Kurz vorm Finale war Frank Rosin noch mal so richtig stolz – auf sich selbst: "Das ist das wichtigste, schwierigste, schönste Projekt, die schönste Arbeit, die ich je gemacht habe. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass soviel Nähe, soviel Bindung entsteht", erklärte er den Schützlingen seines TV-Projekts "Rosins Heldenküche" beim gemeinsamen Essen im Nobelrestaurant – kurz bevor er Kandidat Pascal wegen ständiger Widerworte rauswarf und der verbliebenen Gruppe am nächsten Tag ankündigte, dass sie "heute noch alles vermasseln" könne. In der Sternegastronomie und im Reality-Fernsehen weht halt ein besonders rauer Wind.
Dabei hatte es zwischendurch so ausgesehen, als könne die Kabel-Eins-Reihe einen untypisch positiven Einfluss haben auf die zehn jungen Leute, die "ganz unten angekommen" waren, auf dem regulären Arbeitsmarkt unvermittelbar, und die dank Rosin nun auf "die Chance ihres Lebens" hoffen durften: einen Ausbildungsplatz bei ihrem Mentor oder einem von dessen (ausschließlich männlichen) Kochkollegen.
Fester Arbeitsplatz im Finale
Und tatsächlich: An diesem Donnerstag bekamen Andre, Kasia und Dominik die Zusage für einen festen Arbeitsplatz in einem der versprochenen Restaurants; Mitbewerberin Pia kann zumindest ein verlängertes Praktikum machen, um in dieser Zeit noch ihre Ausbildungseignung zu beweisen.
Und so sehr der Sender diesen Erfolg auch bejubelt – am Ende von "Rosins Heldenküche" bleibt gleich in mehrfacher Hinsicht ein fader Beigeschmack.
Dass, wie DWDL.de recherchiert hat, unter den zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern drei waren, die es offensichtlich weniger auf den versprochenen Job abgesehen hatten und die "Heldenküche" eher zum Erwerb laiendarstellerischer Erfahrungen nutzten, ist nur ein Problem von vielen. Und zwar weniger, weil die Betroffenen offensichtlich nicht so ehrlich waren, wie sie es anderen vorgegaukelt haben – sondern weil Sender, Produktionsfirma und der Namensgeber der Sendung die Verantwortung dafür komplett von sich weisen. (Was ein generelles Problem dieser Produktion zu sein scheint; gleich mehr dazu.)
Natürlich wäre es die Aufgabe von Rosin und RedSeven Entertainment gewesen, sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Mission, für die sie sich beworben haben, so ernst meinen, wie es "Rosins Heldenküche" seinem Publikum über mehrere Wochen referiert hat – immer und immer wieder.
In der Bauchbinde immer Versager
Es ist auch insofern bemerkenswert, weil die handwerkliche Versiertheit, die der Sternekoch seinen Schützlingen im Laufe des Projekts abverlangte, seitens der TV-Zuständigen selbst schmerzlich zu vermissen war.
Das Format kann sich zwar anrechnen lassen, demonstriert zu haben, wie positiv sich Menschen entwickeln können, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt; welch ungeheure Motivation es sein kann, positives Feedback auf seine Arbeit zu erhalten; und wie wichtig es ist, zu erkennen, dass man sich durch eigenes Handeln aus einer aussichtslos scheinenden Situation befreien kann.
Gleichwohl hat die Sendung ihren Protagonistinnen und Protagonisten immer wieder den Stempel aufgedrückt, von dem sie sie eigentlich befreien wollte. Über sechs Wochen wurde jedes Zuspätkommen, jeder Patzer zigfach ausgeschlachtet und wiederholt; selbst als die meisten schon eine unverkennbar positive Entwicklung durchlaufen hatten, waren sie in den Bauchbinden immer noch die Versager von früher: Pia "hat die Schule mit 18 Jahren abgebrochen", der "ehemals drogensüchtige Brian" hat bloß "einen Hauptschulabschluss", und "der vorbestrafte Andre" über 1.000 vergebliche Bewerbungen geschrieben.
Gleichzeitig wurde in jeder Folge bis zur Erschöpfung wiederholt, wie groß die Gelegenheit ist, die in den Küchen anerkannnter Spitzengastronomen auf sie wartet. (Bevor der Off-Kommentar Minuten vor Ende der letzten Episode plötzlich ein "Möglicherweise" und mehrere "Vielleichts" in sein Standardsprüchlein einflocht, weil doch nicht alle beteiligten Gastronomen tatsächlich Ausbildungsplätze vergeben würden.)
Kein Vertrauen ins Publikum
Die komplette "Heldenküche" war für eine Fernsehnutzung gemacht, bei der nach jeder Werbepause wieder von neuem erklärt werden muss, um was es eigentlich geht und wer all die Leute sind. Anders als "Rosins Restaurants" war das Format aber von Anfang an keines, mit dem sich ein besonders ungeduldig die Sender wechselndes Publikum hätte einfangen lassen (wie es Kabel Eins sonst gewohnt sein mag und die dürftigen Zuschauerzahlen für die lineare Ausstrahlung eindrucksvoll belegen).
Entweder man interessierte sich für die Entwicklung der Heldinnen und Helden in Rosins Küchen-Bootcamp – oder nicht.
Den Zuschauerinnen und Zuschauern, die über alle Folgen dabei bleiben wollten, machte es die Produktion maximal schwer, nicht an der Repetitivität des bereits Gesehenen zu verzweifeln. Und den Aufwand, zumindest für die kostenpflichtige Streaming-Verwertung auf Joyn Plus aus den völlig überdehnten Folgen sechs aufs Wesentliche konzentrierte Einstünder zur schneiden, scheint man in Unterföhring auch als zu lästig verworfen haben.
So ist "Rosins Heldenküche" vor allem ein Paradebeispiel dafür, wie sehr Reality-Fernsehen mit seinem behauptetem Anspruch absaufen kann, wenn die Verantwortlichen kein Vertrauen darin haben, ihre Geschichte für ein wiederkehrendes Publikum zu erzählen.
Dazu kommt Rosins offensichtliche Nichteignung, ruhig und besonnen auf die Fehler von Menschen zu reagieren, die fast ohne Vorerfahrung und in kürzester Zeit eine gastronomische Grundausbildung absolvieren sollen, während sie parallel von drei Kamerateams gefilmt werden, welche jede schwache Minute, jede falsch gewürfelte Tomate und jede vermasselte Tortilla festhalten, um sie rechtzeitig zum nächsten "Leistungscheck" – Pardon: zum "gefürchteten Leistungscheck" – wieder auspacken zu können.
Brüllen, schimpfen, Tschuldigung
Noch schwieriger ist, wie sehr die Produktion unterschätzt hat, welche Verpflichtung für die Beteiligten sie mit ihrem Vorhaben auf sich nimmt. Das muss sich zuallererst Rosin selbst vorwerfen lassen, der seinen Azubi-Anwärterinnen und Anwärtern zwar von Anfang an Disziplin und Respekt abverlangte, ohne dem aber selbst gerecht zu werden.
"Hör mir zu, wenn ich mit dir rede!", "Was du da machst, ist alles falsch", "Wenn du jetzt noch ein Wort sagst, kannst du nachhause gehen", drohte der Dorstener in einer Tour durch die Küche. Und fasste nachher vor Obstschalendeko mit Rosin-typisch ausladenden Handbewegungen – dem Eierschneider, der Bowl, dem Garagentor – nochmal für die Kamera zusammen, was trotz seiner Anweisungen alles falsch gemacht wurde. (Anders übrigens als Gastjuror und Kollege The Duc Ngo, der im Finale in gemäßigtem Tonfall versuchte, die eskalierende Küchensituation zu retten – und dabei soviel Ruhe ausstrahlte, dass man ihm am liebsten augenblicklich die Leitung des Gesamtprojekts übertragen hätte.)
Einmal brüllte Rosin Schützling Brian vor versammelter Mannschaft zusammen, weil der sein Essen nicht auf dem Herd verbrutzeln lassen wollte, als der Chef in einem denkbar ungeeigneten Moment zur Teambesprechung gerufen hatte. Als Rosin sich dann auch noch (begründete) Widerworte gefallen lassen musste, war endgültig Schluss und der Sternekoch stürmte mit einem "Ihr könnt mich mal kreuzweise" an die ganze Gruppe kopflos aus der Situation heraus: "Dieses Rund-um-die-Uhr-Verständnishaben für alles – superanstrengend."
Nachher rang sich der Mentor zwar zu einer Quasi-Entschuldigung für seinen völlig unangebrachten Ausbruch durch, aber einer sehr leisen.
Eine problematische Botschaft
Brian, der nach anfänglichem Aussetzer die beste Entwicklung aller Teilnehmenden durchlaufen hatte und sichtbar glücklich war mit der neuen Aufgabe, wurde kurz vor Schluss kalt gestellt, weil er zur Halbfinalaufgabe zu spät kam (und so ehrlich war, zuzugeben, dass er verschlafen hatte) – trotz vorheriger Ansage, dass keine Fehler mehr geduldet würden.
Auch von einem beherzten Einwand des Terminierten wollte Rosin sich in seiner blinden Konsequenz nicht mehr umstimmen lassen – und nie sah der große Sternekoch in seiner eigenen Sendung so klein aus wie in diesem Moment. Weil es am Ende doch eher darum ging, gegenüber den Kollegen das Gesicht zu wahren – als darum, den unterschiedlichen Temperamenten in der Küche gerecht zu werden.
Was er an seiner Stelle tun würde, hatte Rosin Kandidat Andre vorher noch gefragt. Der antwortete: "Das Gesamtbild betrachten" – und bewies damit deutlich mehr Geistesgegenwärtigkeit als der rumpelstilzchenhaft vor sich hin brodelnde Chef, der im Finale allen übrigen Teilnehmenden dann doch wieder diverse Ausfälle verzeihen musste, weil sonst niemand einen Job hätte bekommen dürfen.
Die Botschaft, die Rosin mit seiner Härte – der Ahndung einmaligen Zuspätkommens nach fast achtwöchiger Tadellosigkeit – aussendete, ist dummerweise genau die, gegen die sich die "Heldenküche" eigentlich stemmen wollte: Du kannst dich noch so sehr ins Zeug legen wie du willst, am Ende wirst du doch wieder unentschuldbar versagen.
Das Fernsehen versagt als Problemlöser
Das ist ebenso problematisch wie die Tatsache, Kandidaten zurück ins kalte Wasser zu schubsen, von denen die Produktion weiß, dass sie aus einer (fürs eigene Format mehrfach ausgeschlachteten) Drogenanfälligkeit kommen. Und zeigt – auf ganz andere Weise wie der "Plötzlich arm, plötzlich reich"-Vorfall im vergangenen Jahr, aber ähnlich ernüchternd – wie ungeeignet Reality-Fernsehen ist, wenn es sich als Vermittler bzw. Löser sozial hochkomplexer Fälle aufspielt, ohne der sich damit aufgebürdeten Verantwortung bis zur letzten Konsequenz gerecht zu werden.
Es mag sein, dass die "Heldenküche" ihren drei (bzw. vier) Siegerinnen und Siegern geholfen hat, zurück in die Spur zu kommen. Aber in der Gesamtbetrachtung bleibt diese positive Bilanz leider auf der Strecke.
"Auch für mich war das hier eine sehr, sehr schwere Zeit", hat Frank Rosin am Ende dafür geworben, die Entbehrungen des Hauptprotagonisten nicht zu vergessen, denn: "Das hat aus mir auch ein Stück einen anderen Menschen gemacht." Nur halt leider: keinen reflektierteren.
Und damit: zurück nach Köln.
Alle sechs Episoden von "Rosin Heldenküche – Letzte Chance Traumjob" sind auf Joyn abrufbar.