Wenn sich das deutsche Fernsehen irgendwann selbst einen Preis für Effizienz verleiht, wird der unweigerlich in Grünwald bei München landen: Daniela Katzenberger hat sich die Brüste straffen, die Haare ein klitzekleines bisschen weniger blond färben lassen – und RTLzwei hat's geschafft, alleine daraus eine komplette Staffel ihrer Dokusoap zu machen.
In den gerade ausgestrahlten sechs einstündigen Folgen ist so wenig passiert, dass die Kamera Katzenberger und ihre Familie zuletzt auf dem Weg von Mallorca nach Deutschland begleitete, wo Vorspann und Trailer für die Sendung gedreht wurden, in der anschließend gezeigt wurde, wie der Vorspann und die Trailer für ihre Sendung gedreht werden.
Das Publikum hat trotzdem eingeschaltet: Zum Staffelfinale war "Daniela Katzenberger – Familienglück auf Mallorca" in der vergangenen Woche erfolgreicher als das Gegenprogramm von ProSieben und Sat.1. Und RTLzwei freut sich schon aufs nächste Jahr, wenn sich wieder Quotengold daraus machen lässt, dass bei Katzenbergers nichts los ist. (Was dem Sender sonst zunehmend schwerer fällt.)
Wie, zur Hölle, geht das?
Durchs Prominenten generierte Prominenz
Nun ja: zuallererst einmal geht das, weil Katzenberger ein TV-Profi ist, der Prominenz alleine daraus zu generieren versteht, prominent zu sein – ohne sich die selbst aufgebaute Marke zwischendurch im "Sommerhaus der Stars" oder beim "Promiboxen" zu ruinieren. Das ist durchaus anerkennenswert und macht die 34-Jährige zu einer der wenigen Ausnahmen in diesem anstrengenden Geschäft. Vor allem aber funktioniert es, weil sich Katzenberger zwischendurch immer wieder ein Stück weit neu erfinden lässt, bevor die Bekanntheit zu verglühen droht.
Dass ihre wilden Zeiten vorbei sind, weiß sie selbst am besten. Zwölf Jahre ist es her, dass die Pfälzerin aus Leidenschaft für die Vox-Sendung "Auf und davon" in die USA reiste, um sich dort bei Hugh Hefner (erfolglos) in den "Playboy" zu klingeln. "Goodbye Deutschland" zeigte anschließend ausführlichst, wie sie die erworbene Bekanntheit in ein Gastronomieimperium auf der Deutschen liebster Ferieninsel – im wahrsten Sinne des Wortes – umzumünzen versuchte.
Spätestens seit der (selbstverständlich im Fernsehen übertragenen) Hochzeit mit Lucas Cordalis steht jedoch die kleine Familie um Tochter Sophia im Mittelpunkt; und die Herausforderung, den nicht mehr ganz so aufregenden Familienalltag so zu nutzen, dass er trotzdem aufs Image einzahlt.
Da ist jemand, der mich versteht!
Das ist ihr mit bewundernswerter Konsequenz gelungen: durch die (Selbst-)Inszenierung als Star mit ganz normalen Problemen. "Du bist jetzt alt genug, ohne Haushälterin zu leben", pampt sie ihren Mann an, wenn der wieder rumsitzt anstatt beim Aufräumen zu helfen. Ein andermal platzt es aus ihr heraus: "Ich bin im Streik. Ich räum hier nix mehr weg!" Oder: "Ich war jetzt fünf Jahre Hardcore-Mutti – und: nee, ich bin nicht immer glücklich." Sie bringt auf den Punkt, dass der Corona-Lockdown "eine brutale Beziehungs-Probe" gewesen ist. Und dass es nach ein paar Jahren auch in der großartigsten Beziehung knirscht.
Dann wird kurz darüber gestritten, wer die Spülmaschine öfter ausräumt, das Besteck falsch einsortiert, wie ein Büffel schnarcht – und abgewogen: "Das Gute am verflixten siebten Jahr ist, dass man sich gut kennt. Das schlechte ist, dass man sich gut kennt." Am Ende wird trotz allem zusammengehalten: "Ich lieb den Lucas für alles, was er ist." Aber glücklich durch die Wohnung zu tanzen, wenn der Mann endlich mal aus der Tür raus ist, muss ja wohl erlaubt sein!
Katzenberger ist vom Reality-Promi zu einer Identifikationsfigur für ihre Zuschauerinnen geworden, die viele der geäußerten Sorgen, Empfindungen, Nöte nur allzu gut aus dem eigenen Alltag kennen. Und das Gefühl haben: Da ist jemand, der mich und meine Lebenssituation versteht! Oder wie Katzenberger über sich selbst sagt: "Frauen finden mich irgendwie gut. Frauen mögen mich."
Muffelig, müde – und super authentisch
Dabei geholfen haben ihre zwei vielleicht wichtigsten Talente: Die Bereitschaft, Dinge auszusprechen, über die man in der Öffentlichkeit sonst eher nicht redet – und eine bedingungslose Uneitelkeit. Katzenberger hat kein Problem damit, vor der Kamera in alltäglichen Situationen zu scheitern. Sie lässt sich ohne zu murren dabei filmen, wie sie ungeschminkt und mit fettig glänzender Haut im Bademantel durch die Wohnung schlurft, um die Waschmaschine einzuräumen. Und schickt das TV-Team auch dann nicht raus, wenn sie muffelig, müde oder schlecht gelaunt ist. All das lässt sie ja bloß noch authentischer wirken. "Wenn man mich abends auf der Couch sieht: wie hässlich ich da bin!", beichtet sie – und im nächsten Schnitt folgt schon der selbst fotografierte Instagram-Beweis, wie sie sich Kartoffelchips in den Mund stopfend auf dem Sofa fläzt.
Daniela Katzenberger ist die personifizierte Nachvollziehbarkeit – insbesondere für viele Frauen, die Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen versuchen. Und wer das beim Zusehen nicht selbst merkt, kriegt es auch nochmal an den Bildschirmrand geschrieben: "Daniela Katzenberger, 34 – versucht, den Spagat zwischen Muttersein und Karriere zu meistern".
Es muss, es darf gar nichts Außergewöhnliches in diesem Alltag passieren – weil die Identifikation mit der Hauptprotagonistin sonst sofort dahin wäre. Und die ist inzwischen wichtigstes Kernelement der Katzenberger-Story.
Katzenberger weiß, was Frauen denken
"Die Zuschauerinnen werden das verstehen!", sagt sie direkt in die Kamera, wenn es Stress gibt, weil Lucas die Möbel im neuen Kinderzimmer ungünstig aufgestellt hat. "Das kennt doch jede Frau!", müht sie sich um Bestätigung, wenn über ausgeleierte Schlüpfer doziert werden muss. Und wenn sie genervt ist, weil nach der Stillzeit unter dem Busen nicht mehr nur Stifte klemmen bleiben, sondern ganze Haarspraydosen, scheint sie das weibliche Publikum persönlich anzublinzeln: "Ich wüsste gerne, wieviele Frauen jetzt denken: Recht hat sie. Weil es gibt ganz viele Mütter, die sich schämen, das zu sagen! Wir sitzen doch alle im gleichen Brustboot!"
Und eigentlich ist das natürlich großartig und überfällig, dass sich da jemand aus dem Fernsehen dem ganzen von den Medien befeuerten Perfektionswahn entgegenstellt und sagt: Moment mal, meine Realität sieht aber anders aus! Zumal Katzenberger nicht nur Leidensgenossin sein will, sondern auch Vorbild.
"Ich bin so krass im Alltagstrott, dass man sich manchmal selbst vergisst", wird sie sich ihrer selbst bewusst – und nimmt sich dann vor, das zu ändern. Sie schwört: "Dieses Jahr werd ich viel mehr für mich machen", und saust dann zur lange ersehnten Motorradfahrstunde. Sie geht shoppen, um sich was zu gönnen. Und sie freut sich auf den gemeinsamen Mutter-Tochter-Schminktag: "Ich genieß die Zeit." Vor allem aber predigt sie, dass man was dafür tun kann, sich im eigenen Körper wieder wohl zu fühlen. Für Katzenberger sind das die neuen Brüste, die sie sich in einer Klinik in Deutschland machen lässt – nachdem die OP über mehrere Folgen abgewogen, verworfen und wieder neu diskutiert wurde, bevor der Gatte, der eigentlich dagegen war, vor vollendete Tatsachen gestellt ward: "Auf was soll ich warten?"
Ein völlig neues Lebensgefühl
"Eine Brust-OP und ihrer Risiken sollten gut überlegt sein", erklärt der Sprecher aus dem Off dazu, und Katzenberger selbst relativiert: "Das heißt ja nicht, dass jeder gleich zum Arzt rennen muss und sich neue Hupen machen lassen. Es geht darum, wie ich mich gefühlt habe."
Vor allem aber geht es nachher darum, wie Katzenberger durch die OP ihr Selbstbewusstsein gestärkt hat: "Ich hab mir ein bisschen mein Leben zurückgeholt", strahlt sie, als auch die Schwester die neuen "Boobs" super findet, die jetzt so oft – notfalls auch mitten im Interview – an die frische Luft müssen, dass die Produktionsfirma nach dem Dreh eine Heidenarbeit gehabt haben muss, ständig kleine Sterne über die Nippel zu pappen.
Endlich passen die teuren Dessous, und selbst das Shooting für die erotischen Fotos, mit denen sie Lucas überraschen will, gelingt: "Ich war nie so zufrieden mit mir", "Jetzt geht's mir richtig gut", "Es ist ein ganz anderes Körper- und Kopfgefühl." Nachher schwärmt selbst der Gatte: "Jetzt beginnt eine neue Zeit!" Auch wenn das natürlich jeder Frau selbst überlassen bleibt, ob sie sich einer solchen OP unterziehen möchte, um genauso glücklich zu werden – oder weiter ausgelaugt und unglücklich im Pyjama die Wäsche einräumen will.
Um Zuschauerinnen die Entscheidung zu erleichtern, hat sich der leitende Chirurg, bei dem Katzenberger zur Nachkontrolle aufschlägt, praktischerweise den Namen seiner Praxis gut lesbar auf den Hemdkragen sticken lassen; und aus dem Off weist der Sprecher darauf hin, dass Lörrach der Ort sei, "an dem Daniela wieder happy wurde".
Ach, guck mal: ein informatives Werbevideo!
So lässt sich die vertrauenswürdige Praxis leicht ergooglen – und noch praktischer ist nur, dass sie auf ihrer Website ein langes Video mit einer gewissen Daniela Katzenberger online gestellt hat, die dem bereits aus der Sendung bekannten Arzt erläutert: "Es gibt viele Frauen, die das gleiche Problem haben – und die ganz dankbar sind, wenn man da Tipps hat." Tipp 1: "Man liest soviel über verpfuschte OPs, deshalb ist es wichtig, dass man sich gut informiert." Sagen wir: in Lörrach, wo sich Katzenberger unter Vollnarkose ein Stück weit ihr Leben zurückgeholt hat!
Es ist ein nahtloser Anschluss von der harmlosen RTLzwei-Abendunterhaltung zur Praxis-Werbung im Internet, vertrauensvoll eingefädelt von der Frau, die ihrem Publikum schon so vertraut geworden ist. "Mund-zu-Mund-Propaganda ist das Coolste – gerade unter Frauen", sagt Katzenberger im Werbevideo. Denn: "Es ist so 'ne moderne Zeit und jeder hat die Möglichkeit, sowas zu machen."
Auch wenn vielleicht nicht jede die Möglichkeit hat, ihre eigene Dokusoap zu nutzen, um schöne Werbedeals einzufädeln.
Emanzipation oder Geschäftssinn?
Als Mann kann ich mir da kein abschließendes Urteil anmaßen, aber: Es scheint mir doch ziemlich schwer zu sein, auseinanderzuhalten, was genau an der Katzenberger'schen Selbstinszenierung noch Emanzipation ist – und wo diese nahtlos in einen Geschäftssinn übergeht, gegen den selbst Verona Pooth vor Neid erblassen müsste.
Das eine schließt das das andere natürlich nicht aus, und das Katzenbergers Publikum schätzt es offensichtlich, dass da im Fernsehen jemand ist, der sie und ihren Alltag versteht. Auch wenn es sich vielleicht im Hinterkopf zu behalten lohnt, dass einem die neue Busenfreundin was vorschwärmen könnte, von dem sie selbst profitiert.
Und sei es bloß der von Daniela Katzenberger und Lucas Cordalis gesungene Schlager "Verflixtes siebtes Jahr", in dem die beiden – wie in ihrer Dokusoap! – die Tücken des Ehealltags besingen, schonungslos offen ("Rausch der Liebe, hält nicht ewig / Rosa Brille, bricht entzwei"), aber mit positivem Ausgang ("Verflixtes siebtes Jahr / Wir sind immer noch, immer noch da"). Jetzt in jedem gut sortierten Plattenladen und als Download erhältlich.
Und damit: zurück nach Köln.
Alle Folgen von "Daniela Katzenberger – Familienglück auf Mallorca" sind auf TVNow abrufbar.