Nach zwei Monaten Weihnachts-, Neujahrs- und Dschungelcamp-Pause meldete sich Klaas Heufer-Umlauf in der vergangenen Woche mit "Late Night Berlin" zurück bei ProSieben, direkt beklagend, dass sein Haussender der kleinen Showreihe nicht ganz das Budget gewähre, das er sonst gewöhnt sei: "Ich will Pyrotechnik für 20.000 Euro, ein permanentes Streichorchester, zwei einradfahrende Elefanten!"
Die gute Nachricht ist: Erwirtschaftet hätte ProSieben eine solche Aufstockung allemal, nachdem vor "LNB" fast zweieinhalb Stunden "Die abgebrühtesten Tier-Momente" in "Darüber staunt die Welt" liefen, der kostengünstigen Dauerwurst im deutschen Privatfernsehen.
Die reiht nun schon seit fast vier Jahren "die wildesten Pannen weltweit" aneinander, und zwar immer dann, wenn in Unterföhring gerade wieder jemand darauf achten muss, bei der vorläufigen Bekanntgabe der Geschäftszahlen dank "schlanker Kostenstruktur" positiv überraschen zu können – oder halt, weil gerade niemand Bock hatte, sich für diesen Abend echtes Fernsehprogramm auszudenken.
Leichter lässt sich im Fernsehen kaum Geld verdienen
So gibt man sich beim zweit- bis drittgrößten Privatsender des Landes auch mal damit zufrieden, dass die Abendunterhaltung des Publikums aus um die Wette rennenden Straußen, vom Tisch fallenden Katzen, im Schlaf umplumpsenden Hamstern, ballonpimpernden Karnickeln, zähneputzenden Ratten, Kinder umrammenden Schafen sowie obsthelmtragenden Haustieren und ihren "Dusselherrchen" besteht.
Wobei "Darüber staunt die Welt" natürlich im zugehörigen Genre nichts Neues ist, im Speziellen sogar: bloß die ProSieben-Variante des Sat.1-Vorbilds "111 …", das mit wechselnden Zusatztiteln bereits seit 2017 zur Unterföhring'schen Programmbudgetschonung beiträgt, weil bloß ein paar aus dem Internet und diversen Spezialarchiven zusammengeklaubte Pannenclips aneinander getackert und ein launiger Off-Text drübersynchronsiert werden muss: Moderator:in gespart, Studio gespart, Kreativarbeit gespart.
Leichter lässt sich im werbefinanzierten Fernsehen kaum Geld verdienen – jedenfalls so lange am Ende noch im Schnitt 910.000 Zuschauer:innen aus der Kernzielgruppe eingeschaltet haben und zwischendrin in der Werbepause hängen geblieben sind wie davor der Hamster an der Tischkante.
Max Schautzer ist Schuld
Die Geschichte der Clip- und Pannenshows im deutschen Fernsehen geht bis in die Urzeit (1986) zurück, als Max Schautzer als Co-Moderator eines Cartoon-Rabens fürs Erste "Pleiten, Pech und Pannen" anmoderierte, bevor Tele 5 und RTLzwei mit "Bitte lächeln" daran anknüpften und Super RTL mit "Upps! Die Pannenshow" Anfang der 2000er bewies, dass witzige Minivideos im linearen Fernsehen trotz zunehmender Verbreitung der größten senderunabhängigen Clipshow der Welt, dem Internet, weiter Bestand haben können – so lange man sich überdurchschnittlich viel Mühe mit ihrer Betextung gibt.
Die neuzeitliche ProSieben- und Sat.1-Variante sind wiederum Beleg dafür, dass man sich selbst das sparen kann. Und es völlig ausreicht, aus kopfanschlagenden, falsch abbiegenden, ausrutschenden "Vollpfosten und Pappnasen" einfach "111 begnadete Blitzbirnen" zu machen. Oder halt Kartoffelbillardspieler, Duschschlauchbeschwörer, Kofferbandstolperer, Mülltonnenhüpferinnen, Schnelltrinker und Hosenreinspringer als "111 absolute Alleskönner" zu titulieren – und die Chuzpe zu besitzen, das in der A-Liga des deutschen Fernsehens für zweieinhalb Stunden in die Primetime zu rammen, ohne Sorge zu haben, dass einem deswegen der Sender abrauscht.
Die Erfolgsingredienzen der Clipshows haben sich seit jeher nicht verändert: eine Slomo-Wiederholung des gerade schon gezeigten Unfalls, die situative Anreicherung mit witzigkeitsverstärkenden Geräuschen (Quietsch, Knirsch, Rumms) und die Nachvertonung der Menschensprache nicht mächtiger Tiere sind ein Muss.
Gag kommt in 3, 2, 1 …
In "111 …" weist Sat.1 zusätzlich am Bildschirmrand mit einem rückwärts laufenden Countdown darauf hin, wann genau der Gag des jeweiligen Clips erwartet werden kann: noch 3, 2, 1 … Boing!
Das ist – aus der Rentabilitätsperspektive – ein Traum; und aus Sicht all jener, die daran anschlussprogrammiert sind, meist das exakte Gegenteil, wie 3,5 Prozent Marktanteil für die "Late Night Berlin"-Rückkehr am Dienstag eindrucksvoll belegen. Wobei Heufer-Umlauf in diesem Fall vielleicht auch einfach erleichtert ist, den Quatsch nicht mehr selbst anmoderieren zu müssen, so wie einst "Super Spots – Die besten Clips im Umlauf". Und sich wenigstens in den Exklusivvertrag hat schreiben lassen, zwar gerne im Anschluss an wippende Ponys, schinkenbrotfrisbeefangende Braunbären, pfeifende Walrosse, jengaspielende Hunde, miniskateboardfahrende Wellensittiche, wasserfarbenmalende Chamäleons, staubsaugende Schimpansen und Cornflakes schlabbernde Waschbären aufzutreten …
… aber halt nicht nach Rehkuhattrappen rammelnden Hirschen mit verpixeltem Organ, denen ihr Fauxpas erst aufgeht, als der Plastikpartnerin zum Schluss der Kopf abfällt, während Michelles "Wer Liebe lebt" dazu läuft: völlig zurecht Platz 1 bei "111 tierische Teufelskerle" in Sat.1!
Spiel's nochmal, Sat.1!
Dort scheint man sich selbst im Klaren darüber zu sein, dem Senderpersonal nicht zumuten zu können, hernach auf die Bühne zu müssen, weswegen im Anschluss an "111 …" freitags einfach gerade noch eine Folge "111 …" läuft. Und dann nochmal die erste. Und dann nochmal die von danach, bis tief im Nachtprogramm "Die dreisten Drei" von vor zwanzig Jahren übernehmen, die sich seit jeher gegen keinen Wiederholungseinsatz gewehrt haben.
Aber, hilft ja nix: Ein paar Mal im Jahr tragen der Shabby Tuesday auf ProSieben und der Cheap-Junk Friday in Sat.1 dazu bei, dass sich die Redakteur:innen der verbliebenen TV-Programmzeitschriften zeilenweise Bullshit abringen müssen, um die Abendspalte vollzutexten – und ProSiebenSat.1-Vorstandschef Bert Habets die Programmbudget-Schatulle nur einen ganz, ganz kleinen Spalt weit zu öffnen braucht, um die Betreiber:innen seriöser Clip-Zulieferer wie Newsflare, Collab Clips und Junkin Clips zu entlohnen, während der Rest einfach bei Instagram und TikTok gemopst wird.
Einmal im Jahr sucht die sendegruppeneigene Produktionsschmiede Red Seven Entertainment eine neue beim Kopulieren umfallende Giraffe aus, um ihr zu eröffnen, dass sie "fortpflanzungstechnisch eine Katastrophe" sei, "aber in der B-Note nicht schlecht" – fertig ist eine weitere zeitlos schöne Ausgabe "111 …", die sich so oft wiederholen lässt, dass es der Finanzplanung ganz schwindelig wird vor Glück.
Einfach nicht totzukriegen
Auch in der konkurrierenden RTL-Gruppe ist man sich dieses Segens durchaus bewusst, bürdete Frank Buschmann und Jan Köppen zuletzt aber trotzdem nur kurz "Die lustigsten Homevideos der Welt" auf, und scheint sich vorerst damit zufrieden zu geben, "Upps!"-Urgestein Monty Arnold im RTL-Super-Nachtprogramm über fertig eingekaufte Auslandsclipshows drüberquatschen zu lassen: "Kamera läuft! Die besten Clips aus dem Netz".
Und wenn all das eines bewiesen hat, dann ja wohl: dass Clip- und Pannenshows im Fernsehen einfach nicht totzukriegen sind – nicht jedenfalls, so lange noch genügend cabriofahrende Schafe, deosprayende Hunde, panierfischraubende Möwen, keyboardspielene Hühner, gitarrezupfende Tauben, tanzende Spinnen und ohnmachtsimulierende Hunde übrig sind, zwischen denen sich ein bisschen Werbung zeigen lässt.
Oder wie's bei "111 …" hieße: Inhaltstechnisch eine Katastrophe, aber in Sachen Banknote nicht schlecht.
Und damit: zurück nach Köln.
ProSieben zeigt eine neue Ausgabe "Late Night Berlin" am Dienstag im Anschluss an "Darüber staunt die Welt: Die ultimativen Knalltüten"; Sat.1 kontert am Freitag ab 20.15 Uhr mit "111 komische Knallköpfe".