Viele Familien kennen das: Kaum ist das neue Geschwisterchen auf der Welt, muss das Erstgeborene schockartig lernen, dass die Dauerbetüdelung durch Mama und Papa plötzlich vorbei ist. Die Zeit muss auf einmal geteilt werden, weil der Neuankömmling öfter schreit, ständig neue Windeln braucht und kein bisschen auf die Quote achtet. Statt "Super, wie toll du malen kannst!" heißt es jetzt: "Moment noch, die Kleine braucht gerade ...".
Und vielleicht erklärt das auch ganz gut, was derzeit mit der "Carolin Kebekus Show" los ist.
Vor fünf Jahren als ambitionierte Personality-Comedy mitten in die Corona-Pandemie hineingeboren, hatte das Projekt für seine Namensgeberin unübersehbare Kreativ-Priorität. Es gab aufwändige Einspieler, humorvoll verpackte, aufwändig recherchierte Gesellschaftskritik und regelmäßige Überraschungsmomente (DWDL kürte sie deshalb zu einer der "Bildschirmheld:innen 2020"). Das hat sich – schon vor einer ganzen Weile – geändert.
"Hier bleibt alles beim Alten"
"Female Energy is back!", verkündete Kebekus, inoffizielles Dieter-Hallervorden-Gegengewicht der ARD, gerade zum Start der neuen Staffel – bereits der zweiten nach ihrer Rückkehr aus der Babypause, welche im zurückliegenden Herbst noch mit einem fulminanten König-der-Löwen-Musical-Intro zur Begrüßung im "Muttiversum" gefeiert wurde. "Hier bleibt alles beim Alten", versprach Kebekus anschließend. "Ich bin immer noch dieselbe lustig-kecke-sexy Ulknudel wie vorher – nur halt in müde."
Aber da hat die Sendeberechtigte vielleicht ein klitzekleines bisschen übertrieben. Denn die Energie der Show ist jetzt strikt auf die Aufzeichnung rationiert und genauestens durchgetaktet – auch weil die neuen Ausgaben nur noch 30 Minuten dauern (und erst später am Abend linear im Ersten laufen).
In seiner derzeitigen Form ist "DCKS" deshalb ein auf maximale Effizienz getrimmtes Zwei-Akte-Stück. Im ersten reflektiert Kebekus die Politeskapaden der Woche, die neuesten Windel-Überraschungen und wie Instagram einem "als Mutter ständig das Gefühl gibt zu versagen" – was vor allem dann praktisch ist, wenn man den Stand-up vor der Sendepremiere schon, wie in der vergangenen Woche, zusätzlich als deutschlandweit verbreitetes dpa-Interview abliefern konnte.
Die Prioritäten haben sich verschoben
Nach 15 Minuten folgt ein greenscreenhintergrundiges Kurzgespräch auf wechselndem Sitzmobiliar plus Spiel mit prominenten Studiogäst:innen. Mal darf Ingo Zamperoni eine Flughafen-Einreisesituation nachstellen, mal muss Heidi Reichinnek in 45 Sekunden eine spontane Bundestagsrede mit den Worten "Leguan" und "Waffelteig" halten.
Am Donnerstag errätselte Content Creator Tahsim Durgun mit der Gastgeberin im großen Friedrich-Merz-Quiz Details aus dem Leben ihres langjährigen Lieblingsgegners. "Und das, liebe Leute, war die Carolin-Kebekus-Show für diese Woche."
Ja, schade eigentlich.
Nun ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich die Prioritäten für Kebekus verschoben haben – zumindest, wenn neben dem Wickeln auch noch Zeit für Gastauftritte, Bücherschreiben und die neue Stand-up-Tour bleiben soll. Zweifellos hat Kebekus' Mutterrolle auch für neue Perspektiven in der Show gesorgt. Sie erzählt von Hochbegabungsdruck ("Was muss ich machen, um ein normal dummes Kind zu kriegen?") und witzelt über die Last, als Mutter permanent performen zu sollen. (Väter können sich mitgemeint fühlen.)
Für die sonst nicht gerade auf Elternperspektiven fokussierte hiesige Comedy-Landschaft ist diese Themen-Kontinuität unbestreitbar ein Gewinn, den man Kebekus gar nicht hoch genug anrechnen kann.
Comedy mit Triggerwarnung
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ausgerechnet die Show, die ihren Namen trägt, inzwischen öfter wie ein Kind wirkt, das gelernt hat, brav alleine in der Ecke zu spielen, während die Mama wichtigere Dinge erledigt.
In der Anfangszeit war "Die Carolin Kebekus Show" noch sehr viel deutlicher von der Anstrengung geprägt, mehr zu sein als das x-te Comedy-Format im deutschen Fernsehen – nur halt, wie es schon lange überfällig gewesen ist, mit charismatischer Vorderfrau. Gastgeberin und Redaktion wollten ihr Publikum unterhalten, aber gleichzeitig mit explizit feministischem Einschlag Statements zu Themen liefern, die das Genre sonst nie verhandelt.
"Wir wissen auch: Für 'ne Comedyshow ist das echt heavy, aber macht halt niemand anders. Und dann müssen wir eben wieder ran", erzählte Kebekus, bevor sie sich samt Triggerwarnung dem Thema Femizide widmete. Der "DCKS"-Kinderchor besang mit beißender Ironie die Hürden, mit dem das Land seinem Nachwuchs und dessen Eltern Chancen verbaut, vom Kreißsaal bis zum Klassenzimmer: "Wie schlimm, dass wir geboren sind / In Deutschland hasst man jedes Kind." Bevor es um Tod und Organspende ging, drohte Kebekus: "Jetzt sind hier ja alle ganz gut drauf gerade – wetten, dass kann ich mit nur einem einzigen Wort ändern?" Und als sie die Niederschlagung der Proteste in Iran thematisieren wollte, fragte ihre Redaktion einfach mal so die damalige Außenministerin für ein Interview an – und die: sagte zu.
Trump-Gags und Laufrad-Live-Unboxing
Das war oft mutig und manchmal sperrig – womöglich zu sperrig für den Teil ihres Publikums, der sich vor allem wünschte, heiter durch die Woche gebracht zu werden.
Inzwischen besteht die Gesellschaftskritik hauptsächlich aus kurzen, zugespitzten Gags über Donald Trump ("Unterschied zwischen Zöllen und seinem Penis: Die Zölle kriegt er hoch") und die "Pimmelrakete" des Amazon-Gründers sowie einer Rubrik namens "Feminismus Carometer", einer zügig umsetzbaren Schlagzeilenverwurstung.
Anstatt besondere Einspieler zu produzieren, erzählt Kebekus jetzt halt, wie sie in die 75-Jahre-ARD-Gala ohne Schlüppi unterm Kleid gehen musste, weil ihr das Baby den Ersatz aus der Tasche geräumt hatte ("Ich hab den Salto ohne Netz gemacht").
Und es gibt ein Live-Unboxing des vom 1. FC Köln gespendeten Laufrads fürs Kind, nachdem Kebekus versehentlich ein Bayern-München-Modell bestellt hat; ein praktischer Anschluss ans vorherige Instagram-Video.
Stehengelassen wie ein altes Spielzeug
Dabei ist es gar nicht nur die fehlende Viertelstunde, die zur Format-Kastration führt. Es ist vor allem die auffällige Hinwendung zur Standardisierung, die nur für einzelne Spezialfolgen rund um Feiertage noch minimal aufgebrochen wird. Wo früher jede Woche ein kleines Überraschungsei wartete, herrscht jetzt die Vorhersehbarkeit einer Kindergeburtstags-Checkliste.
Der Vorspann ist weg. Die Sitzgruppe im Studio wird gar nicht mehr benutzt, steht aber weiter herum wie ein vergessenes Spielzeug. Selbst die wechselnden Namen für die Studioband sind passé – "Kapelle Kebekus" muss reichen.
Und, wer weiß: Womöglich gibt es dafür gute Gründe, die die Produktion nur bedingt unter Kontrolle hat. Vielleicht fällt durch die spätere Sendezeit das Budget nicht mehr so üppig aus wie früher; vielleicht ist das alles auch ein Zugeständnis an die Sehgewohnheiten des Mediatheken-Publikums, das lieber eine schnelle leichte Show klicken mag, als ein Experiment, bei dem man ab und an eine Zumutung fürchten muss.
Aber all das geht an "DCKS" eben nicht spurlos vorbei.
Ein neues, stimmiges Konzept fehlt
Dass die Kreativität noch da ist, hat Kebekus im vergangenen Jahr paradoxerweise außerhalb ihrer Show bewiesen: Mit der unangekündigten Aktion "#KINDERstören", als sie den 20.15-Uhr-Sendeplatz im Ersten für das Thema Kinderrechte kaperte und die "Tatort"-Zuschauer:innen mit Herz, Humor und Haltung auf ihre sonntagabendliche Leiche warten ließ.
Solche Momente würde man auch "DCKS" wieder öfter wünschen. Idealerweise, in dem das Format die veränderten Lebensumstände der Namensgeberin zum Konzept macht, anstatt sie durch Standardisierung zu kaschieren.
Die Show hat schließlich bewiesen, dass sie gesellschaftliche Themen auf eigene Art anpacken kann. Jetzt braucht sie dafür – ein neues, stimmiges Konzept.
Working Mom im Alltagswahn(sinn)
Wenn Kebekus das Kunststück fertigbrächte, ein komisches, ehrliches Porträt der Working Mom im Alltagswahn(sinn) abzuliefern, wäre das eine großartige Metamorphose. Im Zweifel ja auch mit regelmäßigem Support junger Comediennes, wie es der "DCKS Stand-up Club" per selbstinitiierter Frauenförderung zu Jahresbeginn schon ausprobiert hat.
Das würde höchstwahrscheinlich deutlich mehr Aufwand bedeuten als das beständige Doppel, mit dem man sich derzeit von Ausgabe zu Ausgabe schleppt. Und vermutlich müsste man der ARD dafür nicht nur mehr Sendezeit, sondern auch ein ordentliches Budget aus der Kasse leiern. Anders formuliert: Das wäre echt heavy. Aber – macht so halt niemand anders.
Und damit: zurück nach Köln.
"Die Carolin Kebekus Show" läuft donnerstags ab 20.15 Uhr in der ARD Mediathek und um 23:35 Uhr im Ersten. Am 1. Mai ist sie ausnahmsweise erst um 0:35 Uhr im Ersten zu sehen.