In zwei Tagen ist es soweit: Dann startet der Deutsche Fernsehpreis mit der "Nacht der Kreativen" in der Kölner Flora in sein 25. Auszeichnungsjahr, bevor einen Abend später die begehrten Trophäen in den Werkkategorien vergeben werden, zu sehen in einer großen Gala im Ersten.

Doch was bislang die wenigsten wussten: Eigentlich ist der Fernsehpreis in diesem Jahr nicht nur zwei-, sondern sogar dreigeteilt!

Denn erstmals werden in dieser Kolumne außergewöhnliche Leistungen in Alternativkategorien prämiert, für die an den beiden anderen Abenden kein Platz ist – Vorhang auf für den Deutschen Bonus-Fernsehpreis! Wir wollen keine Zeit vertrödeln und steigen direkt ein:

Bester inoffizieller Sommerhit

Wer stiehlt Matthias Schweighöfer die Show © ProSieben/Florida TV / Julian Mathieu
Vor lauter Ruhm und Ehre für "Wer stiehlt mir die Show?" geht meist unter, welche Dienste die wechselnden Moderator:innen der hiesigen Kreativszene erweisen – so wie Matthias Schweighöfer, der seinem Freund und Moderations(de)mentor Joko Winterscheidt in der Frühjahrsstaffel bei ProSieben gleich zweimal die Sendung abluchste, um hierin mit der besten Fernsehband der Welt den inoffiziellen Sommerhit "Quanta costa cinquecento fazzoletti" nasenzuflöten (und es damit u.a in die "Südtirol News" zu schaffen).

Dessen ungeheure Eingängigkeit lässt einen nicht nur über die ausführlich in Social-Media-Kommentaren dokumentierte grammatikalische Ungenauigkeit hinwegsehen. Sondern hätte Schweighöfer augenblicklich als Dauergast zu "Immer wieder sonntags", "ZDF Fernsehgarten" und der "Giovanni Zarrella Show" katapultieren müssen. Aber gut, der Herr Hollywood scheint zwischenzeitlich wieder Besseres zu tun haben, als im Dienste des Publikums weiter die Niederungen der deutschen Showbranche auszuloten. Eine Auszeichnung hat die Gute-Laune-Aktion umso mehr verdient. Und jetzt alle: Fazzolettiii, Fazzolettiii!

Vorbildlichster LED-Screen

Mai Thi Nguyen-Kim © ZDF / Ben Knabe
Wenn sich das sorgsam ausgetüftelte Studiodesign im Nachhinein als Stromfresser entpuppt, kann man das als Redaktion schulterzuckend hinnehmen und einfach weitersenden, bis der Golfstrom versiegt. Als Wissenschaftsshow mit dem Anspruch, den Planeten schon aus Eigeninteresse so lange zu erhalten, dass nicht vor der zehnten Staffel Schluss ist, hat man sich bei "MaiThink X" auf ZDFneo jedoch dazu entschieden, den formatprägenden Videoscreen, vor dem Gastgeberin Mai Thi Nguyen-Kim ihre entertainige Aufklärung betreibt, fortan mit selbst produziertem Solarstrom zu betreiben.

Soviel gelebtes Klimaschutzbewusstsein ist in der Bewegtbildbranche schon deshalb nötig, weil ja nicht jeder dahergelaufene Sender seine komplette Dschungel-Altstarriege bzw. "Bachelor"-Baggage nach Südafrika fliegen kann, um dort mit katastrophaler Ökobilanz ein bisschen Reality-Remmidemmi zu machen. Deshalb: absolut nachahmenswert!

Schnellster Nachmittags-Fail

Amado, Belli, Biedermann © WDR/Hubertus Huvermann
"Themen, die uns berühren, belustigen, beschäftigen" wollten die drei Gastgeber:innen von "Amado, Belli, Biedermann" ("Wer A sagt, muss auch BB sagen") in ihrem neuen "Generationen-Talk" besprechen, in dem ständig jemand "TikTok" und "Instagram" erwähnen musste, um die eigene Anschlussfähiugkeit an die Gegenwart zu beweisen. Doch schon als Gast Twenty4Tim am dritten Tag erklärt bekam, was Amado früher eigentlich im Fernsehen gemacht hat ("Ich hab die Kinder durch die Zaubertunnel und dann kamen die an die andere Seite raus als Star") bzw. einzeln abgefragt werden musste: "Kennst du mich überhaupt?" ("Ich bin da mal ehrlich: nö"), war irgendwie die Luft raus.

Auch bei der ARD, die dem x-ten Versuch, den TV-Nachmittag mit einer neuen Talk-, Ratgeber- oder Kochshowvarianbte aus dem Wachkoma zu holen, augenblicklich den Stecker zog. So ist es halt, das "Leben live" vor 18 Uhr. Und sorry an Sat.1: Mit zwei Monaten Karenzzeit für die Nachmittagsflops "Drei Teller für Lafer" und "Das Schnäppchenmenü" hattet ihr diesmal einfach keine Chance gegen die Blitzentscheider:innen aus München.

Kuriosestes Late-Night-Dauerfeuer

Neo Tropic Tonight © ZDF/Lenny Rothenberg
"Edins Neo Night", "Neo Ragazzi", "Neo Tropic Tonight": Im Frühjahr feuerte ZDFneo aus allen der Digitalsparte zur Verfügung stehenden Rohren Late-Night-Shows mit dem Sendernamen im Titel ab – und bloß mal angenommen, irgendjemand hätte die linear auch einschalten wollen: Es ist kaum vorzustellen, was das dann wieder an neuen Late-Night-Schüssen mit unerwarteten Moderator:innengesichtern nach sich gezogen hätte. Hat aber ja niemand. Dennoch: Respekt fürs Festansgegenteilglauben!

Zügigstes Kurz-Comeback

Ein Haus voller Geld Oliver Pocher © RTLZWEI - mbmediaworld
Nicht jede:r im deutschen Showbiz kann sich für sein Comeback zehn Jahre Zeit lassen. Oliver Pocher zum Beispiel weiß, dass es manchmal einfach schneller gehen muss – man kommt ja sonst zu nichts. In diesem Jahr legte der Herr der tausend Fernsehleben seinen Rückkehrversuch ins Frühjahr und zum Mischsender RTLzwei, wo er in "Ein Haus voller Geld" Familien zuplapperte, die 100.000 sorgsam in ihren eigenen vier Wänden versteckte Euro unter Zeitdruck finden mussten ("Scheiße die haben die Wand abgeschraubt").

Das blieb in seiner Unterhaltsamkeit leider unterschätzt – obwohl das flugs wieder abgesetzte Format (bei RTL+ ansehen) Pochers einziger angenehmer Stärke entgegenkam: der gut gelaunten Interaktion mit normalen Menschen aller Altersgruppen, mit denen er dank kleiner Frechheiten und großer Spontaneität eine geradezu gottschalkeske Vertrautheit herzustellen vermag. Schon deshalb hätte ich der Sendung eine größere Aufmerksamkeit gewünscht, um die unerwartete Botschaft aus Hückelhofen bei Geilenkirchen in alle Welt zu tragen: Pocher kann auch funny sein! Aber: das nächste Comeback folgt bestimmt.

Beste Franchise-Anstrengung

XY History © ZDF
Nichts anderes wird in Mainz so fleißig vorangetrieben wie die Schaffung von "Markenwelten", sozusagen die Franchisisierung lang laufender Traditionsformate: Aus "heute" erwuchs die "heute show", aus "Terra X" eine x-beliebige Zahl an Doku-Klonen, und seit kurzem müht man sich auch, das "Aktenzeichen xy"-Universum noch True-Crime-tauglicher zu machen: mit "xy history", das zum Start die Geschichte von Ernst Gennat erzählte, dem ersten Mordkommissar Deutschlands im Berlin der 20er Jahre – und in der gewohnten Mischung aus nachkoloriertem Archivmaterial und übel nachsynchronisierten Spielszenen, die das ganze Genre so nachhaltig verseucht haben.

Nicht verwechseln darf man "xy history" übrigens mit "Terra X History", wo sich das ZDF ganz anderen Themen widmet, etwa "Mord und Totschlag – Kriminalität unterm Hakenkreuz". Und es dauert vermutlich nicht mehr lange, bis man für die GenZ im "ZDF Magazin Royale History" nachspielen lässt, wie das damals war mit Günther Jauch, dem Varoufakis-Video und dem Stinkefinger. (Geeignete Darsteller des jungen Jan Böhmermann bitte Postkarte an: Zweites Deutsches Fernsehen, 55100 Mainz.)

Angenehmste Streaming-Werbung

Wow © Sky
Während das "richtige" Fernsehen (S. Raab) munter vor sich hinsendet, passiert der neue heiße Scheiß selbstverständlich im Streaming – etwa bei RTL+, diesem "Ausstrahlungskanal" einer großen deutschen Mediengruppe, dem der "Spiegel" Leser:innen seines Bezahldiensts "Spiegel+" kürzlich aus gegebenem Anlass einen eigenen Erklärtext widmen musste, um sie in die Gegenwart zu beamen: "Was genau ist RTL+? Und lohnt es sich?"

Inhaltlich muss das selbstverständlich jeder für sich bewerten. Aber ich sag mal so: Nachdem ich kürzlich im Kölner Kostenlos-Tarif die 14. Werbeunterbrechung in der aktuellen "Raue der Restauranttester"-Folge zu Ende gestreamt hatte, war ich dann doch wieder zufriedener zahlender Abonnent. Was ja heutzutage nicht mehr bedeutet, dass man gar keine Werbung mehr sehen darf, im Gegenteil: Bei allen großen Streamern hat sich längst ein günstiges Basis-Abo mit Werbeunterstützung als Standard durchgesetzt.

Deren Umfang hält sich (im Vergleich zum Linearen) bislang in Grenzen. Es stört aber trotzdem, wenn etwa Disney Plus mitten in einer aktuellen Folge der Spitzengastronomie-Serie "The Bear" flugs Werbung für Frosta-Tiefkühlgerichte zeigt. Besser macht's – bitte festhalten: Sky mit seinem Streaming-Ableger Wow. Der feuert die Spots einfach grundsätzlich vor Beginn einer Serienepisode bzw. eines Films raus, sodass das Risiko gering ist, während "Succession" oder "Oppenheimer" mit dem Konsum schnöder Gegenwartsverbrauchsgüter belästigt zu werden. Wer hätte gedacht, dass die bei Sky auch mal was richtig machen können.

Effektivste Journalist:innenprovokation

Carolin Kebekus © WDR/Ben Knabe
Nichts bringt konservative Medien so verlässlich auf die Palme wie die Illusion, der öffentlich-rechtliche Rundfunk schreibe ihnen vor, was sie zu denken hätten! Also haben "NZZ" und "FAZ" förmlich gekocht, nachdem ihnen das Erste im August am Sonntagabend überraschend Carolin Kebekus anstatt des "Tatorts" servierte, wenn auch nur für ein Viertestündchen.

Die brauchte Kebekus, um in pointen- und variantenreicher Art dafür zu plädieren, dass die Gesellschaft sich stärker für ihren Nachwuchs engagieren muss: "Kinderrechte gehören in die Verfassung, finde ich!" Es folgte ein wilder Ritt durch bekannte ARD-Formate, in denen ausnahmsweise mal Nochnichtgebührenzahlende die Hauptrolle spielen durften, vollgepackt mit kleinen Referenzen aus der Kinderrealität (von "Paw Patrol" bis Maulwurfkacke).

Man kann das ja doof finden, was Jamie, Lino, Annabelle, Edina, Pelin, Emilia, Milou, Lio, Leonhard, Eileen, Louis, Thalia, Rona, Jonathan, Klemens, Isabel und Carolin da gemacht haben. (Wenn man sich sehr, sehr viel Mühe gibt.) Aber wenn man seinen Leser:innen sozusagen vorschreiben möchte, was sie von dem (etwas zu perfekt inszenierten) ARD-"Belehrungsfernsehen" zu halten haben, dann hülfe zumindest eine Kurzrecherche: Anders als "NZZ"-Redaktorin Fatina Keilani (welche konservative Schweizer Tageszeitungsredaktion soll das denn abbilden?) dahinschwatzt, ist Kebekus nämlich nicht erst "kürzlich" ins Lager der Kinderbefürworter:innen gewechselt. Vielmehr ließ sie in "DCKS" schon im vergangenen Jahr auf humorvolle Art die Alltagsprobleme der in diesem Land Heranwachsenden besingen und forderte: "Was gar kein Geld kosten würde: Kinderrechte endlich ins Grundgesetz aufnehmen!"

Wenn's um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht, lassen sich konservative Medien bei der Provokation aber natürlich nicht von lästigem Googeln aufhalten.

Bunteste Arbeitsgarderobe

Jan Köppen beim Deutschen Fernsehpreis 2017 © DWDL.de / Alexander Krei
Senfgelb mit aufgenähten Flecken, schneeweiß mit hawaiiesken Blumen, vielfarbig in Kirchenfensteroptik, seerosenverziert, tiefblau mit Fantasie-Skyline, dreckigrosé mit Fischen, Vespa und Zitronenstand, im Küchenhandtuch-Style, urwaldig mit crazy Silbergarn oder einfach in Holzfällergrün: Es sind Hemden, die ihresgleichen suchen. Er hat sie alle getragen und nachher auf X getwittert, der bestangezogenste Mann des deutschen Gegenwartsfernsehens (und historisch gesehen auf Platz 2 nach Jürgen von der Lippe): Bleib so bunt wie du bist, Jan Köppen!

Mutigste Doppelmoderation

Eltons 12 © RTL / Willi Weber
Meine Damen und Herren: Elton! In einem groß angelegten Feldversuch testete der bestbeschäftigtse Dauerpraktikant des deutschen Fernsehens zu Beginn des Jahres, ob ma auf zwei miteinander konkurrierenden Sendern beinahe im Wochenwechsel Shows moderieren kann, die nicht nur sehr ähnlich funktionieren, sondern auch noch fast genauso heißen ("Schlag den Star" und "Schlag den Besten").

Ergebnis: Man kann!

Wenn man nachher gerne die Kündigung seines bisherigen Arbeitgebers in Empfang nehmen möchte, um sich daraufhin "sprachlos", "wütend" und "extrem traurig" zu beschweren, dass man "nicht mal eine Abschiedsshow" zugebilligt bekommt. Aber wer weiß, ob Elton es zu der zeitlich überhaupt geschafft hätte, angesichts der umfassenden Verpflichtungen für den von langer Hand geplanten Wirtswechsels seines einstigen Entdeckers zur Konkurrenz. Jedenfalls: Chapeau für soviel Selbstbewusstsein! (Man ahnt, wo er das gelernt hat.)

Und damit: frohes Feiern und zurück nach Köln.