Es gab Zeiten im deutschen Fernsehen, da hätte Frank Elstner mit seinen grau karierten Anzügen, der kastenförmigen Brille und dem adrett gekämmten Seitenscheitel glatt als Rebell durchgehen können – einfach weil er damals der Einzige war, der nicht aussah wie ein wandelnder Karnevalsumzug.
Während um ihn herum die Outfits bunter, die Frisuren schriller und die Auftritte exzentrischer wurden, blieb der Erfinder von "Wetten, dass…?", "Nase vorn" & Co. seiner Linie treu: Samstagabend-Entertainment mit freundlichem Gesicht und perfekter Anzugärmellänge.
Obwohl er mal behauptete, "nicht fürs Fernsehen gebaut" zu sein, hat Elstner das Medium mit seinen unzähligen Ideen als Produzent und Moderator wie kaum ein anderer geprägt. Dafür wird er bis heute gefeiert. Aber nachdem der Preis für sein TV-Lebenswerk schon wieder ein paar Jahre her ist, müsste man ihm eigentlich noch einen weiteren verleihen: dafür, dass Elstner vorgemacht hat, wie entspannt man das mit dem öffentlichen Älterwerden anstellen kann, ohne dabei mit Patzigkeit den eigenen Legendenstatus zu demontieren.
Besser neugierig als eingeschnappt
So mancher, der einst als junger Wilder des deutschen Fernsehens gefeiert wurde, klagt inzwischen schlagzeilenträchtig darüber, dass man heute angeblich nicht mehr alles sagen dürfe, fetzt sich bei öffentlichen Auftritten mit dem Publikum, zieht die Ikonen einer neuen Generation in Zweifel – und erntet dafür nicht nur Kopfschütteln, sondern auch mehr Medien-Aufmerksamkeit, als es eigentlich angemessen wäre.
Es ist höchste Zeit, den Spieß umzudrehen und nicht nur diejenigen ins Spotlight zu stellen, die mit der Zeit "mürrisch, bitter, mitunter unhöflich" geworden sind, wie es der "Spiegel" formuliert hat (Abo-Text). Sondern jene, die es anders hingekriegt haben.
Frank Elstner hat relativ früh verstanden: Die Zeiten ändern sich. Und dass es viel interessanter ist, dem mit Neugierde zu begegnen, als sich meckernd und eingeschnappt an den Rand zu stellen. Dass heute fast jede:r über digitale Kanäle und immer neue Plattformen einen eigenen Entertainment-Kanal betreiben und damit ein Millionenpublikum erreichen kann, hat Elstner nicht als Bedrohung seiner herausgehobenen Rolle begriffen – sondern offensiv als Chance für den Nachwuchs begrüßt und sich gefreut: "Die Vielfalt ist so groß wie nie zuvor."
Das passt zu seinem Lebensmotto, die Dinge immer erstmal positiv zu sehen, das er sich auch mit über 80 Jahren bewahrt hat.
Den Quatsch einfach mitgemacht
Elstner ist seit jeher aufrichtig an denen interessiert, die nach ihm kommen: Mit seiner "Frank Elstner Masterclass" hat er aktiv junge TV-Talente gefördert; seine Talkshow "Wetten, dass war's?" produzierte er für YouTube und Netflix und unterhielt sich dort nicht mit denen, die das Fernsehen von damals groß gemacht haben – sondern den Stars von heute: Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Jan Böhmermann. Als ihn die Kreativen der Bildundtonfabrik vor zehn Jahre für "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner" in einer aufwendig inszenierten Show zu Grabe trugen, um ihn direkt wieder wie Timm aus der Kiste springen und "Herzlich willkommen bei 'Verstehen Sie Spaß!'" rufen zu lassen, machte er den Quatsch einfach mit. Und sang seinem Medium nachher ein lobendes Abschlusslied.
Im DWDL-Interview zu seinem 80. Geburtstag erklärte er: "Fernsehen fasziniert mich immer dann, wenn etwas läuft, das mir Spaß bereitet – und davon gibt es glücklicherweise eine Menge."
Als Elstner im vergangenen Jahr als Überraschungsgast bei "Late Night Berlin" auftauchte, sagte Klaas dort ganz ernsthaft: Ohne ihn "wäre das, was Joko und ich gemacht haben, später gar nicht möglich gewesen". Das Publikum reagierte mit Standing Ovations. Und Elstner mit dem größten Kompliment, dass einer wie er machen kann: "Lass uns doch zusammen 'ne neue Show erfinden."
Kein Grund für Abrechnungen
Dabei wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sich ebenfalls bitter und schimpfend zurückzuziehen. Nach fast 600 Sendungen kam ihm 2015 seine SWR-Talkshow "Menschen der Woche" abhanden, obwohl er damals gerne weitergemacht hätte. Dem Sender war das Format trotz stabiler Zuschauer:innenzahlen zu teuer geworden.
Elstner hat sich anschließend nicht hingesetzt und Abrechnungen in Buchform verfasst. Sondern den Blick nach vorn gerichtet.
2019 machte er öffentlich, dass er an Parkinson erkrankt ist – und begreift das seitdem als Herausforderung, der er mit Respekt und Disziplin begegnet: "Es ist eine Frage der Einstellung", hat er in einem Interview gesagt. Jeder müsse mit sich selbst ausmachen, ob er "positiv angriffslustig durchs Leben gehen" wolle oder aufgeben. Elstner hat sich für die positive Angriffslustigkeit entschieden. Er setzt sich in Talkshows, um über seine Krankheit aufzuklären, und engagiert sich für deren Erforschung, um sie für Betroffene abmildern oder eines Tages sogar bremsen zu können. Fernsehteams nimmt er bereitwillig zum Boxen und zum Tischtennis mit, um zu demonstrieren, dass es sich gegen die Krankheit anzutrainieren lohnt.
Artenschutz statt Anpampen
Anstatt Zeit damit zu verplempern, Leute auf der Buchmesse anzupampen, die nicht seiner Meinung sind, setzt er sich seit Jahren für den Artenschutz ein. Im vergangenen Jahr hat er mit 82 Jahren eine neue Folge seiner Dokumentationsreihe "Elstners Reisen" abgedreht, die TV-Ausstrahlung ist fürs neue Jahr geplant.
Elstner beschwert sich auch nicht darüber, nicht ausreichend zelebriert zu werden. "Wissen Sie, mir ist seit vielen Jahren klar, dass die große Zeit meiner Mitwirkung in der Unterhaltung vorbei ist", sagte er mit erstaunlicher Selbstreflexion im DWDL-Interview vor über zwei Jahren. Er sei dennoch glücklich, weil er "für die restliche Lebenszeit" Themen gefunden habe, "die mich beschäftigen, die mir Reisen um die Welt und eine Fortbildung ermöglichen".
Um die Bestätigung seines Publikums braucht er sich nicht aktiv zu bemühen, weil er weiß: "Die Zuschauer hat man nur symbolisch." Dass er für die vielen Abende der guten Unterhaltung, die er anderen beschert hat, gemocht wird, ist unbestritten. Aber Elstner muss sich dessen nicht immer aufs Neue versichern.
Bewundernswert selbstverständlich
Der Showmaster, der sich selbst als "verhältnismäßig introvertierter Mensch" beschreibt, hat nicht nur Europas größtes Unterhaltungsformat erfunden; sondern auch das Älterwerden im und mit dem Fernsehen erfolgreich hingekriegt.
In einer Medienwelt, die stark von persönlichen Eitelkeiten geprägt ist, und in der es so mancher Legende schwer fällt, den eigenen Platz zu finden, hat der Mann mit der Glaskastenbrille und dem perfekt sitzenden Anzug gezeigt, wie's geht: Man muss die Zeiten gar nicht mögen. Man kann versuchen, sie zu verstehen. Aber es hilft schon mal viel, sie zu respektieren.
Das war und ist seit jeher eine von Elstners Stärken. Nicht laut. Nicht schrill. Aber mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit. Es lohnt sich sehr, das auch fernab der üblichen Gratulationsanlässe einmal herauszuheben.
Deshalb: Danke, Frank!
Und damit: zurück nach Köln.
Bisher gesendete Ausgaben von "Elstners Reisen" sind regelmäßig in der ARD Mediathek und der 3sat Mediathek abrufbar.