Frau Müller-Elmau, 3sat wird 40 Jahre alt und ich habe das Gefühl, in den zurückliegenden Wochen ist über den Sender so viel wie noch nie diskutiert worden. Auf einige Schlagzeilen hätten Sie aber auch gerne verzichtet, oder?

Wir fanden es eigentlich ganz schön, dass wir im Gespräch waren. Es gab ja viel positives Feedback. Und von differenziert kritischen Betrachtungen kann man ja auch immer etwas für sich mitnehmen, um besser zu werden. Von daher waren wir dankbar für die gute Behandlung in allen Medien und fühlten uns in vielen Dingen gesehen, teilweise aber auch herausgefordert.

Was haben Sie denn aus der Debatte mitgenommen?

Dass wir offensichtlich mit unserem Programm einiges richtig machen. Mit unserem inhaltlichen Ansatz liegen wir nicht schlecht und mit unserer Ausrichtung auf Kultur und Wissenschaft befriedigen wir ein Bedürfnis in der Gesellschaft.

In der Vorbereitung auf unser Gespräch bin ich über einen Text meines Kollegen Peer Schader zum 30. Geburtstag von 3sat gestolpert. Damals schrieb er, Innovationen und Programme für junge Menschen würden eher von Arte als von 3sat kommen. Wird diese Wahrnehmung 3sat jetzt, wenn über eine mögliche Fusion der beiden Sender gesprochen wird, zum Verhängnis?

Ich kann gar nicht so viel über 3sat vor zehn Jahren sagen, denn da war ich noch nicht dabei. Ich bin jetzt seit mehr als sechs Jahren 3sat-Chefin und in dieser Zeit haben wir einen starken Innovations- und Profilierungsprozess gestartet. Wir haben uns im Zuge dessen nicht nur in den Ausspielwegen diversifiziert und unsere Mediathek gestärkt, wir haben uns auch vorgenommen, mit den exklusiv für 3sat produzierten Programmen noch stärker auf Profil zu gehen. Die vielen Preise, die wir in den letzten Jahren abgeräumt haben, sind eine schöne Bestätigung unserer Strategie.

Die Kritik zielte damals unter anderem auch darauf ab, dass 3sat optisch ziemlich aus der Zeit gefallen wirkte. Zumindest das ist inzwischen ja anders und der Sender sieht nicht mehr so angestaubt aus.

Das war eines der ersten Dinge, an denen wir angesetzt haben, als ich neu dazugekommen bin. Wir hatten einen kompletten Relaunch und unser gesamtes Design erneuert. Und noch einmal zum Inhalt: Mit Till Reiners haben wir erfolgreich eine jüngere Farbe etabliert, vorher hatten wir mit Sebastian Pufpaff schnell ins Programm genommene, tolle Inhalte zu Zeiten der Pandemie. Und in diesem Jahr hatten wir mit "Bosetti Late Night" ebenfalls einen großen Erfolg, dafür haben wir sowohl den Grimme-Preis als auch den Deutschen Fernsehpreis erhalten. Zusätzlich setzen wir auch mit unseren Dokumentarfilmen immer wieder Maßstäbe. Von daher bin ich mit unserer Innovationsfähigkeit zufrieden und finde uns nicht altbacken. Im Gegenteil.

Wie haben Sie die Debatte um 3sat im Speziellen und die mögliche Zusammenlegung mit Arte im Allgemeinen erlebt? Das ist ja vor allem deshalb spannend, weil die Politik nie eine verpflichtende Fusion geplant hatte.

Die ganze Debatte war etwas merkwürdig, weil wir ja ein Dreiländer-Sender sind und nicht nur von ARD und ZDF, sondern auch von ORF und SRG getragen werden. Da kann die deutsche Medienpolitik naturgemäß nur über einen Teil von 3sat sprechen. Gleichzeitig haben wir aber eben auch gemerkt, dass wir für unsere Zielgruppe so etwas wie eine Love Brand sind. Aus Kultur, Wissenschaft und der Gesellschaft hat uns ein großer Rückhalt erreicht.

Ich bin mit unserer Innovationsfähigkeit zufrieden und finde uns nicht altbacken. Im Gegenteil. 


Halten wir kurz den aktuellen Stand fest: Die Politik hat im sogenannten Reformstaatsvertrag festgehalten, dass die Inhalte von 3sat in Abstimmung mit den beteiligten öffentlich-rechtlichen europäischen Veranstaltern in Arte sowie in die Hauptprogramme von ARD und ZDF überführt werden sollen. In den Bemerkungen heißt es, das sei keine Verpflichtung. Was ergibt sich daraus aus Ihrer Sicht? Das ist ja alles und nichts?

Wenn sich Arte zu einer europäischen Kulturplattform weiterentwickeln würde, sollten darin Inhalte von ARD, ZDF und 3sat eine Rolle spielen. Das halte ich für logisch und richtig. Aber die Fusion ist vom Tisch.

Kurzfristig stand eine solche Fusion ja gar nicht zur Debatte, das wurde vor allem medial hochgekocht. Andererseits: Im jetzt beschlossenen Reformstaatsvertrag steht auch, dass im Falle einer entsprechenden Weiterentwicklung von Arte die Inhalte des "bisher eigenständiges 3sat-Angebots" in Arte integriert werden sollen. Daraus könnte man ableiten, dass es künftig kein eigenständiges 3sat-Angebot mehr geben könnte.

Es geht darum, dass unsere Inhalte künftig auch bei Arte als europäische Kulturplattform eine Rolle spielen sollen. Es geht nicht um die Einstellung von 3sat. Das ist ein großer Unterschied. 3sat ist ja auch Teil des ARD/ZDF-Streamingnetzwerkes. Da liefern wir Inhalte zu und sind ein wichtiger Partner, aber deshalb wird 3sat nicht abgeschafft.

Und trotzdem will die Medienpolitik ganz generell Spartensender streichen. Geht es Ihnen am Ende eigentlich vorrangig um den Erhalt der Inhalte oder den Erhalt des linearen Senders?

Der lineare Sender steht nicht zur Debatte, wir sind nach wie vor fest beauftragt. Generell bin ich aber eine Überzeugungstäterin unserer Inhalte. ZDF-Intendant Norbert Himmler hat bei unserer Feier zum 40. Jubiläum ja auch gesagt, dass er der festen Überzeugung ist, dass die Inhalte von 3sat immer eine Rolle spielen werden. Die Marke 3sat ist eine Love Brand für viele Nutzerinnen und Nutzer. Da mache ich mir wenig Sorgen um unsere Zukunft.

Wenn sich Arte zu einer europäischen Kulturplattform weiterentwickeln würde, sollten darin Inhalte von ARD, ZDF und 3sat eine Rolle spielen. Das halte ich für logisch und richtig. Aber die Fusion ist vom Tisch.


Nun fordert die Politik immer mehr Einsparungen, Reformen und Kooperationen. Was kann 3sat da noch leisten, das ja per Definition ein Kooperationsprogramm ist?

Von uns kann man sich abgucken, wie man Kooperationen erfolgreich schafft. Wir leben unseren Gemeinschaftsgedanken in verschiedenen Dimensionen, also einerseits in konkreten Sendungen wie der "Kulturzeit" oder "nano", aber auch auf Senderebene ringen wir im ZDF täglich mit unseren Kolleginnen und Kollegen in München, Wien und Zürich um die besten Inhalte, Distributionsformen und generell ein konsistentes und gut kuratiertes Programm.

Bislang stehen die Partner hinter 3sat, aber alle sind in ihren Ländern jeweils selbst unter Druck. In Deutschland wurde das Fass rund um 3sat bereits geöffnet, in Österreich kommt es in Sachen ORF-Zukunft sehr darauf an, welche Parteien regieren, und in der Schweiz muss die SRG einen rigorosen Sparkurs fahren, weil die Medienabgabe wieder gesenkt wird. Wie bewerten Sie das alles im Hinblick auf die Zukunft von 3sat?

Die medienpolitische Lage in der Schweiz ist hochkompliziert und ich beneide die Kolleginnen und Kollegen dort wahrlich nicht. Auf der Arbeitsebene lassen wir uns davon aber in keinster Weise beeinflussen. Der SRF ist ein starker und vitaler Partner von 3sat, der auch immer wieder mit starken SRF/3sat-Originals bei uns auffällt. Die Reichweite, die die Schweizer Programme über 3sat in Deutschland haben, ist so hoch, dafür müsste man sehr lange in der Schweiz senden. Das ist ein großer Erfolgsfaktor und deshalb senden die Schweizer Kolleginnen und Kollegen immer gerne bei uns, einfach weil sie so viel mehr Menschen erreichen.

Sie haben eben mit Till Reiners, Sebastian Pufpaff und Sarah Bosetti schon drei Köpfe genannt, die in den letzten Jahren wichtig waren für 3sat. Wie hat sich der Sender unter Ihrer Führung in den vergangenen fast sieben Jahren noch verändert?

Wir haben einen sehr breiten Kulturbegriff, der Kultur, Wissenschaft, Dokumentarfilm, Kabarett und Comedy mit einschließt. Wir sind mehr als nur ein Hochkultur-Sender. Bei uns steht Hochkultur gleichberechtigt neben Popkultur, die wir immer mehr ausbauen. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich Kunst und Kultur nicht auf die schönen Künste reduzieren lassen dürfen. Deswegen versuchen wir, uns auch immer wieder in gesellschaftliche Debatten einzumischen. Wir wollen bei unseren Zuschauerinnen und Zuschauern die Lust am Denken triggern, deswegen lautet unser neuer Claim auch "3sat macht den Kopf an".

Inwiefern wird sich der 40. Geburtstag von 3sat im Programm widerspiegeln?

Wir werden Wladimir Kaminer wieder auf Spurensuche in unsere drei Länder schicken. Diesmal ist er in Sachen Brauchtum und Tradition unterwegs. Wir haben die Reihe "Kaminer Inside" seit Jahren lose im Programm, gerade sein Blick auf diese drei Länder ist immer wieder überraschend. Er hat einen Blick von außen, der total bereichernd ist. Interessanterweise funktioniert das auch in der Humorfarbe in allen drei Ländern, generell ist Humor etwas, das nicht überall gleich gut ankommt.

Von uns kann man sich abgucken, wie man Kooperationen erfolgreich schafft.


Blicken wir etwas weiter in die Zukunft: Welche programmlichen Highlights stehen 2025 an?

Zum Jahreswechsel bringen wir erst einmal "Pop Around the Clock" zurück, in diesem Jahr unter anderem mit Eric Clapton, den Rolling Stones, Bryan Adams, Sheryl Crow, AC/DC, Take That, Anastacia und einigen mehr. Wir haben auch noch einen großen Kabarett-Thementag mit "Tilt!" von Urban Priol. Das Jahr 2025 starten wir dann mit Klassik und haben ein paar starke Dokumentarfilme, auf die ich mich sehr freue. Wir sind beispielsweise stolze Ko-Produzenten von "Die Unbeugsamen 2". Im ersten Teil hatte sich Torsten Körner mit den Frauen der Bonner Republik beschäftigt, in der Fortsetzung blickt er jetzt auf die Frauen der DDR. Ein anderer Dokumentarfilm kommt von Gero von Boehm, der Karl Lagerfeld sehr persönlich porträtiert und sein pop-kulturellen Wert für die Gesellschaft nochmal klar zeigt. Außerdem werden wir 2025 "Das Geheimnis der Meister" weiterführen, ein Factual-Entertainment-Format, in dem wir uns mit Kunst und Kunstgeschichte beschäftigen.

Sie haben schon gesagt: Humor ist in allen 3sat-Ländern ein bisschen anders. Was haben Sie in Ihrer Zeit bei 3sat über das Verhältnis zwischen Österreichern, Schweizern und Deutschen noch gelernt?

(lacht) Es gab ein paar interessante Diskussionen über politische Krisen in Deutschland, da haben unsere Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz und Österreich nur gegähnt, weil sie das alles schon einmal erlebt hatten. Interessant ist für mich auch immer wieder die Kulturnation Österreich, die mit einem ganz anderen Selbstverständnis als wir in Deutschland oder auch die Schweizer an Hochkultur rangehen. Und um noch einmal auf das Thema Humor zu kommen: Zwar scheinen sich alle Länder immer mehr auf das Nationale zu beschränken, dennoch funktioniert Humor mittlerweile viel besser auch grenzüberschreitend. Wir bemerken, dass viel mehr österreichische Comedians bei uns im Programm erfolgreich sind. Das hätten Ihnen unsere Programmplaner vor zehn Jahren um die Ohren gehauen, weil da niemand drüber gelacht hätte. Das ist nicht mehr so. Genauso kommt deutscher Humor mittlerweile in Österreich besser an. Da scheint sich also eine europäische Annäherung anzubahnen.

Frau Müller-Elmau, vielen Dank für das Gespräch!