Man möchte derzeit nicht in der Haut von Marc Jan Eumann stecken. Der erlebt gerade, wie man sich mit Wonne über ihn hermacht, genüsslich Widersprüche aufspießt, die sich aus seinem bisherigen Tun herleiten lassen, aber er kann sich nicht wehren. Er darf nichts sagen. Erreicht man ihn, sagt er das auch. Dass er nichts sagen kann. Damit ist das Feld natürlich frei für all jene, die statt seiner glauben, etwas zu sagen zu haben.
Eumann war bis zur NRW-Wahl Staatssekretär für Medien unter Hannelore Kraft und wurde von deren Nachfolger in den vorläufigen Ruhestand versetzt. Er hat im Amt viel angeschoben und einiges bewirkt. Das erkennen nicht wenige an, die sich aber vereinzelt trotzdem darüber freuen, dass Eumann nun seine guten Taten als schwere Last auf die Füße fallen. Das hat viel mit dem Direktorenposten bei der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK). Der ist zum 1. April 2018 neu zu besetzen, und der bislang einzig bekannte Kandidat für den Posten ist Marc Jan Eumann.
Die Medienkorrespondenz wusste das schon Ende Oktober, und auch bei Übermedien war Anfang November nachzulesen, dass das SPD-Mitglied Eumann im von einer SPD-Ministerpräsidentin regierten Rheinland-Pfalz bald neuer Chef werden soll. Am Montag tagte nun die LMK-Versammlung, und auf der Tagesordnung stand, dass im nichtöffentlichen Teil die schon vor Monaten eingesetzte Findungskommission über ihre Arbeit berichten soll. Auf Deutsch bedeutet so etwas, dass die Findungskommission sagt, wer am 4. Dezember gewählt werden soll. Nach der Sitzung erfuhr man also…? Genau! Nichts!
„Personalangelegenheiten sind nach der Geschäftsordnung der Versammlung vertraulich zu behandeln und in nicht öffentlichen Sitzungen zu beraten“, lässt LMK-Sprecher Joachim Kind wissen. Das Gremium werde am 4. Dezember einen Kandidaten zur Wahl vorschlagen. Der kann dann gewählt werden oder nicht.
Lauscht man hinter die Türen, erfährt man, dass es tatsächlich bislang nur einen Kandidaten gibt: Eumann. Die Weisheit, dass Wahlen oft glaubhafter wirken, wenn es mindestens zwei Bewerber um einen Posten gibt, ist bis nach Rheinland-Pfalz offensichtlich noch nicht vorgedrungen. Auch die Tatsache, dass es nicht gut aussieht, wenn ein Kandidat aus der aktiven Politik noch vor Ablauf eines Jahres nach seiner Demission in ein hohes Amt wechselt, hat man in Malu Dreyers Reich wohl nicht vernommen.
Was scheren die am Main auch Glaubwürdigkeit und Staatsferne und Transparenz. Das ist was für Loser mit zu wenig Machtfülle. Dort wird halt nach bewährter Gutsherrenart verfahren. Warum? Weil man es kann. So weit, so schlechte Praxis.
Richtig brisant wird es jetzt aber durch die Figur Eumann. Der wäre zweifelsohne ein guter Ersatz der aktuellen Direktorin Renate Pepper, die im nächsten Jahr in den Ruhestand geht. Es gibt wohl nur wenige, die dem Kölner die Fähigkeiten zu einem solchen Amt absprechen würden. Er ist hervorragend vernetzt in der Medienpolitik, er kennt Gott und die Welt, er kann sehr fein sehr schwammig formulieren, was ihn zu einem guten Politiker macht. Er wäre also auf Anhieb betrachtet die klassische erste Wahl, und trotzdem wirkt er auf den zweiten Blick wie die ganz falsche Wahl.
Das hat viel mit dem zu tun, was er in NRW geleistet hat. Dort war er natürlich aktiv an der fälligen Änderung der Mediengesetze beteiligt. Er hat beispielsweise für etwas mehr Staatsferne im WDR-Rundfunkrat und etwas mehr Qualifikation im WDR-Verwaltungsrat gesorgt. Vor allem hat er für den Posten des Direktors der örtlichen Landesmedienanstalt eine hohe Eingangshürde installiert. In Düsseldorf muss nun Volljurist sein, wer Direktor werden will.
Der damals amtierende und auf Vertragsverlängerung erpichte LfM-Direktor Jürgen Brautmeier ist kein Volljurist, weshalb er nicht wieder gewählt werden durfte. Weil die Regelung so sehr danach aussah, dass sie einzig zum Abservieren eines ungeliebten Direktors ersonnen schien, wurde sie bekannt als Lex Brautmeier.
Man konnte nicht nur am Gesetz merken, dass Brautmeier und Eumann sehr wenig eint. Nur in der Qualifikation für das Amt des Medienanstaltsdirektors hatten sie eine Gemeinsamkeit: Sie sind beide keine Volljuristen und deshalb ungeeignet. In NRW.
In Rheinland-Pfalz ticken die Uhren allerdings noch etwas anders. Da kann man auch als Diplom-Sozialpädagogin, wie es Renate Pepper ist, ins Amt gelangen. Vorausgesetzt natürlich man ist SPD-Mitglied. Staatsferne? Ach, geh weg.
Nun steht Eumann vor dem Dilemma, einen Job zu bekommen, für den er in NRW laut selbstinstalliertem Gesetz nicht geeignet wäre. In Ludwigshafen aber schon. Viel ist da die Rede, dass so etwas durchaus legal sei, aber nicht unbedingt vom Mantel der Legitimität gedeckt werde.
Aktuell schreibt Eumann an einer Streitschrift über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Arbeitstitel „Wenn es ihn nicht gäbe, müssten wir ihn erfinden – so wie er ist, kann er nicht bleiben.“
Überträgt man diese Titelthese auf den Beruf des Medienwächters, könnte es auch passen. Es gibt ja durchaus kluge Stimmen, die das System der 14 Landesmedienanstalt für weitgehend überflüssig halten. Die Zulassung und Kontrolle der Privatsender ist mittlerweile kein Job mehr, der eine mit Millionen alimentierte Bürokratie erfordert. Die Zahl der ausgesprochenen Beanstandungen ist überschaubar und wird von den Überwachten eher belächelt als gefürchtet. Zudem stellt sich immer wieder die Grundsatzfrage, warum die Beitragszahler, die ihr Geld ja eigentlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich entrichten, die Kontrolle der Privatsender mitbezahlen müssen und dafür pro Monat und Haushalt immerhin rund 34 Cent ausgeben. Ein bisschen ist das so, als würden Bus- und Bahnfahrer über ihren Fahrscheinkauf für die Kontrolle der Taxis herangezogen.
Man könnte also durchaus mal reden über die 150 Millionen Euro, die den Medienanstalten jährlich aus dem Rundfunkbeitrag zufließen. Man könnte fragen, ob die LMK knapp 8,5 Millionen Euro als Jahresetat braucht, während beim ZDF für Fernseh- und Verwaltungsrat gerade mal 2,5 Millionen Euro im Haushaltsplan stehen. Man könnte mit dem LMK-Geld also durchaus anderes veranstalten, möglicherweise auch Besseres. Das wissen auch die Medienwächter, die deshalb eifrig dabei sind, sich über medienpädagogische Projekte unentbehrlich zu machen.
Geld wird auch die Beschäftigung von Eumann in Ludwigshafen kosten. Der Posten sei mit einem Betrag dotiert, der sich an der Beamtenbesoldungsgruppe B7 anlehne, heißt es aus der LMK, was einem Betrag entspräche, der auf jeden Fall oberhalb der 10.000 Euro im Monat liegt. Genau kann man das nicht sagen, weil da persönliche Umstände die Höhe signifikant beeinflussen können.
Nun gibt es Kritiker, die fragen, warum man nun einen aus dem Amt gejagten Politiker über den Rundfunkbeitrag finanzieren müsse. Sie unterstellen damit indirekt, dass Eumann es auf das Geld abgesehen habe. Dies kann man aber getrost ausschließen, denn als Staatssekretär rangiert man automatisch ein paar Besoldungsstufen über einem Medienanstaltsdirektor. Auch wenn im Ruhestand davon weniger als drei Viertel übrigbleiben, dürfte Eumann derzeit kaum weniger Gehalt beziehen als ihn in Ludwigshafen erwartet. Finanziell würde es für ihn einem Nullsummenspiel gleichkommen, nur dass für sein Auskommen nicht mehr der Steuerzahler aufkäme, sondern der Beitragszahler. Der aber müsste nach geltender Rechtslage ohnehin einen Direktor bezahlen.
Was bleibt, ist die Aussicht, dass am 4. Dezember in Ludwigshafen ein Direktor gewählt wird, der durch die Diskussionen vorab schon beschädigt ins Amt geht. So etwas ist auszuhalten auch und gerade für einen Politikprofi wie Eumann. Auch gegen Tobias Schmid, den Volljuristen, der nun in Düsseldorf die LfM leitet, gab es vorab Bedenken, weil er doch aus dem Privatfernsehlager kam und manche fürchteten, man mache mit seiner Inthronisation den Bock zum Gärtner. Inzwischen sind die Bedenkenträger still geworden. Schmid macht ordentlich seinen Job, und gut ist es.
Was allerdings nicht übersehen werden darf, ist der Umstand, dass die Mediengesetze in Rheinland-Pfalz, die ein derart intransparentes Wahlverfahren wie das aktuelle ermöglichen, dazu geeignet sind, der Institution zu schaden und damit dem System öffentlich-rechtlicher Anstalten einen Bärendienst zu erweisen. Wer künftig mangelnde Staatsferne kritisieren will, der muss nur nach Ludwigshafen zeigen und kann neben dem ZDF-Fernsehrat nun noch ein Beispiel politischer Undurchsichtigkeit nennen.
Nimmt man solche Probleme ernst, wünscht man sich fast, Eumann würde in Ludwigshafen nicht Direktor der LKM, sondern Staatssekretär für Medien in Mainz. Aufzuräumen gibt es schließlich genug.
Korrektur-Hinweis: Die LMK hat ihren Sitz in Ludwigshafen, nicht in Mainz. Wir bitten das Versehen zu entschuldigen.