Ich habe jetzt eine Talkshow. Die heißt „Hans“. So wie ich. Sie läuft jeden Tag bei „Satt 8“. Ich habe sie bekommen, weil die Menschen mich lieben. Sie mögen meine Art, alles und jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, öffentlich toll zu finden. Bei „Hans“ finde ich jeden Tag grandiose neue Formulierungen auf meinem Teleprompter. Das beginnt schon, wenn ich schwungvoll durch die Studiotür holpere. Ich trage dabei rote Schuhe. Die machen mich dünner, sagt die Ausstatterin, und Dicksein ist mein Problem, wie sich später noch zeigen wird.

Wenn ich drin bin, sage ich: „Schön, dass Sie wieder mit mir Zeit verbringen wollen. Das soll Ihr Schaden nicht sein.“ Weil das aber ein bisschen wenig ist, schiebe ich gleich noch einen nach: „Schön, dass Ihr da seid. Ich freu mich riesig.“ Danach kommen haltlose Ankündigungen. Ich verspreche „immer interessante tolle Gäste, super Gespräche und jede Menge Spaß.“ Damit ist schon mal klar, wie es bei „Hans“ zugeht. Und wer das noch nicht kapiert hat, dem drücke ich es noch einmal rein. „Ohne Spaß geht es schon gar nicht.“ Damit mache ich klar, dass ich einer bin, mit dem man jeden Flohzirkus rocken könnte. Aber zurück zu „Hans“.

Da tritt dann jemand auf, der in Los Angeles schon mal am Haus eines Prominenten vorbei gegangen ist. Kein Irgendwer. Damit das deutlich wird, mache ich mich ein bisschen klein. „Er ist gekommen. Hätte ich gar nicht gedacht“, sage ich und verbreite so etwas wie Ehrfurcht. Dieser Jemand ist mein Gast bei „Hans“, und ich kriege mich nicht mehr ein. „Da kann man schon gar nicht still sitzen“, sage ich, und damit dieser Jemand sich auch wohlfühlt, tue ich so, als würde ich an seinen Lippen hängen. „Interessantes Thema, wie ich finde“, schleime ich.

Dann folgt meine Hammer-Investigativfrage. Bin ja schließlich Journalist. Wenn auch mit roten Schuhen zum dünner machen. „Ich möchte gern wissen: Wie geht’s dir gerade?“ Peng. Das sitzt. Ich höre dann eine Weile nicht zu, und packe meine Uninteressiertheit schließlich in ein paar laue Worte. „Was willst du mir noch erzählen?“ Kommt da irgendwas, tue ich so, als hätte ich im Lotto gewonnen. „Ich bin so begeistert“, kreische ich fast.

Endlich kommt das Thema auf dick und dünn. „Kann mir das mal irgendwer sagen, dass ich zu dünn für etwas bin“, kreische ich dann, schiebe meine roten Schlankmacherschuhe ins Bild und simuliere den nächsten Bühnenorgasmus. „Da freu ich mich riesig drüber“, sag ich und begrüße schon den nächsten Gast. „Du hast eine Wahnsinnskarriere hingelegt“, lobe ich. Doch damit nicht genug. „Hättest du gedacht, dass du mal so berühmt bist?“ Ja, Netzwerk Recherche, zieht euch warm an. Bei „Hans“ könnt ihr lernen, wie es geht.

Mein Autor und mein Regisseur haben mir übrigens gesagt, dass es mich total volkstümlich macht, wenn ich meinen Aussagen ein „Och“ voranstelle. Kleinigkeit für einen wie mich. „Och, das klingt alles sehr gut“, sage ich. Und dann noch „Och, ist das schön.“ Notfalls lasse ich das „c“ in „och“ auch weg. Dann klingt das so. „Oh, das hat es wirklich sehr aufregend gemacht.“

Spätestens jetzt wird es wieder Zeit für Investigatives. Ich öffne die Johannes-B.-Kerner-Schublade in mir und wanze mich an meinen Gast ran. „Du muss ja jetzt nicht über deine Schwierigkeiten reden. Hast du Schwierigkeiten?“ Meine Antwort zeugt von großer Anteilnahme. „Das ist wirklich unglaublich“, sag ich dann. Überhaupt besteht meine halbe Show aus Satz gewordenen Ausrufezeichen. Ich könnte auch etwas Begeistertes über den nächsten Hundehaufen sagen. Ich kann das, denn ich bin der Gastgeber von „Hans“.

Wichtig ist, dass ich zwischendrin auch mal was Persönliches loslasse. Damit die Menschen mich nicht für eine arrogante Sau halten. Ich tue dann so, als sei ich von drüben. „Ich habe im Osten in einer Wohneinheit gewohnt“, gestehe ich. Hammer-Aussage. Na, wenn dieses Geständnis nicht Willsie Vanderfack aus den Schlagzeilen vertreibt, dann weiß ich auch nicht. Ich sehe schon die „Bild“ vor mir: „Jetzt spricht Hans: Ich habe im Osten in einer Wohneinheit gewohnt.“

Damit es die Gäste gut haben, reiche ich auch was fürs Mäulchen. „Ich hab da mal was Leckeres, ja“, sage ich. Ich fange in solchen Situationen gerne das Berlinern an. Ich grinse dazu, weil man einem grinsenden Berliner, der gerade nicht mault, alles abkauft. „Wat ham wer denn hier?“ Ich frage das und gebe mir selbst die total sympathische Antwort: „Ach, Eis ham wer hier.“

Wichtig ist nicht nur aufm Platz, sondern immer auch zum Schluss. „Richtig schön, dass Ihr da wart“, rufe ich meinen Gästen überschwänglich zu. Oder: „Danke, dass Ihr da wart. War toll mit Euch.“ Final habe ich dann nochmal eine Steigerung. „Tschüss, ich freu mich ganz doll. Passt gut auf euch auf.“ Na, wenn mich die Menschen jetzt nicht lieb haben und ganz oft bei „Hans“ reinschalten, weiß ich es auch nicht.

Wenn die Kameras aus sind, schleiche ich in meine Garderobe. Dort hängt ein Sandsack. Auf den haue ich ein. Er ist Stellvertreter für all die Arschgeigen, über die ich mich eben noch freuen musste. Und für all die Irren, die so einen Scheiß gucken. Ich haue immer und immer wieder, bis ich besinnungslos zu Boden sinke und gar nicht mehr mitbekomme, wie mein Produzent mir mitteilt, dass „Hans“ abgesetzt wird. „Guckt keine Sau“, sagt er. Außerdem hat irgendein korinthenkackender Journalist bemerkt, dass alle meine Show-Aussagen bei „Inka“ abgeschrieben sind. Jetzt habe ich eine Unterlassungsverfügung am Hals. Ein letztes Mal bäume ich mich noch auf und versetze dem Sandsack den finalen Stoß. „Nimm das, Elende“, röchele ich und falle in einen langen tiefen Schlaf.