Herr Pietsch, vor einem Monat wurde die erste Sendung aus Ihrem neuen Nachrichtenstudio in Unterföhring gesendet – nach einer langen Phase des Wartens. Wie schwer ist Ihnen das Warten gefallen?
Sehr schwer. Nach so viel Arbeit, Vorbereitung und Herzblut wollten wir alle endlich zeigen, was dieses Studio zu leisten in der Lage ist. Da befindet man sich in einer latenten Anspannung, muss sich aber in Geduld und Demut üben, wenn die Rahmenbedingungen das noch nicht hergeben.
Erinnern Sie sich an einen Moment, in dem Sie sich besonders geärgert haben, noch nicht aus dem neuen Studio senden zu können?
Das war vor ziemlich genau einem Jahr, konkret vor dem Hintergrund der Ereignisse in Nahost. Damals hätte ich dieses Studio bereits gerne in Betrieb gehabt. Wir sind mit Korrespondenten vor Ort und berichten sehr ausführlich. Da hätten wir mit all den Möglichkeiten, die das Studio bietet, allen voran mit seinen großen LED-Walls, viele Zusammenhänge erklären können. Das war damals leider noch nicht in dieser Form möglich.
Nun sind Sie mit einiger Verspätung on air. Wie sind Ihre Erfahrungen nach den ersten vier Wochen?
Ich bin sehr glücklich darüber, dass das Studio mit all seiner Komplexität von Beginn an fehlerfrei läuft. Aber wir lernen noch immer jeden Tag dazu. Wir haben es mit einem evolutionären Prozess zu tun, denn auch wenn dieses Studio so viele technische Möglichkeiten bietet, ist man gut beraten, sie nicht alle zu Beginn komplett auszureizen. Man muss sich manchmal selbst ein bisschen disziplinieren, weil die Versuchung sehr groß ist, alles zu zeigen, was das Studio kann. Aber es muss dafür einen redaktionellen, journalistischen Grund geben. Das beginnt mit der Frage, welche Bilder wir auf die Videowalls legen bis hin zu den Gängen, die ein Moderator oder eine Moderatorin im Studio macht. In meinen Augen gelingt es der Redaktion um "Newstime"-Chefredakteur Arne Teetz bislang sehr gut, diese Balance zu wahren.
Wie hat sich die Sendung in den vergangenen Wochen verändert?
Wir sind optischer geworden. Das Studio bietet eine optische Opulenz und dadurch eine größere Eindringlichkeit als es unsere alten Animationssets leisten konnten. Das ist ein riesiger Unterschied. Dazu kommt, dass unsere Moderatorinnen und Moderatoren – im wahrsten Sinne des Wortes – mehr Trittsicherheit entwickelt haben, indem ihre Gänge, die sie während der Moderationen durch das Studio bewältigen, immer stimmiger wirken. Es ist ja durchaus anspruchsvoll, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu stehen und dabei auch noch die Moderation auf den Punkt zu kriegen.
Ihre Nachrichten kamen lange aus einem virtuellen Studio. Wieso haben Sie sich diesmal für ein reales Set entschieden?
Das ist fast schon eine philosophische Diskussion, bei der es kein Richtig oder Falsch gibt. Aber in Bezug auf das neue "Newstime"-Studio war uns die Haptik sehr wichtig. Wir glauben, dass durch die Art und Weise, wie wir selbst darin arbeiten, wie sich die Moderatorinnen und Moderatoren bewegen können und wie wir Bilder darstellen können, ein näherer Eindruck für das Publikum besteht. Rein virtuelle Sets bergen die Gefahr, dass sie zu technisch wirken und dadurch eine Distanz zu den Zuschauerinnen und Zuschauern aufbauen. Klar ist aber auch, dass ein solches Studio, wie wir es nun haben, wesentlich aufwendiger zu gestalten ist.
… und wahrscheinlich auch deutlich teurer.
In der Tat. (schmunzelt)
Sie produzieren drei Sendungen für drei Sender, jeweils mit eigenen Moderatorinnen und Moderatoren. Stehen Aufwand und Ertrag in einem guten Verhältnis?
Es ist tatsächlich nicht so einfach, aus demselben Team heraus drei unterschiedliche Nachrichtensendungen zu gestalten, um die Zielgruppen der jeweiligen Sender möglichst spezifisch anzusprechen. Die größte Herausforderung ist sicher die „Newstime" für Sat.1, weil es sich dabei um die längste Hauptnachrichtensendung im deutschen Fernsehen handelt. Die Verlängerung vor einem Jahr hat sich aber schon alleine deshalb bezahlt gemacht, weil wir nicht nur eine große Bandbreite an tagesaktuellen Themen abdecken, sondern auch, beispielsweise bei Großereignissen, Schwerpunkte setzen können.
In wenigen Tagen steht die US-Präsidentschaftswahl an und anders als vor vier Jahren senden ProSieben und Sat.1 die komplette Nacht live. Was haben Sie sich vorgenommen?
Wir werden unsere Sondersendung sehr aufwendig produzieren und haben dafür eigens ein großes Wahlstudio gebaut, aus dem wir zusätzlich zu unserem „Newstime“-Studio bis zum Beginn des „Frühstücksfernsehens“ senden werden. Auch im "Frühstücksfernsehen", das wir ebenfalls ausnahmsweise parallel auf Sat.1 und ProSieben zeigen, werden wir immer wieder zu „Newstime“ schalten. Darüber hinaus planen wir für den Tag nach der langen Wahlnacht mit mehreren Sondersendungen, darunter auch einer zur besten Sendezeit in Sat.1, um über den Ausgang der Wahl zu berichten. Wir sind aber auch darauf vorbereitet, sollten in den USA Dinge passieren, die wir uns alle nicht wünschen.
Die USA sind ein gespaltenes Land, zunehmend auch mit Blick auf die Medienlandschaft. Wie blicken Sie vor diesem Hintergrund auf die Entwicklung in Deutschland?
Kritisch. Die Polarisierung schreitet auch bei uns voran und es bereitet mir große Sorgen, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen gar nicht mehr in der Lage sind, miteinander zu sprechen. In der Konsequenz für unsere Arbeit bedeutet das, dass wir uns von Anfang an auf die Fahnen geschrieben haben, wertungsfreien Nachrichtenjournalismus zu machen. Wir versuchen die bestmöglichen Fakten mit den bestmöglichen Informationen zu liefern - verifiziert und überprüfbar. Wir geben aber keine Intention rein, um dem Publikum nicht auch noch eine Meinungsblase vorzugeben. Es gibt schon genügend Blasen, in denen sich die Menschen bewegen. Für uns ist es ein Selbstverständnis, keinen Meinungsjournalismus zu machen, sondern wertungsfreie Nachrichten zu vermitteln.
Haben Sie die Hoffnung, dass sich das Rad der gesellschaftlichen Polarisierung noch einmal zurückdrehen lässt?
Wir müssen zunächst einmal wahnsinnig aufpassen, dass sich das Rad nicht noch schneller dreht. Und da haben alle - also wir Medien, die Politik, letztlich jeder einzelne von uns - eine Verantwortung, diese sich immer mehr selbst befeuernde Negativdynamik nicht noch zusätzlich zu beschleunigen. Die Illusion, das Radzurückzudrehen und eine gesellschaftliche Entwicklung komplett aufzuhalten, habe ich allerdings nicht.
Im nächsten Jahr steht in Deutschland die Bundestagswahl an – entweder im September oder schon einige Monate früher. Da dürfte dann auch die Frage aufkommen, wer im Vorfeld eigentlich mit wem diskutieren wird. Wie halten Sie es in diesem Zusammenhang mit der AfD, die ja sogar eine eigene Kanzlerkandidatin stellen wird?
Wir denken in unterschiedlichen Varianten der Erscheinungsform. Für mich ist allerdings klar: Solange jemand auf dem Boden des Verfassungsrechtes steht, selbst am äußersten Rand, lässt sich eine Person von uns Medien nicht einfach grundsätzlich ausschließen. Es gibt allerdings in der Tat in der Politik Figuren, die den verfassungsrechtlichen Boden nahezu verlassen haben – und die würden bei uns nicht stattfinden.
Herr Pietsch, vielen Dank für das Gespräch.