Bei RTL ging vor diesem Wochenende schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage eine Nachrichten-Ära zu Ende – wenn auch eine deutlich kürzere als die von Peter Kloeppel und Ulrike von der Groeben (DWDL.de berichtete).

Nach drei Jahren verabschiedete sich Jan Hofer von "RTL Direkt": dem Nachrichten-Magazin, für das er sich nach seinem "Tagesschau"-Abschied von den Öffentlich-Rechtlichen hat weglocken lassen, um von Berlin aus etwas ganz Neues aufzubauen. Er wolle sich nach getaner Arbeit nun "ein bisschen ins Privatleben zurückziehen". Zum Schluss gab's von der Redaktion Blumen und ein "Mach's gut, Jan".

Die angesichts dieser Entscheidung naheliegende Bilanz fällt – sagen wir: gemischt aus. Für Hofer ebenso wie für "RTL Direkt".

Freiwillig riskierter Umschaltimpuls

Einerseits ist es dem Sender gelungen, am späteren Abend eine zusätzliche Informationsschiene einzuziehen, die regelmäßig von über einer Million Menschen gesehen wird – und diese Entscheidung auch durchzuhalten. Andererseits haben die zum Start formulierten Ansprüche – etwa: den parallel laufenden "Tagesthemen" ernsthaft Konkurrenz zu machen – inzwischen einen harten Realitätsabgleich erfahren.

Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass sich "RTL Direkt" nach all den Monaten auf Sendung oft immer noch wie ein Fremdkörper im regulären RTL-Programmablauf anfühlt, für den stetig Sendungen unterbrochen werden, die anschließend noch weiter laufen. Dass sich ein Privatsender freiwillig einen solchen von allen Veranstaltern sonst gefürchteten Umschaltimpuls ins Programm einbaut, ist in der 40-jährigen Geschichte des dualen Rundfunks beispiellos.

In Köln hätte man bei der weitgehenden Rückabwicklung der zwischenzeitlich angekündigten Seriositätswerdung auch deutlich radikaler vorgehen können. 

Dass das (bislang) ausgeblieben ist, steht dem Sender gut zu Gesicht – und dürfte auch daran liegen, dass Stephan Schmitter, der damals als News-Chef für die Aktualitäts-Offensive verantwortliche zeichnete, in seiner neuen Rolle als RTL-Deutschland-CEO noch an Einfluss hinzugewonnen hat.

In grün getünchter Dschungel-Kulisse

Dennoch lässt sich dafür nur eingeschränkt enthusiastisch applaudieren. Das liegt vor allem an der aktuellen Verfassung von "RTL Direkt", das seinem Mitgründer und bisherigen Hauptmoderator den Abschied gerade nicht allzu schwer gemacht haben dürfte.

Denn zuletzt lief das Format nur als Madenwurmfortsatz des Sommer-Dschungels, für den auch der angestammte Sendeplatz um 22.15 Uhr geräumt werden musste, um sich in die "Legendäre Stunde danach" zu quetschen, mit der der Sender den vorab provozierten Kandidat:innen Zoff weiter auswalzt.

In der vergangenen Woche waren Georgina Fleur und Kader Loth per Videozuschaltung gerade in die nahtlose Fortsetzung ihres Camp-Zoffs vertieft, als Trash-Spezialistin Angela Finger-Erben dazwischen grätschte: "Ich find das super, diese Auseinandersetzung. Und am liebsten würd ich's auch echt klären, dass ihr euch wieder ein bisschen näherkommt. Wir haben aber keine Zeit, weil: ein Hofer wartet – ein Jan Hofer. Und da geht es um, ja, andere News, das Weltgeschehen, das ein bisschen wichtiger ist – und vor allem: die Giulia Siegel wartet hier schon. Die möchte auch gerne was sagen."

Der zuvor Angekündigte stand kurz darauf in seiner Berliner Studiokulisse, um sich höflich wie jeden Tag für die Überleitung von "Angela und Olivia" zu bedanken, ein paar News des Tages anzumoderieren und sich nach kürzester Zeit vor einer im Sinne des Audience Flows komplett grün getünchten Dschungelkulisse wieder zu verabschieden.

Das ginge auch aus dem Homeoffice

Sechs, sieben Minuten dauerte "RTL Direkt" in dieser Variante zuletzt; und war damit nur noch ein Schatten seiner selbst.

Mit einer Netto-Moderationszeit von teilweise unter einer Minute sagte Hofer Beiträge an, die am früheren Abend geringfügig anders zusammengeleimt schon bei "RTL aktuell" zu sehen waren. Weil die Versicherungswirtschaft die Regionalklassen überarbeitet hat, werden nun vielerorts die KfZ-Versicherungen teurer; die große Parteitagsshow der US-Demokraten geht weiter; der Bundeskanzler beruft eine Taskforce ein; Trinken ab 14 Jahren in Begleitung eines Elternteils soll untersagt werden, "weitere Nachrichten jetzt im Überblick".

Und statt einem "Machen wir alle das Beste daraus" als Schlusssatz verabschiedete sich Hofer in seiner letzten Woche mehrfach mit: "Das war's von uns für heute. Hier geht es gleich weiter mit dem 'Dschungel der Legenden – die Stunde danach'." Eigentlich hätte er das auch locker schon aus dem Homeoffice heraus erledigen können.

Nicht die richtigen Kernkompetenzen

Für Gäste im Berliner Studio, das sich ja von Anfang an des Vorteils rühmte, im Gegensatz zu "Tagesthemen" und "heute journal" in Laufweite des Reichstags zu liegen und damit mühelos Zugriff auf hochkarätige Interviewpartner:innen aus der Bundespolitik zu haben, blieb da natürlich trotz aufgeheizter Nachrichtenlage keine Zeit. Den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil empfing Hofer für eine Kurzfragerunde zum CDU-geforderten Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien zugeschaltet per Splitscreen. Und lieferte damit weiteres Anschauungsmaterial für eine öffentlich bislang nicht laut ausgesprochene Wahrheit: Nämlich die, dass Jan Hofer von Anfang an eher nicht die bestmögliche Besetzung für dieses Format war.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich hab nichts gegen Hofer. Ganz im Gegenteil: Er macht einen durchweg integren Eindruck, wirkt sympathisch und seriös, er ist glaubwürdig und beliebt, ein hervorragender Nachrichtensprecher.

Aber vielleicht war genau das eines der größten Probleme von "RTL Direkt". Denn um Politiker:innen verbal in die Zange zu nehmen, die rhetorisch immer geschulter Allgemeinplätze von sich geben und stärker denn je darauf hingewiesen werden müssen, wenn sie sich selbst widersprechen, sind all das nicht die richtigen Kernkompetenzen.

Vorformulierte Fragen vom Teleprompter

Sicher: als Personalie war Hofer für RTL ein Scoop. Und zugleich der öffentliche Beleg dafür, es mit "RTL Direkt" ernst zu meinen. Aber zumindest meiner Wahrnehmung zufolge hat Hofer von der ersten Sendung an sichtlich mit der neuen Aufgabe gefremdelt: Seine Moderationen erfolgten allzuoft im vertrauten "Tagesschau"-Stil (kein Wunder, nach all den Jahren); für Studiogespräche fehlten ihm Lockerheit und Angriffslust.

Hofer führte keine Interviews mit Politiker:innen, sondern wirkte, als lese er vorher ausformulierte Fragen von Moderationskarten bzw. vom Teleprompter ab. Das ist gar nicht als Vorwurf gemeint, aber: Für ein Format wie "RTL Direkt" fehlten Hofer entscheidende Stärken.

Umso interessanter wird, wie sich die Sendung in Zukunft entwickelt. RTL hat schon vor Wochen erklärt, Pinar Atalay zur neuen Hauptmoderatorin zu machen (DWDL.de berichtete). Das ist, glaube ich, eine gute Entscheidung. Bislang war Atalay, einst ebenfalls in Diensten von ARD aktuell, lediglich als Hofers Vertretung bei "RTL Direkt" aktiv. Aber sie hat dort oftmals einen sehr viel besseren Eindruck hinterlassen – nicht zuletzt, weil ihr für ein magazines Format am späteren Abend die langjährige "Tagesthemen"-Erfahrung zu Gute kommt.

"Sie werden aber auch populistisch"

Atalay ist genau die Richtige für Eins-zu-Eins-Interviewsituationen im Studio. Sie kann spontan auf ihre Gesprächspartner:innen eingehen, widerspricht ihnen (falls nötig), und lässt sie auch dann nicht vom Haken, wenn sie sich argumentativ aus einer unbequemen Frage heraus zu lavieren versuchen. (Schauen Sie sich dieses Gespräch mit Sahra Wagenknecht vom Juni an, in dem Atalay nicht mit Direktheiten spart: "Sie werden aber auch populistisch", "Ich hab das Gefühl Sie sind ne One Woman Show", "So'n [Instagram-]Post: Sagt da nicht mal irgendwer 'puh'!").

Gleichzeitig hat Atalay offensichtlich den Ehrgeiz, die gewohnte Studiosituation auch mal zu verlassen und sich an Ort und Stelle im Land von den Auswirkungen politischer Entscheidungen und dem persönlichen Gestaltungswillen der Bürger:innen zu überzeugen – so wie bei Ihren durch die Landtagswahlen-begründeten Reportage-Besuchen in ostdeutschen Städten.

Das an sich ist kein Alleinstellungsmerkmal, vielleicht nicht mal mehr eine Besonderheit angesichts einer zunehmenden Zahl an Presenter-Reportagen in deutschen Bewegtbildmedien.

Breiter aufstellen als bisher

Aber diese Vielseitigkeit hebt "RTL Direkt" heraus aus der Fokussierung der übrigen RTL-News-Formate (die allesamt ihre Berechtigung haben) und hat das Potenzial, tatsächlich das Versprechen einzulösen, das man in Köln mal abgegeben hat: nämlich die Sendung zu etwas Besonderem zu machen, das es in dieser Form zumindest im deutschen Privat-TV noch nicht gibt. (Gerade ist sie das nicht.)

Umso rätselhafter ist, warum man den nun vollzogenen Wechsel in Köln nicht dafür nutzt, "RTL Direkt" breiter als bisher aufzustellen – und Atalay, damit die auch in Zukunft Zeit hätte, sich selbst im Land umzusehen, einen gleichberechtigteren Moderationspartner an die Seite zu stellen. Zumal man den im eigenen Haus eigentlich schon parat hätte: Maik Meuser.

Der 48-Jährige verfügt über langjährige RTL-News-Erfahrung, war sowohl für "RTL aktuell" als auch kürzlich bereits für "RTL Direkt" als Moderationsersatz tätig und weiß, wie wichtig es ist, das Publikum an den Ort des Nachrichtengeschehens mitzunehmen – z.B. nach Kiew, um wie 2023 von dort für ein "RTL aktuell Spezial" aus dem Ukraine-Krieg zu berichten. Bei der Kloeppel-Nachfolge für "RTL aktuell" ist Meuser unverdienterweise leer ausgegangen; künftig soll er verstärkt im "Nachtjournal" eingesetzt werden. Merkwürdig.

Ein Anchor on Location, einer im Studio?

Ob sich die beiden persönlich gut miteinander verstünden, lässt sich von außen schwer beurteilen – aber auf dem Papier wären Atalay und Meuser ein großartiges Duo, um "RTL Direkt" voranzubringen: im wöchentlichen Wechsel ein Anchor on Location, und einer im Studio, um dort Verantwortliche aus der Politik sanft zu grillen.

Das könnte die Kolleg:innen in Hamburg und Mainz, nachdem dort zwischenzeitlich kompetitive Erleichterung eingetreten sein dürfte, vielleicht doch noch mal nervös machen. Sowie die Spätabend-Nachrichtenschiene im deutschen Fernsehen, quasi als Vermächtnis von Jan Hofer, noch etwas interessanter als bisher.

Und damit: zurück nach Köln.

Ab dieser Woche läuft "RTL Direkt" wieder um 22.15 Uhr als Sandwich-Unterbrecher der "Wer wird Millionär? 3-Millionen-Euro-Woche".