIFA derzeit vorstellt, nicht darstellbar. Für uns nicht und laut Herrn Himmler, auch für ARD und ZDF nicht. Denn zu den 104 Spielen dieses Mammut-Wettbewerbs kommt ein wahnsinniger Produktionsaufwand über mehrere Länder hinweg - und dazu noch ungünstige Anstoßzeiten. Wer soll das noch wirtschaftlich stemmen? Solange die FIFA darauf besteht, alles im Paket zu verkaufen, wird das aus meiner Sicht für die klassischen Anbieter nahezu unmöglich.

Jetzt kamen wir von einem Thema zum nächsten. Dabei wollte ich zum Einstieg offen fragen: Was treibt den CEO von RTL Deutschland Anfang 2025 am meisten um: Der Wettbewerb mit Unterföhring, die Öffentlich-Rechtlichen, das Silicon Valley oder das Bundeskartellamt?

(lacht) Alles davon. Ich versuche das mal nacheinander zu beantworten. Die größte Sorge macht mir zunächst einmal die Stimmung in Deutschland und die wirtschaftliche Situation, die sich daraus ergibt und für uns alle greifbar ist.

 

"Eine echte Erholung des Werbemarktes erwarten wir erst im zweiten Halbjahr"

 

Auf welchen Impuls hoffen Sie?

Solange wir keine neue Regierung haben, sehe ich leider auch keine Impulse, die etwas daran ändern. Das Werbegeschäft war im letzten Quartal zurückhaltend, und das spüren wir als weitgehend werbefinanziertes Medienhaus besonders. Glücklicherweise haben wir mit RTL+ inzwischen ein erfolgreiches Subscription-Modell, das die Veränderungen im Werbemarkt ein Stück weit kompensiert. Da wir eine echte Erholung des Werbemarktes erst im zweiten Halbjahr erwarten, müssen wir in den nächsten Monaten sensibel und situativ entscheiden. Was haben wir für aktuelle Planungen? Welche langfristigen Ziele haben wir? Was brauchen wir, um diese zu erreichen? Wie produzieren wir eventuell anders oder günstiger? Und das verbindet sich mit Ihrer Frage, denn wir haben einen öffentlich-rechtlichen Wettbewerb, der sich all diese Sorgen nicht machen muss.

Also ganz sorgenfrei ist man dort sicher auch nicht.

Teuerungen müssen wir alle ausgleichen, aber die Kolleginnen und Kollegen von ARD und ZDF können ihre Budgets trotzdem auf Jahre verlässlich planen. Dazu hatten sie im vergangenen Sommer noch die beste Werbekampagne aller Zeiten mit zwei einmaligen Sport-Großereignissen – Fußball EM und Olympische Spiele – direkt vor der Haustür. Diese zehn Wochen haben sie hervorragend genutzt, auch um neue Zuschauer an all ihre Inhalte heranzuführen und sie für ihr Angebot zu begeistern. Und das spüren wir auch noch alle im Januar 2025 Tag für Tag. 

Wahr ist aber auch: Das private Fernsehen hat sich jahrzehntelang allein darüber differenziert, jünger zu sein als der ÖRR. Hat das private Fernsehen die demografische Entwicklung einfach zu lange verschlafen?

Fakt ist: Der Werbemarkt war und ist auch heute noch nicht in der Breite bereit, für Kontakte bei den über 60-Jährigen adäquat zu bezahlen. Lange Zeit war die Grenze sogar bei den 50-Jährigen gesetzt. Wir sind daraus ja bereits vor mehr als zwei Jahren konsequent ausgebrochen und haben als Erste auf die Kernzielgruppe 14-59 umgestellt. Aber im Moment ist der Durchschnittszuschauer von RTL schon 58 Jahre alt. Da sind wir natürlich nicht mehr weit von der Frage entfernt, ob wir nicht schon bald die 14- bis 65-Jährigen betrachten, oder sogar nochmal ganz neu denken müssen.

Oder man betrachtet gleich das Gesamtpublikum ab 3 Jahren?

Auch das kann man diskutieren. Sie wissen ja, dass wir sehr konsequent in die Richtung arbeiten, mehr Programm für den älteren, linearen RTL-Zuschauer zu entwickeln. Das ist übrigens ein Grund, warum wir den „Golden Bachelor“ bei RTL ausstrahlen. Auch im Streaming merken wir, dass bei den Jüngeren zwischen 14 und 29 eine gewisse Abosättigung erreicht ist, und es immer schwerer wird, dort weiter zu wachsen. Deswegen werden wir auch für RTL+ künftig weitere Angebote entwickeln, die für die über 50-Jährigen besonders interessant sind. 

Aber wie passt dazu dann die Liebe von RTL zum American Football und der NFL?

Die Werbekunden sind verstärkt auf der Suche nach unterschiedlichsten Kontakten und Nutzergruppen und halten wenig davon, wenn wir ihnen linear nur noch ältere Kontakte liefern. Deswegen wird es für unser Programm immer wichtiger, spezielle, spitze Inseln zu schaffen, da die jüngeren Zuschauer ständig weniger und damit wertvoller werden. Wir haben eine werbliche Vollauslastung bei der NFL und sind wirtschaftlich sehr erfolgreich. Natürlich wollen wir bei den Quoten noch eine Schippe drauflegen, aber die NFL holt für die Kunden genau die Menschen in einem Maße vor den Fernseher, die überall sonst extrem schwer zu erreichen sind: junge Männer zwischen 14 und 39 Jahren, mit Marktanteilen bis zu 30%, in einem starken Umfeld mit absoluter Brand Safety.

 

„Wenn den Kunden demokratische Werte genauso am Herzen liegen wie uns, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um zu handeln.“

 

Gutes Stichwort: Es gibt Empörung über die Meta-Entscheidung, genau das auf seinen Plattformen nicht mehr zu gewährleisten, weil man auf Fact Checking verzichtet. Haben Sie Hoffnung, dass das anderen Werbeträgern zu Gute kommt?

Vielleicht ist die Hoffnung etwas naiv, aber ich finde, dass wir jetzt darauf drängen müssen, dass bei den Kunden ein Umdenken stattfindet. Plattformen, wie Facebook oder auch X, leben einzig und allein von Werbung. Und nach dem Statement von Mark Zuckerberg - und ich kann jedem nur empfehlen, sich das Video anzuschauen und nicht nur darüber zu lesen - mache ich mir große Sorgen. Seine Definition von Fakten und Meinung wird meiner Meinung nach unsere demokratischen Werte weiter untergraben. Und wenn die den Kunden genauso am Herzen liegen wie uns - und das hören wir ja in ganz vielen Kunden- und Agenturgesprächen - dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um zu handeln. RTL+ ist mit mit einem Durchschnittsalter von 38 Jahren der jüngste deutsche Streamer und damit eine gute, brand safe Alternative zu den Plattformen. Meine Sorge ist aber, dass wir die Ungeheuerlichkeiten aussitzen und uns daran gewöhnen. Genau so wie bei der ersten Trump-Amtszeit irgendwann einfach alles normal war. 

Das Bundeskartellamt hat Ihnen im vergangenen Jahr gleich zwei Vorhaben untersagt: Die Übernahme von Nickelodeon und die Übernahme der Vermarktung von RTLzwei, beides mit Verweis auf die Konzentration im TV-Werbemarkt. Wie bewerten Sie das?

Meine Gedanken dazu lassen sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Die Media-Agenturen sagen, 50 % aller deutschen Werbeumsätze gehen 2025 zu Meta, Alphabet und Amazon. Und das Bundeskartellamt sagt, die Werbemärkte haben sich in den vergangenen Jahren nicht signifikant verändert. Das ist doch absurd. Man will vermeintlich Vielfalt schützen und öffnet amerikanischen Konzernen Tür und Tor. 

Wir sprachen eben schon mal über die Öffentlich-Rechtlichen. Nun buhlen ProSiebenSat.1 und RTL öffentlich um deren Content…

Wir haben den Lizenzdeal mit dem ZDF geschlossen, um unser Angebot auf RTL+ rund um den „Tödlichen Dienst-Tag“ und unsere neuen Krimi Reihen zu erweitern. Da wir erst vor drei Jahren wieder mit diesem Genre begonnen haben, füllt sich unsere eigene Content-Pipeline erst nach und nach. Wenn Menschen dafür zu RTL+ kommen, können wir ihnen momentan in der Breite und Tiefe hier nicht so viel Content anbieten wie andere Plattformen. Deswegen ist das eine ganz wichtige Partnerschaft für uns, die mit sehr beliebten Marken wie „Wilsberg“, dem „Traumschiff“ oder dem „Bergdoktor“ diese Lücken schließt. Was ProSiebenSat.1 momentan da besonders umtreibt, müssen Sie die Kollegen bitte selber fragen.

 

"Wer immer davon redet, die Demokratie schützen zu wollen, der sollte US-Plattformen gerade in der aktuellen Situation nicht noch stärker machen als sie sind"

 

Aber Sie selbst haben Kai Gniffke vergangenes Jahr in seiner Rolle als ARD-Vorsitzender ebenso eingeladen, ARD-Inhalte doch über RTL+ zu verbreiten…

Da ging es um etwas anderes. Mich ärgert die Haltung der Öffentlich-Rechtlichen, man müsse die Inhalte ja bei ausländischen Plattformen hochladen, um dort junge Menschen zu erreichen. Da kriege ich ganz kurz mal Puls (lacht) Nein, das müssen sie nicht. Und wer immer davon redet, die Demokratie schützen zu wollen, der sollte die US-Plattformen gerade in der aktuellen Situation nicht noch stärker machen als sie sind. Sie könnten doch einfach mit RTL+ kooperieren, wenn es darum geht, mehr junge Menschen zu erreichen. Lasst uns doch gemeinsam daran arbeiten und Ideen entwickeln. Die einzigartige und enge Zusammenarbeit beim ESC-Vorentscheid ist dafür doch ein guter Startpunkt. 

Stichwort ESC: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Raab-Deal?

Da wollen Sie jetzt aber sehr früh eine Bilanz (lacht).

Da haben halt viele eine Meinung. Wie sieht Ihre aus?

Wir haben für unsere Zusammenarbeit im vergangenen Frühjahr einen detaillierten inhaltlichen und zeitlichen Plan entwickelt und arbeiten fokussiert Punkt für Punkt ab. Unterwegs haben wir schon viel gelernt, etwa das alles, was Stefan macht, sehr viel kritischer beurteilt wird als bei allen anderen. Und das, obwohl das Votum des Publikums und die Fakten eindeutig sind. Sein Comeback-Boxkampf im September war mit bis zu 8,1 Millionen Zuschauern ein gigantischer Erfolg. Das mit weitem Abstand erfolgreichste Entertainment-Programm des Jahres 2024 im deutschen Fernsehen. Wir hatten gerade mit „Stefan & Bully gegen irgendson Schnulli“ den erfolgreichsten Show-Neustart des Jahres, freuen uns jetzt auf den ESC-Vorentscheid mit Stefan Raab bei RTL, und auch „Eltons 12“ hat noch mehr Potential, demnächst mit einer Show voller „Let’s Dance“-Stars. Und bevor Sie mich eh danach fragen....

Ja?

„Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“ hat bis Jahresende mit 14 Ausgaben acht Millionen Mediastarts erzielt!

Lückerath Schmitter © Anne Werner

Und wieder fehlt eine Währung, für die alle in der Branche ein Gefühl entwickelt haben, denn diese Zahlen werden sehr unterschiedlich interpretiert…

Also, dann auch hier die Fakten: Das Format ist regelmäßig in den Top 10 der AGF-Messung und das erfolgreichste Streaming only Showformat im Markt. Und Fakt ist auch, dass wir mit dem Format viele neue, sehr treue Abonnentinnen und Abonnenten in sechsstelliger Höhe gewonnen haben. Ich wette: Keiner unserer Wettbewerber hat mit einem Format in 2024 auch nur annähernd so viele neue Abos generiert. Also Sie sehen: Es läuft bisher richtig gut. 

Trotzdem ist im Markt immer wieder zu hören, dass das Geld, das Sie in den Raab-Deal stecken, den anderen Produzenten und Talents fehlt?

Mit Stefan haben wir es ein bisschen gemacht wie der FC Bayern. Wir haben ein sehr erfolgreiches RTL-Spitzenteam mit grandiosen Talenten und Köpfen nochmal punktuell mit einem absoluten Topstar verstärkt, um dauerhaft in der linearen und Streaming-Champions-League ganz vorne mitzuspielen! Deswegen verdient keiner weniger Geld, ist verkauft oder aus dem Kader gestrichen worden. Aber alle müssen jeden Tag durch starke Leistungen auf sich aufmerksam machen, um sich ihren Startplatz in der ersten 11 bzw. bei uns im RTL-Programm und auf RTL+ zu sichern.

Derzeit ist „Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“ in einer längeren Winterpause. Wann und - viel interessanter - wo geht es weiter damit?

Am 12. Februar bei RTL+

Ausschließlich bei RTL+? 

Wie gesagt: Wir folgen einem genauen Plan, und da steht einiges für 2025 drin. Wenn etwas Neues passiert, dann sind Sie der Erste, der es erfährt.

 

"Sicherheiten zu geben, ist deutlich schwerer geworden. (...) 2025 wird insgesamt ein schwieriges Jahr für uns"

 

Wechseln wir von Hürth nach Hamburg: Zum Jahreswechsel ist RTL Deutschland dort vom Baumwall in die Koreastraße gezogen. Ist mit dem Umzug jetzt der Umbau dort weitgehend abgeschlossen? Das fragen sich viele Mitarbeitende.

In einer Phase, wie wir sie gerade erleben, gilt für all unsere Geschäfte, dass wir im Rahmen unserer Strategie „Shine 2030“ immer wieder situativ entscheiden und die Situation ständig neu bewerten müssen. Bei der hohen Geschwindigkeit der Veränderungen und der wirtschaftlichen Schwäche in Deutschland ist es unmöglich zu sagen, irgendetwas ist abgeschlossen. Das ist und bleibt ein ständiger Prozess. Aber natürlich ist unser neuer, schöner Standort Koreastraße mit 1.500 Mitarbeitenden ein sichtbares Statement für den Medienstandort Hamburg. Wir hängen dem „Spiegel“ jetzt auch räumlich buchstäblich im Nacken und haben uns mit stern+ und für alle Gruner+Jahr-Marken viel vorgenommen. Ich verstehe sehr gut, dass für all unsere Mitarbeitenden die permanente Transformation anstrengend ist und sie sich mehr Stabilität wünschen. Aber diese Sicherheiten zu geben, ist deutlich schwerer geworden und da muss man, finde ich, ehrlich sein. Das habe ich den Mitarbeitenden letzte Woche auch direkt gesagt. 2025 wird insgesamt ein schwieriges Jahr für uns.

Gilt das auch für den Standort Köln?

Das gilt für alle Standorte. Die Entscheidung „Stern TV am Sonntag“ wieder extern produzieren zu lassen, hat zum Beispiel viele Kolleginnen und Kollegen bei der RTL News in Köln bewegt. Man kommt um manche Entscheidungen nicht herum, aber man kann den Leuten trotzdem das Gefühl geben, es passiert offen, transparent, klar kommuniziert und mit möglichst großer Wertschätzung.

Im Herbst 2024 haben Sie Stern+ gelauncht. Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Entwicklung des „Stern“?

Inhaltlich sehr. Das lässt sich auch gut am aktuellen Zitate-Ranking ablesen. Der „Stern“ hat unter Gregor Peter Schmitz deutlich an Relevanz gewonnen und ist wieder viel näher dran an den Leserinnen und Lesern. Die Redaktion besinnt sich auf ihre Stärken. Und die Umstellung auf ein Paid-Modell im Netz kam genau zur richtigen Zeit. Allerdings beginnt ja jetzt erst so richtig die Arbeit. Wir sind ein bisschen late to the Party, müssen aufholen und es braucht große Konzentration für unser Ziel, bis Ende 2026 rund 100.000 Abonnenten einzusammeln. 

Im Digitalen setzt RTL Deutschland mit Stern und ntv auf zwei Nachrichtenmarken, wobei ntv sogar die weitaus reichweitenstärkere ist. Welche Strategie steckt dahinter, zwei Nachrichtenmarken zu pflegen?

Der „stern“ ist Rotlicht und Blaulicht. Die Leser erwarten einen Mix aus investigativen Reportagen, bunten Geschichten und knallharten Interviews wie bei Scholz und Weidel. ntv dagegen ist die größte deutsche Nachrichtenmarke, schnell und kompetent in Breaking-News-Situationen und 24/7 fokussiert auf die Tagesaktualität. Wenn man es runterbricht, ist ntv das tägliche nachrichtliche Free-Angebot, im TV und Netz. Der „stern“ und stern+ das breitere, hintergründigere Medium mit langen Erzählstrecken – und weiteren starken Marken wie „Geo“ und „Capital“ im Gepäck. Und am Ende ist stern+ unser journalistisches Pay-Angebot. Damit sind beide klar positioniert, die Redaktionen arbeiten eng zusammen und versuchen, alle Ressourcen bestmöglich zu nutzen.

Nach dem Neubau von Studio 1 für RTL war auch ein Relaunch von ntv mit neuem Studio geplant. Ist das noch aktuell?

Ja, das Studio wird geplant und gebaut. Wir wollen entweder Ende dieses Jahres oder spätestens Anfang 2026 umziehen. Das Ganze ist komplex, weil ntv für das neue Studio eine größere Deckenhöhe braucht und wir hier im Gebäude dafür einiges umziehen müssen. Wir sind dran, dass ntv als Marktführer auch in der Optik wieder Maßstäbe setzt. 

Was beschäftigt Sie darüber hinaus in 2025?

Erfolgreiche Kontinuität! Wir haben im August vergangenen Jahres mit Peter Kloeppel und Ulrike von der Groeben die bekanntesten Köpfe unseres extrem erfolgreichen Formates „RTL Aktuell“ verabschiedet. Die Sendung ist für uns einer der wichtigsten Programmmarken. Mit Blick auf 2024 können wir festhalten: Unsere neue Viererkette ist sehr erfolgreich gestartet, das zweite Halbjahr war für „RTL aktuell“ noch stärker als das erste. So einen reibungslosen Übergang erhoffe ich mir auch im Frühjahr, wenn wir ab 1. April mit Carsten Schwecke einen neuen Chef in der Vermarktung bekommen. Und im Business Update haben wir vergangene Woche intern bereits erklärt: 2025 wird programmlich das Jahr der Execution.

Wie ist das gemeint?

Das Jahr der Umsetzung dessen, was wir in den vergangenen Monaten gekauft, verpflichtet, lizenziert oder vorbereitet haben. Dazu gehört ab Herbst auch die neue Fictionstrategie bei RTL+. Da hatte Inga Leschek vor 18 Monaten die Pausetaste gedrückt, alles in Frage gestellt und jetzt freuen wir uns auf tolle Serienhighlights. Wir haben viel investiert und wollen jetzt alles bestmöglich umsetzen und auf den Weg bringen. Nicht nur für 2025, sondern damit wir auch gestärkt Richtung 2026 gehen. Wobei Sie ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang noch gar nicht angesprochen haben.

Welches?

Künstliche Intelligenz.

Wo und wie setzt RTL Deutschland sie ein, wie geht Ihr Haus damit um? 

Wir möchten gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern absoluter Vorreiter beim Thema KI im deutschen Medienmarkt sein, Wir glauben fest an die großen Möglichkeiten und Chancen, die KI bietet und setzen diverse Gen AI Tools auch schon an verschiedene Stellen gezielt ein. Von der Programmplanung über die Empfehlungsfunktion und Nutzerführung auf RTL+, bei Werbe- und Programmtrennern sowie im Marketing und in der Produktion. Für das Jahr 2025 haben wir auf dieser Basis fünf große Leuchtturmprojekte definiert. 

 

"2024 haben wir experimentiert. Eher gespielt. Jetzt wollen wir durch strukturierte Nutzung im gesamten Unternehmen konkrete, werthaltige Use Cases ableiten"

 

Um was was geht es dabei?

Die fünf Leuchttürme spannen den Bogen vom AI Newsroom of the Future bis hin zum Thema, wie wir unseren Kolleginnen und Kollegen in der Ad Alliance durch KI ermöglichen können, mehr Zeit beim Kunden zu verbringen, den Kunden besser zu verstehen und weniger Zeit mit Routine-Arbeiten zu verbringen. Diese Leuchtturmprojekte werden zentral durch die Geschäftsführung gesteuert. Dabei helfen uns KI-Lizenzen von Perplexity, Runway, Eleven Labs und Notebook LM. Und einen weiteren zentralen Partner werden wir hoffentlich in Kürze bekannt geben können. Ziel ist, dass all unsere Mitarbeitenden KI in ihre tägliche Arbeit einbauen, dadurch mehr Zeit für ihre Kernaufgaben haben und sich parallel neue Ideen entwickeln. Vielleicht ergeben sich daraus dann sogar weitere Leuchtturmprojekte für uns. 2024 haben wir experimentiert. Eher gespielt. Alles gut und schön, aber jetzt wollen wir durch die strukturierte Nutzung im gesamten Unternehmen konkrete, werthaltige Use Cases ableiten. Ein wichtiger strategischer Schritt, den wir auch dank der Unterstützung von Bertelsmann gehen können. Und wenn wir heute die Reaktionen darauf sehen, dann freuen sich die Mitarbeitenden sehr, weil sie das Gefühl haben, ihre Firma ist innovativ und stattet sie mit den nötigen Tools aus, um sich selber für die Zukunft aufzustellen. Ich glaube, dass das auch für die Talentgewinnung ein ganz wichtiger Faktor werden wird. 

Herr Schmitter, herzlichen Dank für das Gespräch.