Frau Kolster, Frau Lindenau, in den vergangenen Tagen und Wochen ist viel über die Zukunft von ARD und ZDF diskutiert worden, allen voran über die Zukunft von 3sat. Über Phoenix wurde im Zusammenhang mit dem Entwurf des Reformstaatsvertrags dagegen etwas weniger gesprochen, obwohl auch hier eine Zusammenlegung mit anderen Sendern droht. Fühlen Sie sich ein wenig vergessen?

Eva Lindenau: Das geht gar nicht angesichts unserer Inhalte und Aufstellung.

Tatsächlich sieht der Entwurf aber vor, dass von vier Sendern – nämlich Phoenix, Tagesschau24, ARD-alpha und ZDFinfo – am Ende nur ein oder zwei übrig bleiben sollen.

Michaela Kolster: Das, was sich die Politik vorstellt, dass Kooperationen und Synergieeffekte verstärkt werden sollen, das zeichnet Phoenix seit 27 Jahren aus. Wir sind der Sender, der zu gleichen Teilen von ARD und ZDF betrieben wird, und sind als Komplementärsender für die Mutterhäuser gegründet worden. Da, wo die Berichterstattung von ARD und ZDF in den Hauptprogrammen aufhört, machen wir also besonders intensiv weiter. Wir sind mit allen verwoben und liefern somit schon jetzt das, was die Politik sich vorstellt.

Lindenau: Denken Sie nur an die Debatten im Bundestag, die wir für ARD und ZDF produzieren. Wir übernehmen aber auch die Dolmetschung internationaler Ereignisse und stellen sie zur Verfügung. Unser Gemeinschaftsangebot wird also im besten Sinne genutzt, um die Gemeinschaft zu stärken.

Aber wenn doch schon jetzt so viel kooperiert wird, stellt sich die Frage: Kommt das bei Politik nicht so recht an oder wieso wird Phoenix nun mit einem Fragezeichen versehen?

Kolster: Bei den vielen Aufgaben, die sich die Politik gestellt hat, bin ich mir nicht sicher, ob Phoenix überhaupt so sehr im Fokus der Überlegungen steht – vielleicht auch, weil davon ausgegangen wird, dass unser breites Angebot ohnehin so erhalten bleiben wird wie es ist. Ich habe deshalb auch den Eindruck, dass unser Sender nicht so recht in diesen sogenannten "Korb" der Information passt, weil wir durch unsere Ereignisberichterstattung eine politische Teilhabe bieten, die in der Senderlandschaft einmalig ist. Wir senden im Jahr 400 bis 500 Stunden live aus dem Bundestag, senden über 100 Stunden aus dem Europäischen Parlament. Daneben berichten wir über 100 Stunden von Parteitagen, aber auch von Institutionen wie Kirchentagen, Gewerkschaftstagen oder dem Tag der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber. All das sind wichtige Säulen unserer Demokratie, die unser gesellschaftspolitisches Sein stützen. Das den Menschen zugänglich zu machen, ist doch unerlässlich.

Könnte es daran liegen, dass es vor allem Landespolitiker sind, die über die Zukunft von ARD und ZDF entscheiden – und nicht so sehr Bundespolitiker, deren Interesse ja eigentlich noch größer sein dürfte, dass die Berichterstattung aus dem Bundestag auch weiterhin umfangreich abgebildet wird?

Lindenau: Wir berichten sowohl über bundespolitische als auch landespolitische Ereignisse. Denn auch wenn wir bundesweit senden, haben wir natürlich kürzlich die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags gezeigt – und freuen uns darüber, dass die Menschen auch bei solchen Themen unser Programm gezielt einschalten und live dabei sein wollen.

Kolster: Wir blicken sehr gerne in die Länder und man kann Deutschland gar nicht ohne die Länder denken. Aus diesem Grund berichten wir auch intensiv aus dem Bundesrat oder haben jüngst die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz übertragen. 

Müssen Sie also vielleicht einfach etwas lauter trommeln, um von der Politik Gehör zu finden?

Lindenau: Am wichtigsten ist doch, dass das Angebot bei den Nutzerinnen und Nutzern ankommt. Das muss Ausgangspunkt  der Überlegungen sein bei notwendigen Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In dem Ziel stärkere Zusammenarbeit der Sender liegen aus meiner Sicht viele Möglichkeiten für das ARD/ZDF Angebot Phoenix: Wir haben in den ersten Tagen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nachts für ARD und ZDF gesendet, warum nicht in diese Richtung weiterdenken? 

Kolster: Wir haben in den letzten Jahren vor allem in den Mutterhäusern versucht lauter zu trommeln, sodass wir mittlerweile in den Mediatheken von ARD und ZDF stärker auftauchen. Da sind wir bereits große Schritte gegangen, die den Inhalten von Phoenix zu mehr Sichtbarkeit verholfen haben. 

Dennoch hat ZDF-Intendant Norbert Himmler in seiner Stellungnahme geschrieben, das ZDF sei offen, das System der Partnerkanäle "grundlegend zu betrachten". Das klang jetzt nicht so sehr nach Rückenwind aus den eigenen Reihen. Wir haben Sie das empfunden?

Kolster: Ich habe es jedenfalls nicht so empfunden, dass es schlecht für uns ist. Dass man das System offen betrachten muss, ist ja auch richtig. Natürlich muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk in die Zukunft geführt werden – und das tut er auch. Wir befinden uns in einer Dauererneuerung in der öffentlich-rechtlichen Familie und ich habe mitunter den Eindruck, dass wir aus den Transformationsprozessen gar nicht mehr herauskommen. Grundsätzlich stehen ARD und ZDF zu 100 Prozent hinter uns, allen voran mit Blick auf die Ereignisberichterstattung. 

Sie sorgen sich also nicht um den Erhalt von Phoenix?

Lindenau: Es ist doch vollkommen klar, dass die Inhalte, die wir machen, essentiell sind. Sie sind nicht wegzudenken und werden für die Gesellschaft noch wichtiger, weil wir uns in Zukunft mit Themen wie Desinformation und Fake News noch intensiver als bisher auseinandersetzen müssen und das Bedürfnis von Menschen, Ereignisse echt und ungefiltert live zu sehen, ganz sicher weiter zunehmen wird. 

Abschließend noch ein anderes Thema. Sie wollten die politische Sommerpause nutzen, um mit Phoenix am Standort Bonn umzuziehen. Dass es zu Verzögerungen kommen wird, ist bekannt. Aber wie sieht der aktuelle Stand der Dinge aus?

Lindenau: Das Projekt läuft gemeinsam mit unseren Mütterhäusern WDR und ZDF, nach jetzigem Stand wird der Umzug im Herbst 2025 erfolgen. 

Das wird also ein heißer Herbst für Phoenix, zumal dann auch noch die Bundestagswahl ansteht – so sie nicht früher kommt.

Lindenau: Angesichts der vielen politischen Entwicklungen auf der Welt werden wir nie den einen Moment finden, in dem Phoenix in Ruhe umziehen kann . Es ist aber die große Stärke unseres Teams, routiniert und flexibel mit vielen Ereignissen gleichzeitig umzugehen.  

Frau Kolster, Frau Lindenau, vielen Dank für das Gespräch.