Von Staffel zu Staffel (und völlig zurecht) überschlagen sich Gastgeber und Gäst:innen bei "Wer stiehlt mir die Show?" auf ProSieben mit ihrer Begeisterung für die zwölf Damen und Herren, die im Studio nicht nur für die musikalische Abendbegleitung zuständig sind, sondern auch fester Bestandteil vieler Spiele und Ansingpartner bei musikalischen Spontaneinsätzen.
In Staffel sechs erklärte Matthias Schweighöfer: "Die Band ist der absolute Wahnsinn!" Jasna Fritzi Bauer hatte zuvor bereits festgestellt: "Das ist eine sehr gute Band mit zwei sehr guten Sängerinnen!" Und Olli Schulz, an den Moderator gerichtet: "Du hast die beste Showband im deutschen Fernsehen, ehrlich!"
Joko Winterscheidt findet die Auftritte regelmäßig "megagut" oder "ultragut", denn: "Das klingt so unfassbar toll, wenn ihr das spielt." Er würde "sofort mit euch auf Tour gehen". Und versprach Ende des vergangenen Jahres: "Dafür sollte es mal 'nen Preis geben! Wirklich, ihr habt' nen Preis verdient. Ich lass mir' nen Preis einfallen. Wenn's kein anderer macht, mach ich das."
Ein Preis, herzlichen Glückwunsch!
Also gut, und herzlichen Glückwunsch, liebe Mighty Winterscheidts: zum hiermit erstmalig verliehenen DWDL.de E.M.U., dem Preis zur Etablierung von Live-Musik als unverzichtbarem Bestandteil einer Primetime-Unterhaltungsshow im deutschen Fernsehen!
Das ist, wie zahlreiche Fernsehschaffende aus eigener Erfahrung wissen, wirklich eine beachtliche Leistung und alles andere als einfach. Denn im Bewegtbildmedium unserer Herzen hat die musikalische Live-Performance seit jeher einen eher schwierigen Stand.
Selbst Auftritte hochkarätiger Künstler in "Wetten dass…?" galten einst als potenzieller Umschaltimpulsgeber für ungeduldige Zuseher:innen; Shows wie "Schlag den Raab" leisteten sie sich – im wahrsten Sinne des Wortes – trotzdem. Heute sind Künstler:innen mit ihren musikalischen Darbietungen im Fernsehen festinstanzlich allenfalls noch bei "Late Night Berlin" und im "ZDF Magazin Royale" willkommen.
Formate wie "Deutschland sucht den Superstar" und "The Voice of Germany", bei denen es im Kern um Musik geht, verlieren mit dem Start in die Liveshow-Phase derweil oft einen empfindlich großen Teil ihres Publikums.
"Betzebube" und Fazzoletti-Fans
Shows mit Musikschwerpunkt haben es noch schwerer: "That's My Jam!" mit den Kaulitz-Brüdern wurde im vergangenen Jahr nach nur drei im Linearen gezeigten Ausgaben von RTL flugs ins Streaming-Bezahlangebot zurückbefördert; Vox holte mit seinem "Song Clash" vor einem Jahr nur enttäuschende Marktanteile; und bei ProSieben wird man sich noch gut an den einmaligen Ausflug von "Musicshake by Rea Garvey" erinnern, der schon 2016 nicht bei der Zielgruppe verfangen wollte.
Nur sehr, sehr wenigen Formaten wie "Sing meinen Song" auf Vox ist es vergönnt, diesen Fluch zu durchbrechen. Umso großartiger, dass das seit einiger Zeit auch im vielgelobten Entertainment-Blockbuster "Wer stiehlt mir die Show" regelmäßig gelingt – und zwar ohne dass dafür ein spezifisch Musik-affines Publikum angesprochen würde.
Die Mighty Winterscheidts waren von Anfang an nicht nur fester Bestandteil der Show, sondern sozusagen auch selbst Trophäe, die jenen überlassen wird, die den Haupt-Host erfolgreich seines Jobs berauben, um ihn bei nächster Gelegenheit nach eigenen Wünschen umzugestalten – Band inklusive. Für Anke Engelke spielten sie unter dem Namen "Douze Points", als Mark Forsters "Betzebube" und für Nasenflöter Matthais Schweighöfer als "Mighty Matchas", die hernach noch gemeinsam den prognostizierten 2024er-Fake-Italo-Sommerhit "Quanta costa cinquecento fazzoletti" aufnahmen.
Ein Hit nach dem anderen
Am beeindruckendsten ist jedoch, wie sehr Florian Menzel (Trompete), Tobias Weidinger (Trompete), Juliane Gralle (Posaune), Simon Gattringer (Schlagzeug), Torsten Haas (E-Bass), Katharina Thomsen (Saxophon), Mark Wyand (Saxophon) und Renis Mendoza (Perkussion) mit den von Gabriel Denhoff (Keyboard) programmierten Soundwelten und den Arrangements von Band-Lead Moritz Stahl (Gitarre) ihre Anpassungsfähigkeit in den wechselnden Musikspielen zum Ausdruck bringen – und mit welcher unglaublichen stimmlichen Variation die Sängerinnen Buket Keskin, Lisa-Marie Neumann und Larissa Pesch jedes Mal überraschen.
Für "The Petting Petting Pistol Pistol Pistols" scratcht Keskin Lady Gagas "Pokerface" und Cyndi Laupers "Girls Just Wanna Have Fun" allein mit ihrer Stimme; für "Mein Name ist Song, Film-Song" werden Texte bekannter Filmszenen auf die Soundtracks völlig anderer Filme gesungen; bei "Blamieren oder sortieren" sind die Texte von Daftpunks "Get Lucky" und Lionel Richies "All Night Long" alphabetisch sortiert; und bei "Die Band hat 'nen Knall" werden Tyler Swifts "Anti-Hero" und Lou Reeds "Perfect Day" in der Bläservariante mit Pyrotechnikexplosionen ergänzt.
Bei "Background's Back, Alright" müssen die prominenten Kandidat:innen hinter den Pulten Justin Timberlakes "Cry Me A River" und Aretha Franklins "Respect" alleine am Background-Gesang erkennen; und für "OAE & KNSNNTN" Westernhagens "Freiheit" und Harry Styles "Watermelon Sugar" nur anhand der gesungenen Vokale bzw. Konsonanten.
80 verschiedene Titel pro Staffel
Für "Mein Lieber Herr Gesaugverein" spielt die Band "I Want it That Way" von den Backstreet Boys und Katja Ebsteins "Wunder gibt es immer wieder" teilweise mit Staubsaugern; bei "Erst ich, dann du, dann du, dann du" teilen sich die Bandmitglieder die Töne von Ed Sheerans "Shape of You" und Rick Astleys "Never Gonna Give You up" untereinander auf; und bei "Ich glaub ich dreh am Rad-IO" gilt es "Mrs. Robinson" von Simon & Garfunkel in der Alphorn- und "Despacito" von Luis Fonsi feat. Daddy Yankee in der Ethno-Version zu erkennen.
Bis zu 80 verschiedene Titel spielt die Band so pro Staffel (!). Dass vieles davon trotz teilweise komplizierter Arrangements nur drei- bis fünfmal (in dem "Schreinerei" getauften Übungsraum) geprobt werden muss, bis es sitzt, ist eigentlich unfassbar. Es veranschaulicht aber ganz gut, welche Profimusiker:innen sich hier zusammengefunden haben. Die allermeisten spielen sonst in den Bands oder singen im Background bekannter deutscher Künstler:innen, sie sind als Songwriter:innen aktiv oder haben eigene Titel herausgebracht.
Schnapsidee-Spiele wie "Dabei schrein ist alles", bei dem die Band den zu erkennenden Track nur dann spielt, solange die Kandidat:innen über einen vorgegebenen Lautstärkepegel schreien, sind die absolute Ausnahme.
Ehrfürchtig lauscht das ganze Studio
Dafür gehört der wiederkehrende "Song-Song-Song" unbestreitbar zu den Höhepunkten jeder "WSMDS"-Staffel: Dafür wird der Text eines bekannten Lieds mit der Musik eines anderen kombiniert – und es ist jedes Mal ein besonderes Erlebnis, wie gut etwa die Lyrics des Haftbefehl-Hits "Chabos wissen wer der Babo ist" auf die Melodie von Abbas "The Winner Takes it All" passen; oder die von "Ich war noch niemals in New York" zu "Dein ist mein ganzes Herz"; oder die von "Weinst du" zu "Mambo No. 5"; oder die von "1000 und 1 Nacht" zu "Yellow". Und wenn Sängerin Pesch "Für mich soll's rote Rosen regnen" mit der Melodie von Adeles "When We Were Young" verschmilzt, als seien beide eine seit jeher füreinander geschaffene Einheit gewesen, während die Kamera für zwei Minuten sanft durchs ehrfürchtig innehaltende Studio gleitet, dann verschlägt es einem zuhause auf dem Sofa schlicht die Sprache.
Geistesgegenwärtig hat die Redaktion in der zurückliegenden Staffel entschieden, die Kandidat:innen nicht mehr dazwischen buzzern zu lassen, wenn sie die beiden gesuchten Titel zu erkennen glauben. Stattdessen wird die Lösung jetzt auf dem Tablet aufgeschrieben und muss schnellstmöglich eingeloggt werden, um nachher den Punkt zu ergattern. So braucht die Band nicht mehr unterbrochen zu werden.
Dass die Mighty Winterscheidts derzeit im Anschluss an die Verabschiedung ausgeschiedener Teilnehmer:innen immer noch ein paar Sekunden länger spielen dürfen als bisher, ist trotzdem nur eine – sagen wir: unzureichende Belohnung für diese Mühen.
Gesungene Spiele am laufenden Band
Eigentlich müsste Winterscheidt demnächst einmal freiwillig seinen Platz bei "WSMDS" räumen – um der Band das auszuhändigen, was sie sich nach sieben Staffeln wirklich redlich verdient hätte: die ganze verdammte Show! Damit sich anschließend zumindest einmalig ein Best-of der geballten Quiz-Musikalität in Überlänge demonstrieren ließe, mit gesungenen Spielen am laufenden Band. Wäre das nicht viel besser als jede leere Versprechung und jeder schnöde Preis, mit dem man den Mighty Winterscheidts um die Ecke kommen könnte?
"Wir können das Panel immer wieder austauschen, wir können mich austauschen – aber diese Show ohne euch, wäre nicht diese Show", hat Joko gerade zu Beginn der aktuellen "WSMDS"-Staffel gesagt. Es wird allerhöchste Zeit, daraus die Konsequenzen zu ziehen.
Selbst, wenn sich die Mightys heute Abend mal ganz, ganz kurz von einem 460 Mitglieder starken Holzblasinstrument-Laienorchester die Show stehlen lassen müssen.
Und damit: zurück nach Köln.
ProSieben zeigt "Wer stiehlt mir die Show?" am heutigen Sonntagabend wieder ab 20.15 Uhr.