Peter Alexander kam sie lustvoll herunter getänzelt, Rudi Carrell hat gerne keck für Pressefotos drauf gesessen, Paola und Kurt Felix standen stets zu zweit auf ihr: Bei den ganz Großen der Unterhaltungsbranche gehörte sie über viele Jahre ganz selbstverständlich zum Inventar am Arbeitsplatz. So lange, bis sie aus unerfindlichen (möglicherweise versicherungsrechtlichen?) Gründen in Ungnade fiel und die Entertainerinnen und Entertainer ihre Studios plötzlich vorrangig ebenerdig beschreiten wollten.
Aber jetzt feiert die Showtreppe endlich ein Comeback in deutschen TV-Studios! Und das wird ja wohl auch allerhöchste Zeit. Weil kein anderes Möbelstück so sehr vom Glamour der Bewegtbildunterhaltung kündet wie sie.
Ratepulte mit ihren sich dahinter verschanzenden, blind drauflos buzzernden Kandidatinnen und Kandidaten wirken selbst mit greller Illuminierung oft behördenhaft statisch. Immer größer werdende LED-Wände hinterlassen einen unangenehm protzigen Eindruck. Und ich tippe, Sie sind alt genug, um zu verkraften, wenn ich Ihnen verrate: Die Zaubertür aus der "Mini Playback Show" von früher gab es gar nicht, das war bloß ein optischer Effekt!
Geprägt von bescheidener Zeitlosigkeit
Die Showtreppe hingegen zeichnet sich durch bescheidene Zeitlosigkeit aus. Sie liefert ihrem Publikum ein unumstößliches Versprechen: Dass jede Sekunde eine prominente Überraschungsgästin oder ein prominenter Überraschungsgast auf ihr herabsteigen wird, um uns eine gute Zeit zu bescheren, bestenfalls schon im Laufe dieses Prozesses mit seiner Performance voranschreitet oder dem Studiopublikum zumindest die Gelegenheit gibt, seiner aufbrandenden Begeisterung klatschenden Ausdruck zu verleihen.
Dass die Wiederentdeckung dieses Designelementeklassikers der Showbranche auch kecke Neuninterpretationen mit sich führt, liegt in der Natur der Sache. Nirgendwo sonst wird das so eindrucksvoll sichtbar wie im ProSieben-Erfolg "Wer stiehlt mir die Show?", dessen Showtreppe nicht nur als Provokation für das an akuter Ebenerdigkeit leidende Quiz-Genre gewertet werden muss; sondern auch für ihre erst im Laufe der Sendung entwickelte Vielseitigkeit in der Nutzung gelobt.
Als wahrscheinlich schmalste und steilste ihrer Gattung hat sie ohnehin bereits TV-Geschichte geschrieben. Und obwohl man sie eigentlich gar nicht richtig sieht, weil sie hinter der Live-Band im rie-hiesigen "WSMDS"-Studio auch noch mit einer parallel zu ihr verlaufenden XXL-Touchbar verkleidet ist, gilt sie als echter Hingucker.
Die eine steil, die andere breit
"Diese Treppe ist sehr lang, aber sie ist genau richtig für den größten Showauftritt im deutschen Fernsehen", prahlte Joko Winterscheidt in der zurückliegenden Staffel in einer der seltenen von ihm selbst moderierten Ausgaben während seines von Lichtgewittern begleiteten Abstiegs ...
... bevor die Vielgelobte zu einem späteren Zeitpunkt in der Sendung zu noch größeren Ehren kam: Im Spiel "You can hide" raste Teilnehmer und (seitdem) erklärter Treppenfreund Mark Forster alle 31 Stufen hinauf, um sich dort zu verstecken und leise Quizfragen zu beantworten, bevor er triumphierend und von den anderen ungefunden als Sieger wieder hinab stolzierte. Und man muss konzedieren: Nie hat sich im deutschen Fernsehen jemand schöner auf einer Treppe unsichtbar machen können. (Außer vielleicht Riccardo Simonetti direkt danach.)
Als breitstufiger Gegenentwurf beeindruckte in den zurückliegenden Wochen zudem die Showtreppe (19 Stufen) im neu gestalteten Studio von "Deutschland sucht den Superstar", das im April mit einer spektakulären Inszenierung auf ihr in die Liveshows startete. Passend zum gewählten 80er-Jahre-Motto tanzten die Finalistinnen und Finalisten zu "Girls Just Wanna Have Fun" bzw. "Wild Boys" auf den meterlangen Treppenabsätzen aufeinander zu, um schließlich die zwischen ihnen durchlaufende Jury aus Toby Gad, Ilse de Lange und Florian Silbereisen fordernd mit Queens "I Want It All" anzusingen, bevor Moderator Marco Schreyl Fistbumpend hinterher kam.
Leider wurde das durchaus imposante Stufenbauwerk anschließend nur noch spärlich in die Dramaturgie des Gesangswettbewerbs eingebaut und mit ihrer Frontilluminierung eher als in den riesigen Videoscreen integrierte Zweitabspielfläche genutzt – was höchst bedauerlich war.
Die Schlagershow-Umsetzung von M. C. Escher
Nicht weniger verschwenderisch geht die im vergangenen Jahr gestartete "Giovanni Zarrella Show" im ZDF mit ihren Showtreppen um, die gleich mehrfach in die Kulisse eingelassen sind: eine sich links und rechts um Zarrellas Talk-Couch herumschmusende (13 Stufen), die bislang nur vereinzelt zur Beklatschung besonders verdienter Branchengrößen genutzt wird (zuletzt, ähm: Rolf Zuckowski); eine weitere, die zwischen Zarrellas Live-Band auf eine Nebenbühne hinabführt; und diverse Extratreppchen, die immer dann aufgebaut werden, wenn es für den Namensgeber der Veranstaltung ein Duett zu schmettern gilt: mit Matthias Reim "Verdammt ich lieb dich" (selbstverständlich teilweise auf Italienisch umgetextet) oder mit Wincent Weiss "Musik Sein".
Die April-Show aus Berlin begann sogar mit einer extra Zusatztreppe, auf der Zarrella hinter in Blütenformation zur Seite verduftenden Tänzerinnen neben vier Fast-Doppelgängern im ihm auf den Körper gewachsenen Zweireiher auftauchte, um – "Uohoh", "Nananananana" – zu den Anfangstönen von "(I Can't Get No) Satisfaction" die Steadycam heranwinkend seitlich die Stufen hinauf tänzelte, bevor er – Bläser im Hintergrund, Kameradrehung – den "Samstagabend der Superstars" mit "Let's Go!" offiziell eröffnete und, "Buena Sera, Berlino!", nahtlos zu Marianne Rosenbergs "Er gehört zu mir" überging (selbstverständlich teilweise auf Italienisch umgetextet).
In seiner ganzen überraschenden Unübersichtlichkeit entsprach das in etwa der TV-Schlagershow-Umsetzung von M. C. Eschers bekannter Lithographie einer Treppen-Welt, in der die normalen Gesetze der Schwerkraft nicht gelten. Und wer weiß, angesichts guter Quoten überlegt man in Mainz wahrscheinlich gerade, diese Art Intro künftig showübergreifend zur Pflicht zu machen. (Außer für Andy Borg.)
Alles egal, Hauptsache Treppe, Treppe!
Carolin Kebekus hat in ihrem neu gebauten "DCKS"-Studio sogar auf den Klassiker bestanden! "Mir war ja [sonst] alles egal! Was wollen wir bauen? Treppe, Treppe! Jeden Tag hab ich angerufen! Was ist mit der Treppe? Ich bin so froh, dass wir eine haben!" (5 Stufen). "Das Geile ist: Man muss hinten aber erstmal eine Treppe hoch, bevor man hier wieder runter kann!" Wobei Kebekus im gleichen Atemzug gestand: "Ich geh da nie hoch oder runter. Das ist nur für die Gäste. Aber egal." (Sechs Stufen rauf, fünf runter, wie Erstbenutzer Bastian Pastewka später vorrechnete.)
Wobei: wirklich egal? Zur bedrückenden Wahrheit gehört schließlich auch, dass viele Treppen trotz prominenter Positionierung weiterhin stiefmütterlich behandelt werden. In der Neuauflage von "TV total", der man bei Raab TV ebenfalls eigens ein neues Stu… – nee, Moment: der man bei Raab TV extra einen geringfügigen Umbau des "Täglich frisch geröstet"-Studios in Form eines ersten Stocks spendiert hat, lässt Sebastian Pufpaff die 15 sich um 90 Grad zu einem Schreibtisch hinabschwingenden Absätze stets links liegen – und rutscht stattdessen an der daneben installierten Feuerwehrstange aufs Niveau der folgenden 45 Minuten herab.
Das Riesenteil (höhöhöhö) wird gerade mal dazu gebraucht, spontane Gastauftritte von Guido Cantz zu tragen oder ehemalige Kandidatinnen bzw. Kandidaten von "Germany's Next Topmodel" und "Love Island" zum Hintergrundgespräch zu bitten. Selbst Elton tapst für "Blamieren oder Kassieren" weiter direkt aus der Erdgeschosskulisse heraus.
Akuter Fall von Stufenverweigerung
Noch größer ist eigentlich bloß die Schmach, die die Treppe bei "Denn Sie wissen nicht, was passiert" auf RTL zu erdulden hat: Als ungeeignet für die reguläre Kulisse eingestuft, fristet sie ihr Dasein im Publikumsraum unterhalb der Kommentatorenkabine von Thorsten Schorn. Als ob dies noch nicht genug wäre, bedient der auch noch einen seitlich daran angebrachten Minifahrstuhl, um den ahnungslos auf der Bühne agierenden älteren Showgranden ihre Moderationskärtchen hinab zu schicken, damit sich niemand dafür treppauf oder -ab bewegen muss. Ein akuter Fall von Treppenverweigerung.
Es gibt also, allen Anstrengungen zum Trotz, unübersehbar Verbesserungsbedarf bei der Reintegration des lange Zeit unterschätztesten TV-Möbels im deutschen Unterhaltungsfernsehen – aber mindestens genauso viel Hoffnung, dass das Comeback gelingt. Notfalls halt: stufenweise.
Und damit: zurück nach Köln.