Herr Radelsberger. Es heißt, dass in Wien und Österreich alles 10 Jahre später passiert als zum Beispiel in Deutschland. Würden Sie den Satz auch in Bezug auf das TV-Geschäft und insbesondere die Werbezeitenvermarktung so unterschreiben?

Michael Radelsberger: Pauschal kann man das so nicht sagen. In Deutschland haben wir bei Sky in der Werbezeitenvermarktung allerdings schon einen entscheidenden Schritt gemacht, der in Österreich so noch nicht umgesetzt wurde. In Deutschland werden unsere Sender durch die AGF gemessen und die Daten ausgewiesen. In Österreich werden wir durch die AGTT gemessen, aber nicht ausgewiesen. Das liegt daran, dass das österreichische Panel uns als Sky nicht korrekt repräsentiert. Hier arbeiten wir mit crossmedialen Reichweiten, die sich aus AGTT-Zahlen und internen Messungen zusammensetzen. In der Werbezeitenvermarktung ist das deutsche Modell natürlich hilfreich, weil man dadurch die offizielle Währung hat und so an die Budget-Töpfe von Agenturen herankommt. Ansonsten sind wir aber sowohl in Österreich als auch in Deutschland bestrebt, das Thema konvergente Reichweite voranzutreiben.

Sie sind seit inzwischen etwas mehr als 100 Tagen zusätzlich zu Ihrer Funktion als Chef von Sky Österreich auch Geschäftsführer bei Sky Media. Haben Sie schon einen Kassensturz gemacht? Wie laufen die Geschäfte?

Ich bin sehr dankbar dafür, wie mich das Team von Sky Media Deutschland aufgenommen hat. Das sind alles hochprofessionelle, äußerst kompetente Kolleginnen und Kollegen, die zudem sehr empathisch sind. Einen Kassensturz habe ich nicht gemacht, weil das Geschäft gut läuft. Wir hatten ein sehr starkes erstes Halbjahr, im laufenden zweiten Halbjahr hat sich der Markt etwas abgeschwächt. Grundsätzlich bin ich mit der Entwicklung zufrieden, insofern gab es keine Notwendigkeit, sofort etwas zu verändern. Ich habe mich da ein Stück weit in ein gemachtes Bett gelegt, mein Vorgänger Ralf Hape hat ganze Arbeit geleistet.

Nach der Werbekrise 2023 sah es im ersten Halbjahr 2024 noch nach einer Erholung des Marktes aus. Jetzt kehrt Ernüchterung ein, wie bewerten Sie das?

Ich erzähle ja nichts Neues, wenn ich sage, dass das klassische, lineare TV-Geschäft stagniert oder sogar abnimmt. Jedenfalls wächst es nicht mehr. Die Budgets und auch die Nutzung bewegen sich in Richtung Streaming, aber auch Social-Media-Plattformen. Die Gesamtzeit des Videokonsums wird aber trotzdem immer größer, diese Nutzung findet nur auf immer mehr Plattformen statt. Deswegen ist auch das Thema der konvergenten Reichweitenmessung so wichtig. Über die nächsten zwei bis drei Jahre wird der Werbemarkt die Aufgabe haben, diese Reichweitenmessung zu etablieren. Produktseitig wird es dann darum gehen, den Menschen die Inhalte so anzubieten, dass sie einen permanenten Zugriff darauf haben.

Wir hatten ein sehr starkes erstes Halbjahr, im laufenden zweiten Halbjahr hat sich der Markt etwas abgeschwächt. Grundsätzlich bin ich mit der Entwicklung zufrieden, insofern gab es keine Notwendigkeit, sofort etwas zu verändern.


Die konvergente Reichweitenmessung ist seit vielen Jahren ein Dauerthema und tatsächlich geht ja auch immer etwas voran, gefühlt nur eben sehr langsam.

Für mich ist es immer eine Pyramide: Ganz oben steht der Inhalt, den alle brauchen, um Reichweite zu erzielen. Dann geht es darum, diese Reichweite ordentlich zu messen und danach kann man über die Vermarktung sprechen. Wenn wir das schaffen, bin ich positiv gestimmt. Wenn wir zu lange in der traditionellen Vermarktungslogik verharren, wird es immer schwieriger werden.

Sky Go und Wow werden seit kurzer Zeit auch durch die AGF gemessen. Was erwarten Sie sich davon im Hinblick auf die Vermarktung?

Wir kommunizieren das aktuell bereits gegenüber Agenturen und Werbepartnern. Man muss aber auch dazu sagen: Wir haben erst einmal den ersten Schritt getan, indem wir mit der Messung von Small Screens gestartet sind. Schon alleine dadurch sehen wir, dass sich die Reichweiten zusätzlich zur linearen Reichweite nach oben verschieben. Dabei reden wir zum Beispiel in der Bundesliga von einem zweistelligen Prozentbereich, also einem deutlichen Sprung nach oben. Das ist natürlich in gewisser Weise die logische Konsequenz, wenn man anfängt, mehr Produkte in die Messung zu geben. Die Messung der Nutzung am Big Screen fehlt noch, das ist ein wesentlicher Teil der Nutzung und den gehen wir 2025 an. Generell werden wir weiterhin daran arbeiten, dass wir über alle unsere Produkte hinweg die Reichweiten erfassen können.

Die Sky-Reichweiten in den AGF-Streaminglisten sind aktuell noch ziemlich niedrig, es tauchen dort auch gar keine Fußballübertragungen auf - ganz anders als zum Beispiel bei DAZN. Das Bild, das dadurch vermittelt wird, kann Ihnen gar nicht gefallen, oder?

Dass wir hier noch nicht erscheinen, hat einen einfachen Grund. Wir haben für die Integration der Sky Produkte in die AGF-Streaming-Messung bewusst einen Zwei-Phasen-Ansatz gewählt. In der ersten Phase wurde die Nutzung der linearen Live-Programme integriert – und zwar seit August. In der zweiten Phase findet die Integration des On Demand Streaming für alle Plattformen statt. Dieser Prozess läuft aktuell noch und wird 2025 abgeschlossen sein. Um in den AGF-Hitlisten abgebildet zu werden, ist eine Kombination beider Phasen nötig. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt also noch gar nicht sichtbar sein. Wenn beide Phasen abgeschlossen sind, ist dies aber automatisch der Fall. Kurzum: Es sind schlichtweg technisch-methodische Gründe, weshalb wir noch nicht abgebildet sind.

Wenn wir zu lange in der traditionellen Vermarktungslogik verharren, wird es immer schwieriger werden.


Kommen wir noch zu etwas ganz anderem: In Großbritannien hat Sky Media gerade erst für Aufsehen gesorgt, weil man durch einen Abrechnungsfehler seinen Partnersendern, die man vermarktet, jahrelang zu wenig Geld überwiesen hat. Nun muss man viel Geld zurück an diese Partner überweisen. Hat in der Folge auch in Deutschland eine Überprüfung der Abrechnungen stattgefunden und was kann man aus dieser ganzen Sache lernen?

Lernen kann man daraus, dass es nie schadet, akribisch darauf zu achten, seine Prozesse unter Kontrolle zu haben. Dem haben wir uns ohnehin permanent verschrieben. Ansonsten ist das aber ein reines Sky UK Thema, das die Kolleginnen und Kollegen vor Ort inzwischen intensiv überprüft und klare Konsequenzen daraus gezogen haben. Alle Partner wurden aktiv informiert und der Prozess, diese vollständig zu entschädigen, läuft derzeit. Um es nochmal klar zu sagen: Die Abrechnungsthematik bei Sky Media UK steht in keinem Zusammenhang mit unserem Sky DACH Geschäft und hat auch keine Auswirkungen darauf.

Vor wenigen Jahren haben Sie mal gesagt, Sky Österreich sei kein Beiwagen von Sky Deutschland. Es gab mit Sky X auch lange ein eigenständiges Produkt in Österreich, 2025 soll das durch WOW ersetzt werden. Natürlich macht es Sinn, die gleiche Produktumgebung in mehreren Ländern anzubieten. War es also ein Fehler, relativ lange zweigleisig zu fahren in Deutschland und Österreich?

Kurz zur Genese: Wir haben Sky X 2019 mit dem Anspruch gestartet, ein rein IP-basiertes Produkt zu schaffen. Damals waren wir in der Gruppe ein Vorreiter in dem Bereich und wir sind nach wie vor froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind. Sky X funktioniert wunderbar und wächst stark. Gleichzeitig sind wir als Sky Gruppe im Verbund mit Comcast ständig bestrebt, die Produktlogiken so aufzustellen, dass wir weiterhin für unseren Kunden viele Innovationen in dem dynamischen Marktumfeld liefern können, in dem wir uns bewegen. Ziel ist also, Technologien und Produktlogik so weit zu harmonisieren, dass man nicht in jedem einzelnen Land alles auf Basis von Einzelprodukten nachziehen muss. Da denken wir mittlerweile globaler als noch früher. Wir sind Teil von einem großen Ganzen und wir sind sehr committed, dass unsere Produkte der Zukunft auf einem gemeinsamen technischen Nenner stehen. Die Einführung von Sky Stream, das 2025 auch nach Österreich kommt, ist ein Paradebeispiel dafür.

Waren die Voraussetzungen dafür vor fünf Jahren wirklich so anders?

Nach der Übernahme durch Comcast im Jahr 2018 waren wir in einem intensiven Prozess, an dessen Ende jetzt die Harmonisierung der Produkte steht. Gleichzeitig hat sich ja auch der Markt stark verändert. Vor zehn Jahren haben die großen US-Streamingdienste noch in den Kinderschuhen gesteckt, zumindest im deutschsprachigen Raum. Heute sieht das ganz anders aus und natürlich verändert so etwas auch die Innensicht auf die Dinge.

Ist eine noch tiefergehende Zusammenarbeit zwischen Sky Deutschland und Sky Österreich geplant? Und wenn ja, wie könnte die aussehen?

Sky Österreich wird weiterhin einen eigenen Charakter behalten. Das drückt sich einerseits über die Inhalte aus, aber auch über die Tatsache, dass wir hier vor Ort in Wien sitzen. Da, wo es Sinn macht, also beispielsweise bei Produkten und technologischen Entwicklungen, werden wir aber natürlich auch in Zukunft eng mit Sky Deutschland und unseren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Sky Märkten zusammenarbeiten.

Wir sind sehr gut aufgestellt für die Medienrechte-Vergabe und wir sind zuversichtlich, unseren Zuschauern weiterhin das beste Bundesliga-Erlebnis zu bieten und der führende Sportanbieter zu bleiben.


Seit wenigen Wochen steht die Quotenmessung in Österreich auf völlig neuen Füßen. Sky Österreich ist noch nicht an den Teletest 2.0 angeschlossen, Sie werden die Zahlen aber natürlich trotzdem beobachten und analysieren. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus und welche Auswirkungen könnte die neue Messmethode möglicherweise für den deutschen Markt haben?

Die neue Messmethode ist insofern interessant, weil sie eine breite Abdeckung hergibt. Es wird anhand von mehr als einer Million HbbTV-Geräten gemessen und nicht mehr nur über einige hundert Boxen in einem Panel. Das ist sehr akkurat in der Breite. Wenn das nun angereichert wird durch die soziodemografischen Daten aus dem Panel, bekommt man einen guten Überblick darüber, wer wo was und wieviel schaut. Wir sind mit den Kolleginnen und Kollegen der AGTT in frühen Gesprächen über eine mögliche Einbindung von Sky in das neue System. Für uns ist der Teletest 2.0 eine Variante, um die Messung der Zukunft mitzugestalten. Aber es ist nicht die einzige.

Was ergibt sich daraus für den deutschen Markt?

Mit der AGF haben wir, nach meinem Empfinden, ein sehr gutes Einvernehmen. Am Ende sollte stehen, dass man die Bewegtbildmessung so ganzheitlich wie möglich abdeckt. In Österreich macht das der Teletest 2.0 und in Deutschland wollen wir das gemeinsam mit der AGF herstellen.

Ist diese ganze Debatte um konvergente Reichweiten nicht auch unfassbar ermüdend? Ja, es geht voran. Aber wir reden doch schon seit zehn Jahren davon, dass man diese und jene Anbieter oder auch die digitalen Plattformen der klassischen Sender mit in die Messung aufnehmen müsste.

Es ist ein immerwährendes Thema und es wird uns auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Das liegt daran, dass sich das Nutzungsverhalten verändert hat und in der Folge auch die Produkte. Da wird es also immer einen gewissen Versatz geben zwischen aktueller Mediennutzung und der Abbildung dieser Nutzung. Ich sehe aber auch, dass das Grundverständnis und der Wille etwas zu verändern, da ist. Wir sind auf dem richtigen Weg und zumindest nicht mehr so weit hinterher wie noch vor einigen Jahren.

In Deutschland startet am Montag die Bundesliga-Rechteausschreibung nach einer langen Hängepartie neu. Als Chef von Sky Österreich ist Ihnen das vermutlich nicht ganz so wichtig. Was sagt aber der Geschäftsführer von Sky Media dazu? Die Rechte sind überlebenswichtig, oder?

Da die Rechte für den gesamten deutschsprachigen Raum vergeben werden, ist die Ausschreibung auch aus österreichischer Sicht relevant. Bei Sky Deutschland sitzen die besten und erfahrensten Köpfe an diesem Thema. Wir sind sehr gut aufgestellt für die Medienrechte-Vergabe und wir sind zuversichtlich, unseren Zuschauern weiterhin das beste Bundesliga-Erlebnis zu bieten und der führende Sportanbieter zu bleiben.

Herr Radelsberger, vielen Dank für das Gespräch!