"Was soll ich denn jetzt mit mir anfangen?", ächzt Krapp am Ende des neunzigminütigen Ritts über die größte der Kanarischen Inseln, dem neuen Handlungsort des an Action und Quatsch nicht armen "Balko"-Comebacks, weil er gerade wegen ungewollten Social-Media-Ruhms von der Heimat aus in den Vorruhestand als Ministerialdirigent versetzt worden ist. Und Kumpel Balko kriegt daneben direkt ein Funkeln in den Augen: "Ich hätte da schon eine Idee."
In der letzten Szene sitzen die beiden einander zuprostend am Strand, hinter ihnen steht auf einem Schild: "Balko & Krapp – Agencia de detectives". "Und du glaubst wirklich, da kommt jemand?", fragt der eine. Worauf der andere meint: "Ich hab da ein sehr gutes Gefühl."
Kann also losgehen mit der neuen Berufung – und dem nächsten "Balko: Teneriffa"-Dreh!
Regelmäßig schöne acht Millionen
Ob es den Zuschauerinnen und Zuschauern vergönnt sein wird, die beiden Kult-Kommissare aus den Neunzigern nochmal als Privatdetektive unter der Sonne Teneriffas ermitteln zu sehen, ist nach diesem Donnerstag allerdings ungewiss. Denn die in Filmlänge zelebrierte Wiederkehr, die sich allergrößte Mühe gab, die Vulkaninsel instagramdurchgefiltert wie Miami aussehen zu lassen, kam beim Publikum in der linearen Ausstrahlung eher so mäh an – trotz tempo- und ulkreicher Reprise zwischen zwielichtigen Waffenhändlern, korrupten Polizisten und Uschi Glas.
Dabei liegt die Idee eigentlich nahe: Man nehme Charaktere aus der Glanzzeit des Privatfernsehens, plane ihnen ein modern aufgemotztes Reboot und spendiere dafür in unregelmäßigen Abständen 90 Minuten Sendezeit, anstatt sie in die Mühlen einer wöchentlichen 45-Minuten-Ausstrahlung zu schicken, für die sich im Streaming-Zeitalter ohnehin niemand mehr regelmäßig freinehmen mag.
Aus diesem Grund sind Film-Reihen im deutschen Fernsehen schon seit langem die besseren Serien. Und ARD und ZDF mit genau dieser Strategie seit Jahren erfolgreich. Im Ersten sammelt "Nord bei Nordwest" regelmäßig zwischen acht und zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein, und zwar nicht trotz, sondern vermutlich wegen der sehr dosierten Ausstrahlung – erst mit einem, später mit zwei und inzwischen mit drei bis vier neuen Fällen pro Jahr. Das ZDF macht es mit seinem Grenzgebietermittler-Team bei "Die Toten vom Bodensee" seit 2014 genauso und wurde zuletzt ebenfalls mit rund acht Millionen belohnt.
Warum klappt das nicht im Privatfernsehen?
Die Liste der unregelmäßig gesendeten Erfolgs-Film-Reihen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist lang: "Marie Brand" (ZDF, seit 2008), "Stralsund" (ZDF, seit 2009), Kroatien- und Amsterdam-Krimi (Das Erste, seit 2016 und 2018), "Friesland" (ZDF, seit 2009), "Mordkommission Istanbul" (Das Erste, 2008 bis 2021), "Lena Lorenz" (ZDF, seit 2014) usw. Gerade hat das ZDF "Kolleginnen" mit Caroline Peters und Natalia Belitski neu gestartet – bumms, Tagessieg.
Warum sollte das nicht auch im Privatfernsehen klappen, muss sich RTL im Zuge seiner Neupositionierung gedacht haben – und ließ außer "Balko: Teneriffa" auch schon die Fortsetzung von "Alarm für Cobra 11" als "Event-Filmreihe" mit vorerst drei neuen Fällen in Spielfilmlänge produzieren.
Doch die Antwort auf diese Frage scheint komplizierter zu sein als gedacht. Zumindest haben sich die Privaten auch schon in früheren Jahren eher schwer mit der Eventisierung durchaus gut erzählter Geschichten mit wiederkehrenden Charakteren getan. Vor genau zwanzig Jahren schickte Sat.1 erstmals Corinna Harfouch als unkonventionelle Ermittlerin "Eva Blond" mit ihrem Assistenten Alyans (gespielt von Erdal Yildiz) durch Multikulti-Berlin, um kuriose Kriminalfälle zu lösen (notfalls auch als Mann verkleidet) – und das war für damalige Verhältnisse nicht nur ungewöhnlich, sondern auch äußerst sehenswert. Über sechs Filme kam "Blond: Eva Blond", für das u.a. Hermine Huntgeburth (Episode "Der Zwerg im Schließfach") und Achim von Borries (Episode "Epsteins Erbe") Regie führten, aber traurigerweise nie hinaus.
Ungewöhnliche Charaktere, schlampig programmiert
ProSieben zeigte 2008 die von Philipp Kadelbach ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") inszenierte und Sascha Schwingel (heute Deputy Head of TV & Entertainment von RTL) produzierte Serie "Unschuldig", in der Alexandra Neldel als taffe Rechtsanwältin und Clemens Schick als am Rande der Legalität ermittelnder Ex-Polizist alte Kriminalfälle neu aufrollten – was auch visueller Hinsicht sehr geklungen war, aber beim Publikum halt trotzdem kein Hit.
Ein bzw. zwei Jahre später versuchte der Sender, die Grundidee mit Neldel als Film-Reihe unter den sehr dämlichen Titeln "Killerjagd. Töte mich, wenn du kannst" und "Killerjagd. Schrei, wenn du kannst" eine zweite Chance zu geben – vergeblich.
2010 holt ProSieben schließlich Christoph Maria Herbst als schrulligen Polizisten vor die Kamera und wurde zur Premiere von "Kreutzer kommt" mit einem ordentlichen Marktanteil in der Zielgruppe belohnt – den Film Nummer zwei nach längerer Pause dann aber halbierte. Und schon war wieder Schluss.
Was wirklich sehr, sehr schade ist – weil ich mir sehr gut hätte vorstellen können, mich von all diesen auf ihre Weise ungewöhnlichen Charakteren noch eine ganze Weile unterhalten zu lassen. Angesichts enttäuschender Quoten war allerdings keiner der Produktionen eine längere Existenz vergönnt, was zu großen Teilen aber gar nicht den Filmen selbst anzulasten sein dürfte, sondern vor allem: ihrer teilweise kurios schlampigen linearen Programmierung.
Der nächste Kandidat steht schon Schlange
Sat.1 streckte die Ausstrahlung von sechs "Eva Blond"-Filmen über vier Jahre und schob die letzten beiden auch noch auf den undankbaren Sendeplatz am Mittwochabend um 22.15 Uhr. Der zweite "Kreutzer kommt" war für den ProSieben-Samstagabend ganz offensichtlich viel zu kammerspielhaft. Und bei RTL müsste mal jemand erklären, warum man "Balko: Teneriffa" ausgerechnet am Donnerstagabend gegen die etablierten Filmreihen-Erfolge "Amsterdam-Krimi" im Ersten und "Lena Lorenz" im ZDF ins Rennen schicken musste, anstatt seinen Comeback-Kommissaren zum Auftakt ein weniger windiges Sendeplätzchen zu suchen.
Mag also sein, dass die Privatsender ein Stück weit selbst Schuld daran sind, die von den öffentlich-rechtlichen scheinbar so mühelos etablierte Strategie nicht für eigene Erfolge nutzen zu können. Aber das spricht eigentlich bloß dafür, es weiter zu versuchen.
Der nächste Kandidat steht bereits Schlange: In der neuen Woche läuft bei RTL erstmals "Einsatz in den Alpen" mit Jochen Matschke und Peter Fieseler als ungleichen Brüdern Tom und Sebastian Falk beim Alpin-Kommando der Innsbrucker Polizei, die – mit höchst unterschiedlichen Methoden – dem "Armbrust-Mörder" das Handwerk legen wollen und dafür ein paar abenteuerlicher Begegnungen mit den Urgewalten der Berge riskieren. Was zu diversen wirklich spektakulären Action-Einlagen führt, die in dieser Form im deutschen Fernsehen so noch nicht zu sehen gewesen sein dürften. (Helikopter und Esel inklusive.)
Ein völlig anderes Tempo
Ohne zuviel zu verraten: Am Ende steht Matschke alias Tom Falk in beeindruckender Alpenkulisse und schaut dem Publikum fast in die Augen: "Ich werd' den Job nicht hinschmeißen. Ich fang grad erst an." Wieder so ein Versprechen, von dem nicht ganz klar ist, ob es eingelöst werden kann, weil sich "Einsatz in den Alpen" am Donnerstag erst noch gegen die Filmkonkurrenz von ARD und ZDF behaupten muss.
(Auch wenn RTL diesmal darauf hoffen mag, dass sich ein paar eingefleischte "Bergdoktor"-Fans auf dem gewohnten Sendeplatz zur Alpen-Action der Kölner Konkurrenz lotsen lassen.)
Ein Erfolg wäre dem Bergspektakel ebenso zu wünschen wie "Balko: Teneriffa" die Doch-noch-Fortsetzung, weil sich beide Produktionen ein ganz anderes Tempo bzw. eine völlig andere Bildsprache trauen als man das von zahlreichen öffentlich-rechtlichen Produktionen gewöhnt ist. (Und spanisch sprechende Charaktere!) Oder wie Krapp am Donnerstag zu Balko meinte: "Wir waren damals schon'n richtig geiles Team." Stimmt. Fehlt nur noch ein richtig geiler Sendeplatz.
Und damit: zurück nach Köln.
RTL zeigt "Einsatz in den Alpen: Der Armbrust-Mörder" am Donnerstag um 20.15 Uhr; "Balko: Teneriffa" ist bei RTL+ abrufbar; fünf von sechs "Eva Blond"-Filmen stehen bei Joyn Plus+ zum Abruf bereit.