Herr Carpendale, Sie haben erstmals einen Film produziert, noch dazu über Ihren eigenen Vater. Wie kam es zu diesem Seitenwechsel?

Als ich mit 18 anfing zu studieren, gab es noch keine Studiengänge wie Mediengestaltung oder spezialisierte Filmhochschulen. Also habe ich mit BWL angefangen – aber immer mit dem Ziel, irgendwann hinter der Kamera zu arbeiten. Die kreative und konzeptionelle Arbeit dahinter hat mich schon damals fasziniert. Ich bin dann zwar vor der Kamera hängengeblieben, aber die Begeisterung für das Filmemachen hat mich nie losgelassen. Über die Jahre habe ich dann angefangen, eigene Inhalte zu entwickeln, erste Projekte zu schneiden und in kleinem Stil zu produzieren. Und letztes Jahr gab es dann diesen Moment, wo ich dachte: "Hier liegt eine Geschichte, die noch nicht erzählt wurde." Genau das hat mich motiviert.

Warum wollten Sie diese Doku machen?

Ich wollte einen besonderen Moment zeigen, den kaum jemand sieht – nämlich den Moment, wenn der von zehntausend Menschen umjubelte, etwas unnahbare Star von der Bühne kommt und von einer Sekunde auf die nächste nicht mehr Star ist, sondern einfach nur Mensch: nahbar, verletzlich, authentisch. Diesen Moment habe ich in meinem Leben so oft gesehen und finde, er muss erzählt werden, weil da so viel passiert, was mit Menschsein zu tun hat. Ich wollte keine Hommage an meinen Dad machen – das wäre mir zu einfach und zu kitschig gewesen. Es ist eine Geschichte über Zusammenhalt, Menschlichkeit und Familie. 

Hat die familiäre Verbindung die Arbeit erleichtert oder sogar eher erschwert?

Eine meiner Hauptaufgaben war es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen – das war die Grundlage für echte, authentische Momente. Wir haben bewusst auf großes Equipment und Manpower verzichtet. Wir haben schnell gemerkt, dass zum Beispiel schon das Anlegen eines Mikrofons die Dynamik verändert. Deshalb haben wir nur mit dem Kameramikrofon gearbeitet – ein Risiko, das sich meiner Meinung nach voll ausgezahlt hat und dem Film in seiner Intimität enorm geholfen hat.

Für wen haben Sie den Film gemacht? War es ein Herzensprojekt für die Familie?

Wäre es ein Film nur für meine Familie gewesen, hätte ich ihn meiner Family am 24. allein am Weihnachtsbaum gezeigt. Nein, das Ziel ist natürlich schon, dass er möglichst viele Menschen unterhält, berührt und bewegt – ob über die lineare Ausstrahlung oder in der Mediathek. Ich finde, der Film schafft es, dass sich jeder Sohn, jede Tochter, jeder Vater, jede Mutter, jeder Opa und jede Oma irgendwo darin wiederfindet. Natürlich passiert das nicht, wenn ich nur den Star Howard Carpendale auf der Bühne zeige. Aber wenn ich ihn und die Menschen um ihn herum auch in ihren verletzlichen, nahbaren Momenten erzähle, dann können die Zuschauer andocken. Und vielleicht schaffen wir es sogar – auch wenn das jetzt möglicherweise kitschig klingt, aber kurz vor Weihnachten darf das sein – ein paar Menschen ein wenig Zuversicht und Kraft zu geben.

Haben Sie Ihren Vater durch die Dreharbeiten noch einmal anders kennengelernt?

Wir kennen uns seit 47 Jahren, aber klar – das war jetzt eine andere Dimension. Durch die Produktion hatte ich eine starke Verantwortung, nicht nur für meinen Dad, sondern auch für uns als Familie. Wir teilen in diesem Film etwas sehr Persönliches und haben die Kamera in unseren inner circle gelassen. Mein Dad hätte das sicher mit niemandem sonst so zugelassen. Er hat sich darauf eingelassen, weil er wusste, dass ich keine kitschige Vater-Sohn-Geschichte erzählen wollte. Ich habe bewusst die stillen Momente und auch die nicht so schönen drin gelassen und darauf verzichtet, dass ein Off-Sprecher dem Publikum erklärt, was es ohnehin sieht oder was es zu denken und fühlen hat.

Durch meine Augen - Mein Vater Wayne Carpendale © WDR/Carpendale Productions Nach dem Konzert: Wayne, Annemarie, Claudia, Donnice und Howard Carpendale (v.l.n.r.) in der Garderobe der Lanxess Arena in Köln.

Als Sie geboren wurden, war Ihr Vater bereits berühmt. Gab es einen bestimmten Moment, an dem Sie realisiert haben, dass das etwas Besonderes ist?

Das ist ähnlich wie bei meinem Sohn, der dieses Gefühl ja sogar mehrfach hat. Er hat zwei Eltern, die in der Öffentlichkeit stehen, und für ihn ist es vollkommen normal, dass ich in einem Film eine Rolle spiele oder seine Mama um 17 Uhr im Fernsehen ist und "taff" moderiert. Dazu kommt der berühmte Opa. Ihm fällt die Berühmtheit dann auf, wenn wir für einen kurzen Moment aus unserer Privatsphäre entführt werden, weil zum Beispiel jemand ein Foto machen möchte. Glücklicherweise hat mir mein Vater aber von Anfang an vorgelebt, dass er einen seinen Beruf sehr ernst nimmt und das alles irgendwie dazu gehört. Mir war dadurch recht früh bewusst, dass nicht alle Dads auf der Bühne oder im Tonstudio stehen.

Der Film ist mit nur einer Kamera entstanden. Wie groß war die Sorge, entscheidende Momente zu verpassen?

Ich bin eigentlich jemand, der gerne auf Nummer sicher geht – aber bei diesem Projekt sind wir bewusst dieses Risiko eingegangen, nur mit einer Kamera zu drehen. Bis auf wenige Ausnahmen hat mein Kameramann und guter Freund Clemens Bittner alle Bilder gemacht. Natürlich gab es Momente, die wir verpasst haben, und in dem Moment schienen das gefühlt immer die besten zu sein. (lacht) Aber ich glaube, wir hatten ein gutes Gespür für die Schlüsselmomente, die die Geschichte weiterbringen.

Das Publikum kennt Sie als Schauspieler und Moderator. Empfinden Sie bei der Arbeit als Produzent mehr Freiheit?

Als Schauspieler hast du ein Drehbuch und als Moderator ein Showkonzept, das dir den Rahmen gibt. Mit diesem Film habe ich zum ersten Mal ein Projekt von Grund auf selbst entwickelt, das bis zum Ende in meiner Verantwortung lag. Natürlich ist man auch als Produzent nicht komplett frei, weil es ja noch den Sender gibt. Aber nicht nur mein Dad hat uns vertraut, sondern auch der WDR, der anfangs ja keine Ahnung hatte, worauf er sich mit Clemens und mir einlässt – zwei Typen, die noch nie einen eigenen Film fürs lineare Fernsehen gemacht haben. Nachdem sie die ersten 30 Minuten Rohschnitt gesehen haben, ist ihnen, glaube ich, ein Stein vom Herzen gefallen. Es war wirklich eine tolle und sehr gute und freie Zusammenarbeit mit dem Sender, das hat großen Spaß gemacht.

Haben Sie jetzt, was das Produzieren angeht, Blut geleckt?

Auf jeden Fall! Diejenigen, die mich gut kennen, sagen schon lange, dass das mein Ding ist. Aber mir ist wichtig, die nötigen Freiheiten zu bekommen, um meine Stärken ausspielen zu können. Wahrscheinlich werden Clemens und ich nach Weihnachten aber ohnehin erst mal in ein tiefes Loch fallen, weil so viel Herzblut in unseren ersten Film geflossen ist.

Herr Carpendale, vielen Dank für das Gespräch.

"Durch meine Augen: Mein Vater Howard Carpendale", ab sofort in der ARD-Mediathek und am Samstag um 21:45 Uhr im WDR Fernsehen