Herr Jauch, ist Deutschland klüger geworden nach 25 Jahren „Wer wird Millionär?“

Ach, der Begriff der Klugheit oder Weisheit ist ja weit gefasst. Es ist letztlich eine Ansammlung von mehr oder weniger unnützem Faktenwissen, was ich da abfrage. Was für meine Begriffe nichts mit Bildung und auch nix mit Klugheit zu tun hat. Man wundert sich, wer was weiß oder wer mit diversen Studienabschlüssen gesegnet schon bei der 200 Euro-Frage ein Brett vorm Kopf hat. Das macht die Sendung amüsant. Dass man mit dieser Sendung nicht dümmer wird - das würd ich unterschreiben.

Ist die Sendung über die Jahre so etwas wie ihre persönliche PISA-Studie?

Da haben sich Änderungen ergeben. Das Wissen bei Jüngeren ist naturgemäß anders, auf anderen Feldern ausgeprägt. Mir wurde das klar als der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker mal zu mir sagte, als ich ihn traf: „Ich wäre bei Ihnen schon mehrmals Millionär geworden.“ Darauf sagte ich: „Herr Bundespräsident, wie kommen Sie denn darauf?“ „Ja, ich konnte schon einige Millionenfragen beantworten.“ Und dann habe ich gesagt: „Gestatten Sie meine Annahme oder Gewissheit, Sie wären bei mir niemals Millionär geworden.“ Er legte den Kopf so schief und sagte: „Wieso nicht?“ Und ich sage: „Weil Sie bei der 2.000, 4.000 oder 8.000 Euro-Frage nach irgendwelchen Hauptdarstellern von ‚GZSZ‘“ schon lange ausgeschieden wären“ Da lachte er und meinte, ich hätte recht.

Durch die Sendung wurde Ihnen in den letzten 25 Jahren in Umfragen attestiert, Sie seien im Grunde für jeden Job, gar Bundeskanzler oder Bundespräsident geeignet. Sind Sie so klug wie Ihr Image?

Nein! Ich zeigte mich auch schon mal beleidigt als ich zum intelligentesten Deutschen gekürt wurde. Da wurde ich dann gefragt, warum ich die Auszeichnung denn nicht annehmen möchte. Da habe ich gesagt: „Weil Gerhard Schröder auf dem zweiten Platz gelandet ist“. Deswegen kann ich damit nix anfangen. Ich bin ein Mensch im Fernsehen, der zumindest eine gewisse Grundfreundlichkeit gegenüber den Kandidatinnen und Kandidaten mitbringt und am Ende immer Geld verteilt - also mit weniger als 500 Euro geht ja kaum jemand raus. Das ist natürlich immer schön und, ich glaube, das ist so das Lieblingsbild was man von unserem Staat gerne hätte: Er sorgt für alles und immer ist genügend Geld da. 

Beim Gerüst der Sendung ist eigentlich fast alles unverändert geblieben, so sieht es zumindest aus. Manchmal mache ich mir Sorgen um die Kulisse, aber die hält noch?

Nein, die Sorgen sind berechtigt! Dieses Jahr knirschte es an meinem Stuhl. Erst dachte ich - hahaha - jemand hätte daran gesägt, aber tatsächlich war es so, dass seitlich das Kunstleder nach 25 Jahren völlig aufgeplatzt war. Da habe ich nach Klebeband gerufen und geklebt. Ich dachte, dass dann ein neuer Stuhl angeschafft wird oder irgendwie genäht wird. Aber das Klebeband blieb noch für... ich weiß nicht wie viele Sendungen dran. Haben die einfach gelassen nach dem Motto „Geht doch“. Es ist immer noch das erste Studio, immer noch die dieselbe Musik. Am Licht, sagen sie, hätten sie mal was verändert. Aber ich wäre mittlerweile auch dagegen wenn man da jetzt grundlegende Änderungen oder „Refrehments“ vornehmen würde. Braucht die Sendung nicht. 

Es geht letztlich auch mehr um den Dialog, den Austausch den Kandidatinnen und Kandidaten. Manchmal fast mehr als ums Quiz, würden einige sagen.

Ja, es ist auch so. Wenn man böse ist, könnte man sagen: Es ist völlig egal ob jemand 4.000, 8.000, 16.000 oder 32.000 Euro gewinnt. Natürlich sind Millionengewinnen immer die Highlights, die so im Schnitt alle zwei Jahre passieren. Jetzt hatten wir schon seit mehr als vier Jahren keinen Millionär mehr, wird eigentlich mal wieder Zeit. Aber ansonsten ist wirklich wichtig, so wie meine Schwiegermutter gesagt hat: „Bei Dir läuft ja Gottes großer Zoo auf“. Also die Leute, so unterschiedlich wie sie sind. Am Anfang findet man jemanden blöd und dann schafft er es aus dieser Klischee-Schublade wieder rauszuspringen. Das macht Spaß.

Sie waren selbst durchaus oft schon Kandidat in anderen Sendungen. Würden Sie auch bei „Wer wird Millionär“ mal auf den Kandidatenstuhl wechseln?

Ja, die würde ich schon wechseln. Allerdings glaube ich, dass ich den Sprung in die Mitte nicht mehr schaffen würde. Nicht weil ich irgendwelche Sachen nicht sortieren könnte, sondern weil ich zu langsam bin.

Wenn Sie selbst als Kandidat antreten würden, wer sollte dann moderieren?

(lacht) Diese Frage ist natürlich absolut unzulässig. Einmal hat sich eine Frau aus Versehen auf meinen Platz gesetzt. Die hab ich mal eine Weile darauf sitzen lassen bis sie es gemerkt hat; die Leute haben sich sehr amüsiert. Und dann eine der schönsten Sendungen die wir hatten. Horst Schlämmer, der gesagt hat „Herr Jauch, dat wollen wir hier jetzt mal umdrehen und ich bin jetzt hier mal der Moderator“ Dann musste ich, weiß es gar nicht mehr, bis zur 32.000 Euro Frage mitmachen, glaub ich.

Ich merke: Mit einer Anekdote elegant die eigentliche Frage umgangen…

Ich kann eins noch beantworten: Ich werde oft gefragt, ob ich mir zutrauen würde, die Million zu gewinnen. So im Alter von 25 und 30 Jahren hätte ich, glaube ich, die besten Chancen gehabt, bei der Sendung weit zu kommen. Mein Schulwissen war noch nicht allzu weit entfernt und ich war mehr oder weniger alleinstehend und hab den ganzen Tag im Grunde nur dpa-Meldungen gelesen, montags um 12 Uhr war der „Spiegel“ durchgelesen und donnerstags hab ich die Zeit im Grunde aufgefressen. Da habe ich richtig viel gewusst. Jetzt habe ich vielleicht mehr Erfahrung, aber zu der Zeit wäre ich bei der Sendung ein aussichtsreicher Kandidat gewesen. Heute nicht mehr so.

Ist „Wer wird Millionär“ das, was auch als Public Value bezeichnet wird? Also eine Sendung, die einen Mehrwert hat für den gesellschaftlichen Diskurs?

Och, naja, so hoch würde ich das nicht hängen. Aber das die Leute sich am nächsten Tag darüber unterhalten oder sich Menschen erzählen, was sie durch die Sendung erfahren haben, ist etwas, was über die eigentliche Sendung in die Gesellschaft hinausstrahlt. Aber wir sollten das nicht zu hoch hängen.

Aber wird Unterhaltung in Deutschland wertgeschätzt?

Mehr als früher zumindest.

 

Das gesamte, gut 35-minütige Gespräch mit Günther Jauch im Rahmen des Video-Podcasts "40 Years On Air" von VAUNET und DWDL.de über "Wer wird Millionär" und Jauchs Weg durch die deutsche Fernsehlandschaft finden Sie nachfolgend sowie auch auf YouTube. Die Audio-Fassung dieser und aller anderen Folgen von "40 Years On Air" gibts überall da, wo es Podcasts gibt. Das Gespräch wurde erstmals Anfang Juni 2024 veröffentlicht.

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