Ich war kürzlich in Venedig und habe dort einen Polizisten etwas fragen wollen, aber der sprach kein Deutsch. Potzblitz aber auch, wie konnte das sein? Wollte der nicht? Er konnte doch Deutsch, da war ich mir sicher. Ich sehe das doch schließlich immer, wenn ich die Donna-Leon-Filme schaue. Da können in Venedig alle Deutsch. Und es sehen auch alle Darsteller deutsch aus, und die Musik ist von André Rieu. Der ist zwar Holländer, aber viel deutscher kann man nicht fiedeln als diese Musiksoße fabrizierende Schmalzlocke.
Von Venedig fuhr ich nach Athen und sprach auch dort einen Ermittler an. Was soll ich sagen? Wieder kein Deutsch. Dabei weiß ich genau, dass dort Deutsche arbeiten. Habe ich vor einer Weile im Athen-Krimi der ARD gesehen. Da war Francis Fulton-Smith ein deutscher Gastarbeiter, der die griechische Polizei auf Trab bringen sollte, unter anderem auch den Kollegen Petros Makropoulos, der gespielt wurde von Waldemar Kobus, der sonst ganz oben steht auf der Liste jener Darsteller, die man bei Ruhrgebietsfilmen zwingend einsetzen muss. Auf einmal ist der Grieche. Und Andrea Sawatzki auch, also kein Grieche, sondern Griechin. Und alle sprechen Deutsch. Nur bei denen, die ich in Athen ansprach: Fehlanzeige.
Wie erleichtert war ich da, als ich nach Bozen kam. Da sprachen alle Deutsch. Auch die Polizisten. Muss ja, habe ich einst im Bozen-Krimi gesehen und verinnerlicht. Allerdings sahen die meisten so aus, als seien sie nicht unbedingt südlich des Brenners geboren. Manche sahen gar aus, als kämen sie aus Schleswig-Holstein oder Berlin.
Was ich sagen will: Das deutsche Durchschnittsfernsehen bringt mich global gesehen komplett durcheinander. Es ist ein bisschen wie beim Hase-und-Igel-Spiel. Wo immer ich auch hinreise mit meiner Fernbedienung, die Deutschen sind schon da, und sie sprechen Deutsch. Ganz Europa ist deutsch, spricht deutsch.
Ich kann mir gut vorstellen, dass bei solchen Sendungen so manch Ewiggestriger im Altenheim die Faust ballt und sagt: „Jawoll, mein Führer. Wir haben es doch noch geschafft.“
Aber das sind natürlich nur Irrungen von Greisen. In Wahrheit fußt die Invasion der Deutschen schlicht und einfach auf der Fäulnis von vor dem Bildschirm verwesenden Zuschauern und der Feigheit von Machern, die auf ganz Nummer sicher gehen wollen.
Die denken, dass man dem durchschnittlichen Deutschen Fremdheit nur in geringen Dosen zuführen darf. Bitte keine Überforderung. Es reicht ja schon, wenn man in Venedig den Canal Grande zeigt. Mehr Exotik ist nicht zuzumuten, weshalb vertraute Gesichter heranmüssen, die dem in der Fremde verlorenen Konsumenten ein heimisches Gefühl vermitteln sollen.
Deshalb ermittelt ja Franka Potente als Solveig Karlsdottir in Island, und Udo Samel ist plötzlich Präfekt in der Bretagne. Ganz zu schweigen von all den strunzdeutschen Adeligen, die sich sonntagsabends im Pilcher-Paradies Cornwall einfinden.
Halt, ich darf nicht ungerecht sein. In der Bretagne heißt der Held Kommissar Dupin und wird gespielt von Pasquale Aleardi. Der ist immerhin Schweizer und Sohn griechisch-italienischer Gastarbeiter. Sage also niemand, die beim Fernsehen würden sich in Sachen Internationalität nichts trauen.
Doch, ich sage das. Ich finde es beschämend, dass so etwas Erfolg hat, dass der Zuschauer permanent unterfordert wird, weil man ihn offensichtlich für doof hält. Ich möchte aber nicht, dass man die Zuschauer für so doof hält, selbst wenn sie das möglicherweise sind. Auch Doofen kann man noch etwas beibringen. Man kann sie ganz sensibel, aber eben permanent überfordern und ihnen damit beibringen, dass es da draußen eine Welt gibt, die anders ist als die zwischen Lidl und Aldi und Rewe und Edeka, die vor allem anders ist als in all den SOKO-Folgen, wo immer im Lande sie auch spielen mögen.
Wenn ich es mal zuspitzen sollte, würde ich sagen, dass all diese deutsch besetzten Auslandskrimis bestes AfD-Fernsehen sind. Dumme Bilder für dumme Menschen, die ihr eigenes Versagen übertünchen mit dem Hass auf alles Fremdländische. Solch eine Einstellung fördert man, wenn man die Welt so plump durchdeutscht zeigt.
Wir reden schließlich nicht von singulären Phänomenen, wir reden von einer Welle, die ausgerechnet aus öffentlich-rechtlichen Funkhäusern schwappt und deren Auslaufen zeitnah nicht zu erwarten ist. Ich wünsche mir aber von den Menschen in den Anstalten ein bisschen mehr Verantwortung für das gesamtgesellschaftliche Bild, das sie zeichnen. Und ein bisschen Mut wäre auch nicht so schlecht. Ich zahl auch dafür. Jeden Monat.