Herr Strauch, wie steht es um die TV-Werbung im Herbst 2024? Brachte dieses Jahr - mit den großen Sportereignissen - die erhoffte Erholung?
Also das alles so toll läuft, darf ich regelmäßig bei DWDL und den anderen einschlägigen Publikationen lesen. Glauben tue ich es nicht. Das wär zu schön um wahr zu sein. Die Rahmenbedingungen sind doch schon sehr herausfordernd für uns alle.
Wie definieren Sie die derzeitigen Rahmenbedingungen?
Ich sehe den Markt in einem Spannungsfeld, sei es durch die digitalen, internationalen Angebote, aber entsprechend auch oder vor allem durch die Erlösmodelle der Agenturen, die über Jahrzehnte sehr stark auf TV gesetzt haben, was jetzt nicht mehr so funktioniert und entsprechend der Media Mix doch ordentlich umgeschiftet wird. Teilweise in den Agenturen selbst verursacht oder weil Kunden glauben, gewisse Kohorten nur über bestimmte Medien erreichen zu können. Also: Ich sehe nicht, dass alles wieder fein ist.
Die Branche beruhigte sich in der Vergangenheit oft damit, dass es immer Wellenbewegungen gebe. So auch jetzt oder ist das eine dauerhafte Veränderung?
Ich befürchte, wir erleben eine dauerhafte Veränderung – und wir sind Teil des Spiels und das ZDF Werbefernsehen damit auch davon betroffen, obwohl unsere Leistung im Vergleich zum linearen Wettbewerb hervorragend ist. Aus meiner Sicht sind wir für viele FMCG-Anbieter - wo täglich die Milch vom Hof muss - tatsächlich mit unserer neuen Primetime zwischen 17 und 20 Uhr ein Partner mit berechenbarer, verlässlicher Leistung in einer Stetigkeit, die man nicht bei den Privatsendern oder Streaming-Anbietern findet. Aber wir leiden auch, trotz dieser Leistung.
Angesichts der Verlagerung der Nutzung zur On-Demand-Nutzung: Würden Sie sich für Werbung in den Mediatheken aussprechen?
Dies liegt nicht in unserem Verantwortungsbereich, sondern ist Sache des Gesetzgebers.
Gibt es etwas, was Sie trotz der Rahmenbedingungen im Werbemarkt positiv stimmt?
Ja! Inzwischen haben ja auch unsere Wettbewerber und einige Agenturen erkannt, dass die neue Zielgruppe im linearen Fernsehen die Best Ager 50 plus sind. Bis vor wenigen Jahren galt nur als werberelevant wer unter 50 war. Da ist doch Einiges passiert, wie ich mit Erstaunen festgestellt habe. Das Blatt hat sich gewendet und das ist unser Vorteil: Jetzt sind wir der Zielgruppen-Sender. Und nach Jahrzehnten in denen wir an die Seitenlinie gestellt wurden, weil 14-49 das Maß der Dinge war, würde ich gerne das Recht haben zu sagen: Wir sind Marktführer in der relevanten Zielgruppe, den Babyboomern. Denn 80 Prozent der TV-Nutzer sind über 50 Jahre alt.
Und wie lief das Sportjahr? Traditionell Jahre, in denen das ZDF Werbefernsehen jubeln kann…
Wir haben wieder mal gesehen, wie gut das Lagerfeuer Fernsehen funktionieren kann - obwohl es schon so oft totgesagt wurde. Galaktische Quoten! Anfang des Jahres Handball, dann die Fußball-Euphorie - und das mit dem nach der WM in Katar schon totgesagten deutschen Fußball - und die Olympischen Spiele mal wieder in unserer Zeitzone. Da haben uns die Quoten richtig Spaß gemacht - leider nicht was die Werbeausgaben angeht. Die Euro in Deutschland - das war wunderbar. Hätte aber besser ausgehen können bei einigen Spielpaarungen, die dann doch nicht in unserem Sinne waren. Aber bei den Olympischen Spielen, da hatten wir wirklich Knatsch, weil Media-Agenturen teilweise Kunden explizit davon abgeraten haben. Das haben wir zu spüren bekommen. Es ist viel Druck in der Branche, der sich teilweise seinen Weg zu sehr kruden Entscheidungen bahnt.
Persönliche Nachfrage: Im letzten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft sorgte ein Tor in der Nachspielzeit dafür, dass Deutschland ein Achtelfinale um 21 statt 18 Uhr spielte - damit nicht vermarktbar für Sie. Sind Sie in dem Moment Fußball-Fan oder ärgert man sich über die verlorene Vermarktungschance?
(lacht) Da ich kein Fußball-Fan bin, war es der Frust des Vermarkters. Meine Familie hat das überhaupt nicht verstanden, warum der Alte sich da jetzt so gar nicht über den späten Ausgleich gefreut hat.
Was beschäftigt Sie als Konkurrenz fürs ZDF Werbefernsehen 2025 mehr: Die Privatsender, die zunehmend das ältere Publikum ins Visier nehmen oder die globalen Streamer?
Der Markt wird komplexer, der Kuchen nicht größer aber immer mehr möchten ein Stück abhaben. Wenn die Angebote – von welcher Seite auch immer – zunehmen, werden die Konditionen schlechter.
Wenn die Gattung insgesamt unter Druck steht: Ist es dann nicht umso wichtiger, zusammen zu stehen? Bleibt das ZDF Werbefernsehen dem Screenforce Festival weiter fern?
Wir sind damals - als es noch Wirkstoff TV hieß - ausgestiegen, weil die Veranstaltung unserer Ansicht nach nichts mit der Wirkung der Gattung zu tun hat. Das ist ja mal aus der Marktforschung heraus entstanden. Aber inzwischen sind es Quick&Dirty-Studien und dazu ein Werben um die Werbegelder des nächsten Jahres. Beim Thema Nachhaltigkeit, Wirkung, gesellschaftlicher Auftrag - da sind die Marktteilnehmer so weit auseinander wie lange nicht mehr. Deswegen haben wir gesagt: Das zahlen wir nicht mit. Und da bleibe ich auch sehr skeptisch.
Letzte Frage: Was erwarten Sie sich von 2025?
Das wird ein sehr, sehr spannendes Jahr. Eine vorgezogene Bundestagswahl, Donald Trumps Rückkehr. Wir wissen es aus allen großen Nachrichtenlagen der vergangenen Jahre: Unsere News werden gesucht, bei guten wie bei schlechten Nachrichten. Deshalb dürfte es ein starkes Jahr werden auch ohne Sportsommer. Die Quoten dürften stabil bleiben. Herr Dr. Kumb experimentiert sehr klug mit Fingerspitzengefühl im Programm. Was uns auf Kundenseite in die Karten spielt ist das elektronische Rezept. Da haben viele Unternehmen Interesse an einer Kommunikation und wir sind - ich wiederhole das sehr gerne - Marktführer in der Zielgruppe (lacht). Daher sehe ich uns bei dem, was wir beeinflussen können, gut aufgestellt.
Herr Strauch, herzlichen Dank für das Gespräch.