Wer Harald Schmidt beikommen will, muss so früh aufstehen, dass es sich kaum lohnt, vorher ins Bett zu gehen. Kein Mensch kann so wach sein, dass er diesem Manne auf einer Bühne Paroli bieten könnte. Auch Christine Westermann nicht, die den Star am Sky-Himmel Freitag im Max-Ernst-Museum in Brühl empfing. Zwar mühte sich Westermann redlich, Schmidt für ihre an diesem Montag bei WDR 2 (19.05 Uhr) ausgestrahlte Sendung „MonTalk“ mehr als nur das Übliche zu entlocken, scheiterte aber auf ganzer Linie.

Nun ist das Scheitern eines Moderators selten so vergnüglich anzuhören wie bei dieser Begegnung, denn es hat schon hohen Unterhaltungswert, mitzuerleben, wie souverän Schmidt alles an sich abperlen lässt. Er wirkt streckenweise, als habe er seine Argumentation in den Regenkammern von Jack Wolfskin oder Mammut entwickelt. Alles so wetterfest, dass dem unbefugten Möchtegerneindringling keine Chance bleibt.

Schon zu Beginn, als Schmidt mit Jeans, gestreiftem Hemd und Jackett eintritt, bittet ihn Westermann darum, er möge doch bitte fortan seine Ironie kenntlich machen, denn sie fürchtet sich vor dem Nichterkennen. Das ist natürlich eine Steilvorlage für Schmidt. „Ich bin gar nicht ironisch, es wird nur fälschlicherweise dafür gehalten“, sagt er, was natürlich schon in dem Moment gelogen ist, da es seine Lippen verlässt.

Schmidt in der Öffentlichkeit ist immer eine von vielen Kunstfiguren, die er wie andere Anzüge im Schrank parat zu haben scheint. Insofern ist jeder seiner Sätze mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn er sagt, er habe dem WDR viel zu verdanken. Was man halt so sagt als höflicher Gast. Aber Schmidt wäre nicht Schmidt, würde er nicht auch dieses Lob vergiften. Kurzerhand datiert er seine Anfänge beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf das Jahr 1804.

Es gibt bei Schmidt kein Lob ohne Nebenwirkung. Rasch ist er bei der typischen öffentlich-rechtlichen Wohlfühlplauze. „Im WDR sieht man das häufiger so – bei den Technikern“, sagt er und macht sich damit beim aufzeichnenden Team sicherlich sehr beliebt.

Danach bekennt er sich als „Emotionalwähler“. Grün und FDP habe er aber noch nicht gewählt. „Es gibt Personen, die ich emotional ablehne“, sagt er dann noch. „Hat es Sinn nachzufragen“, setzt Westermann nach und kriegt an dieser Stelle eine der wenigen klaren Antworten: „Hannelore Kraft.“ Wie ernst das gemeint ist, signalisiert indes der Nachsatz: „Ich kann sehr gut lügen.“

Wie denn sein Tag bis zur Aufzeichnung so gewesen sei, fragt Westermann locker nach und öffnet Schmidt damit natürlich ein Sprungbrett. „Ich kriege mit, wie sinnlos der Kampf der öffentlich-rechtlichen um junge Zuschauer ist“, sagt er und beschwert sich über die Empfindlichkeit vieler Zeitgenossen. „Viele Leute sind ja schon beleidigt, wenn man fragt: Wie geht’s?“, merkt er an und berichtet, was er tut, wenn er in ein Taxi steigt und der Fahrer ihn mit den Worten „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich Arschloch mal fahren muss“, begrüßt. Er steige dann nicht aus, sondern reiche bei einer Zehn-Euro-Fahrt locker mal einen Fünfziger rüber und verabschiede sich mit „Superfahrt.“

Auch die Bewertung seines Aussehens übernimmt Schmidt selbst. „Früher sah ich aus wie Bernie Ecclestone, und jetzt geht es langsam zum späten Klaus Zumwinkel“, beschreibt er seine Optik. Dazu passen offenbar die Freiheiten, die das bewusste Reifen mit sich bringt. „Ich bin in dieser wunderbaren alter-Sack-Phase, wo ich rede wie früher Dieter Thomas Heck“, sagt er. Es werde nur anstrengend, wenn man versuche, das Älterwerden zu kaschieren“, wendet er ein. „Wann sind Sie alt?“, will Westermann wissen, und die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Jetzt.“

Ob er jeden fertig mache, will seine Gesprächspartnerin noch erfahren. „Es gibt Leute, die richtig Bescheid wissen. Ich merke das schnell und halte mich dann geschlossen“, kontert Schmidt und belegt seine Taktik prompt mit besonders unterwürfigem Verhalten, als Westermann einen Überraschungsgast begrüßt, den Organisten des Kölner Doms. Der hat Aufsicht geführt, als Schmidt mal für ein Foto Hand an die Tasten der ehrwürdigen Domorgel legen durfte. Plötzlich ist Schmidt ganz klein mit Hut, beinahe ehrfürchtig. Er spürt, dass seine Waffen stumpf werden, wenn er eine Kirche betritt.

Sehr beeindruckend sind jene Szenen, die man beobachten kann während ein Duo Zwischenmusiken liefert. Da sitzen dann Westermann und Schmidt beieinander und starren unabhängig voneinander Löcher in die Luft. Manchmal schaut Westermann rüber zu Schmidt, der weiter in ein nur ihm bekanntes Nirgendwo blickt, und man meint, sie innerlich den Kopf schütteln zu sehen. Aber vielleicht meint man das nur, weil man das ansehen durfte und doch nicht viel mehr erfahren hat als der Hörer, der am Montag die von 140 Minuten auf zwei Sendestunden herunter geschnittene Version vorgesetzt bekommt.

Hoffentlich bleiben dabei auch jene Momente drin, in denen Schmidt besonders glänzt, weil er besonders gemein reagiert. Als einmal die Miniband fertig ist, gibt er vor, den Pianisten zu loben, hat aber hörbar den Dolch im Gewande. „Es ist toll, dass man so gut Klavier spielt und so viel geiler aussieht als Götz Alsmann“, sagt er, und Westermann versucht nicht einmal, ihren „Zimmer frei“-Partner zu verteidigen.

Schmidt wird dann noch sein Freund Fred Kogel per Bandinterview zugespielt. Es geht um Freundschaft, die Schmidt immer auch nach Nützlichkeit bewertet. „Ich kann mir das ganze Künstlergetue nur leisten, weil er knallhart fürs Geschäft sorgt“, sagt er über Kogel und nimmt schließlich noch das Saalpublikum ins Visier. „Meine süßen kleinen Anorakträger da unten“, nennt er die paar hundert Zuschauer und lässt Westermann bei Fragen zu Weihnachtsritualen auflaufen. „Wir waschen uns alle“, sagt er karg. Ob es Kartoffelsalat gebe an Heiligabend, will sie wissen. „Für die Familie ja, aber ich esse Hummer“, lautet der Konter.

Irgendwann seufzt Christine Westermann und verabschiedet sich. „Wir fahren beide nach Köln“, sagt sie und schiebt dann schnell noch eine Selbstverständlichkeit nach: „Getrennt.“ Als hätte irgendwer etwas anderes erwartet.