Herr Gibba, Sie hatten die Idee zur neuen ARD-Serie "Schwarze Früchte" und waren Headautor, dazu gab es ein mehrköpfiges Autoren-Team. Trotzdem meine Frage: Wie viel Impro steckt in den Dialogen?

Lamin Leroy Gibba: Gar keins! Wir haben nicht improvisiert, alle Dialoge sind geschrieben.

Ich frage deshalb, weil die von Ihnen verkörperte Hauptfigur Lalo oft so wirkt, als sprudele wahllos alles aus ihm heraus, was er gerade denkt. Das macht ihn nicht nur sympathisch und führt auch zu Problemen.

Es freut mich sehr, dass Sie das so sehen. Wir hatten uns von Anfang an das Ziel gesetzt, dass sich die Dialoge so anhören sollen, als wären sie improvisiert. Das hat mit Umgangssprache, aber auch mit dem Rhythmus von Figuren zu tun. Wir wollten, dass sich die Figuren so anhören, wie wir dachten, dass sie sprechen. Da haben wir versucht, die Charaktere so ehrlich wie möglich sprechen zu lassen. Abhängig davon, wo sie herkommen, was ihre Interessen sind und was ihr Background ist.

Und ist es eigentlich einfacher oder schwieriger, wenn die Mehrheit eines Writers Rooms zuvor noch nie an einem Seriendrehbuch geschrieben hat?

Das kann ich gar nicht richtig beantworten, denn es ist der erste Writers Room, den ich selbst zusammengestellt habe. Es war in jedem Fall eine tolle Erfahrung, mit Sophia Ayissi, Naomi Kelechi Odhiambo, Lisa Tracy Michalik und Sarah Claire Wray zusammenzuarbeiten. Das sind vier Autor*innen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen - Journalismus, Prosa, Lyrik und Theater. Es war eine Bereicherung für das Projekt, diese unterschiedlichen Perspektiven und Zugriffe auf das Erzählen von Geschichten zu haben.

Findet man diese unterschiedlichen Perspektiven in einzelnen Dialogen wieder?

Ich weiß nicht, vielleicht können Sie mir das sagen? (lacht) Ich erkenne auf jeden Fall alle Autorinnen in den Drehbüchern wieder. Der Writers Room ist gestartet zu einem Zeitpunkt, als ich schon mehr als ein Jahr an der Serie gearbeitet hatte. Die Grundidee der Serie, die Figuren und das meiste der Handlung standen da schon fest. Zusammen im Team ging es dann darum, bei allen Figuren in die Tiefe zu gehen. Wir haben uns gefragt, was genau wir erzählen wollen und wie wir die eigene Tonalität der Serienwelt beschreiben würden.

Auf welche Tonalität haben Sie sich geeinigt und was sollte erzählt werden?

Wir haben viel Wert auf Ehrlichkeit und Authentizität gelegt. Außerdem waren uns komplexe Figuren wichtig, die Raum einnehmen können und auch Fehler machen. Figuren, die man in intimen Momenten erlebt und deren Handlungen einen dazu bringen könnten, in den Bildschirm zu schreien. Das ist ein großer Aspekt von Cringe Comedy, ein Genre, das ich liebe. Gleichzeitig ist "Schwarze Früchte" aber auch immer wieder ein klassisches Drama. Und auch ganz wichtig: Wir haben immer versucht, die Figuren, auch wenn sie Fehler machen, nicht zu verurteilen.

Ist "Schwarze Früchte" denn eine Cringe Comedy? Offiziell ist es als Dramedy gelabelt.

Ich bin total fein mit dem Begriff Dramedy. Wenn man tiefer geht und nur auf die Comedy-Teile blickt, sind diese sicher oft Cringe Comedy.

Wir haben immer versucht, die Figuren, auch wenn sie Fehler machen, nicht zu verurteilen.


Sie haben gesagt, "Schwarze Früchte" verhandele Themen, Gedanken und Fragen, die Sie seit langem beschäftigen. Was sind das für Themen?

Da geht’s darum, was es bedeutet, ein guter Freund zu sein. Was die Vergangenheit mit der Gegenwart zu tun hat. Und natürlich: Was ist unsere Beziehung zu Arbeit und bestimmten Machtdynamiken, die in unserer Gesellschaft stattfinden? Bei der Figur Karla geht es viel um Arbeit und ihre Beziehung dazu. Natürlich bringt die Serie viele Interessen und Themen, die mich beschäftigen, zusammen. Aber sie ist auch geprägt von vielen tollen, anderen Leuten, die daran mitgewirkt haben.

Karla ist die weibliche Hauptfigur und hat eine steile Karriere hingelegt. Trotzdem gibt es einige, die sie als Schwarze Quoten-Frau sehen. Das macht sie nachdenklich und verunsichert sie auch ein Stück weit. Beruht diese Strang der Geschichte auf wahren Erlebnissen, die Sie oder ein Mitglied des Teams gemacht haben?

Das ist keine konkrete Geschichte, die jemand in unserem Team erlebt hat. Grundsätzlich ist es ja keine autobiografische Serie, sondern einen fiktionale. Aber die beschriebene Dynamik ist eine, die häufig vorkommt.

Sie haben im Vorfeld des Starts von "struktureller Diskriminierung von Filmschaffenden mit marginalisierten Perspektiven" gesprochen. Wie äußert sich diese Diskriminierung im Alltag?

Das ist eine Struktur, die nicht nur in der Branche existiert, sondern in der gesamten Gesellschaft. Da geht es um Rassismus, Sexismus, Ableismus oder auch Queerfeindlichkeit. Die Liste ist lang und es gibt noch viel mehr. Das führt alles dazu, dass diese Perspektiven in der Film- und Fernsehbranche wenig und teilweise gar nicht sichtbar sind. In den vergangenen Jahren hat sich das durchaus gewandelt, vor zehn Jahren sah das alles noch anders aus. Und trotzdem gibt es noch viel zu tun, damit die Gesellschaft in ihrer Vielfalt auch tatsächlich im Fernsehen, Kino oder auch Theater abgebildet wird. Dazu braucht es Veränderungen in der Struktur, beispielsweise in Form eines Filmförderungsgesetzes. Es geht aber auch darum, dass Personen in Führungsverantwortung kommen, die diese Perspektiven haben.

Ist die deutsche Film- und Fernsehbranche rassistisch?

Ich würde sagen, Rassismus ist eine Struktur, die es in der gesamten Gesellschaft gibt. Deshalb betrifft es jede einzelne Branche.

Es gibt noch viel zu tun, damit die Gesellschaft in ihrer Vielfalt auch tatsächlich im Fernsehen, Kino oder auch Theater abgebildet wird. 


Kann man eine Serie über schwule People of Color eigentlich nur erzählen, wenn eine Produktionsfirma mit im Boot sitzt, die sich darauf spezialisiert hat? In diesem Fall Jünglinge Film, die die Serie gemeinsam mit Studio Zentral und ARD Degeto produziert hat. Oder rennt man mit einem solchen Stoff mittlerweile offene Türen ein?

Jünglinge Film aber auch Studio Zentral haben von Anfang an gesehen, was ich machen wollte. Sowohl stilistisch, als auch inhaltlich. Sie haben die Vision verstanden. Später kamen dann die Moin Filmförderung und die ARD als Auftraggeber hinzu, insgesamt war das eine wirklich sehr schöne Zusammenarbeit mit viel Vertrauen. In jedem Schritt und bei jedem neuen Partner musste ich die Serie und die Idee dahinter aber natürlich pitchen.

Es ist mit den beteiligten Firmen ja eine sehr spezifische Aufstellung.

Ich habe die Idee zur Serie vorher auch mit anderen Produktionsfirmen besprochen, die weniger Zugänge dazu hatten. Von daher hatte ich auch Glück, auf Jünglinge Film zu treffen, mit denen ich gleich viele Anknüpfungspunkte hatte. Ohne sie wäre die Serie nicht möglich gewesen.

Stehen marginalisierte Gruppen in künftigen Filmen und Serien von Ihnen auch weiterhin im Mittelpunkt? Oder ist das kein Muss?

Es gibt mehrere neue Projekte, auf die ich mich freue. Ein nächster Schritt wird das Kino für mich sein. Und ich bin generell auch weiterhin daran interessiert, Schwarze Perspektiven in meinen Geschichten zu zentrieren – in den unterschiedlichsten Geschichten.

Zuletzt noch die Frage: Wer oder was sind eigentlich die Schwarzen Früchte in der Serie?

(lacht) Das soll jede Person selbst interpretieren, wenn sie alle acht Folgen gesehen hat.

Herr Gibba, vielen Dank für das Gespräch!