Es wird ja häufig auf dem Fernsehen herumgehackt. Weil es billig ist, weil es sich keine Mühe gibt weil es Zeit stiehlt. Alles richtig. Aber alles auch wieder falsch. Weil es Ausnahmen gibt. Inseln im Ozean des Irrsinns, verlässliche Hilfestationen, wo dem schwitzenden Menschen ein kühles Getränk gereicht wird und dem Frierenden ein dampfender Tee.

Ein schönes Beispiel dafür findet sich bei „Hart aber fair“, dem montäglichen Populisten-Treff der ARD, wo sich im günstigen Fall ein, zwei vernünftige Gedanken ins lärmende Gerede schleichen, wo im schlimmsten Fall aber in Kasperletheatermanier auf billige Volksverunsicherung gesetzt und damit das Geschäft der AfD erledigt wird. Was war das einst für eine Sendung!

Aber geschenkt, ich wollte ja von Positivem reden. Von Brigitte Büscher. Jeder kennt Brigitte Büscher, diese Mutter Teresa in der Kältekammer des plappernden Egoismuswahns. Wegen ihr bleibe ich immer wieder trotzdem bei „Hart aber fair“ hängen und nehme diese Eitelkeitsparade der Verbalausscheider hin, wie man einen Regenguss hinnehmen muss, wenn man von ihm auf freiem Feld an die mangelnde Schutzausstattung erinnert wird. Da hilft nur: Augen zu und durch.

Aber dann kommt, meistens nach Minute 50, Brigitte Büscher und verteilt Labsal für die Seele. „Bitte, Brigitte“, sagt der Moderator und übergibt ihr damit das Wort. Dann trägt Brigitte Büscher vor, was sie aus der elektrischen Zuschauerpost gefischt hat. Weil man weiß, welcher Ton in solchen gerne von Brüllaffen dominierten Institutionen oft herrscht, wie hysterisch dort regelmäßig gegackert wird, wundert man sich schnell über den nun einsetzenden Gleich- und Wohlklang der Argumente. Brigitte Büscher schafft es auf wundersame Weise, extremes Pro und ausuferndes Kontra zu einem Dialog zu verschmelzen. Sie hat da so etwas Integratives im Unterton, ein Timbre, das eine vertrauenswürdige Atmosphäre schafft, in der sich Zuhören plötzlich wieder zu lohnen scheint. Durch die unvergleichliche Art, in der sie das erledigt, entsteht ein Humus aus Menschlichkeit, auf dem im besten Fall Verständigung sprießen kann. Auf einmal ist vergessen, dass man eben noch einer marktschreierischen Aufklärungsvortäuschung beiwohnen musste, auf einmal ist da nur noch diese tolle Frau mit ihrer verbindenden Art, eine Ein-Frau-Blauhelmtruppe zwischen den Fronten.

Ich frage mich dann stets, warum im Leben nicht häufiger mal jemand „Bitte, Brigitte“ sagt. Ich wünsche mir manchmal, dass Brigitte Büscher bei meinem nächsten Streit durch die Türe tritt und die Argumente in ihrer betont gelassenen Art auf die Waagschalen verteilt. Es ist halt sehr wohltuend, wenn sich jemand derart in den Dienst der guten Sache stellt, wenn Brigitte Büscher ihre tröstende Biederkeit verströmt, als Mediatorin Fahrt aus der Debatte nimmt und den pfeifenden Kessel kurz vorm Explodieren von der Herdplatte holt. Das wärmt die Seele, beruhigt das Herz, lässt die Welt zu einem besseren Ort werden. Für drei Minuten.

Jedes Mal bin ich dann halbwegs verstört, wenn nach diesen drei Minuten der Moderator das Engagement meiner geliebten Brigitte Büscher jäh beendet. „Dankeschön, Brigitte Büscher, für diesen Überblick“, sagt er, und dann lässt er sie an ihrem Pult stehen und kehrt zurück in die Manege, wo er im schlimmsten Fall mit den handelsüblichen Meinungsvermietern wieder das große Gegockele entfacht.

Aber ich nehme diese erneute Kommunikationseskalation gar nicht mehr wahr. Ich friere einfach meine Momente mit Brigitte Büscher ein und genieße noch eine Weile diese bessere Welt. Es ist eine, in der alle drei Minuten jemand kommt und „Bitte, Brigitte“ sagt.