Sie kennen das: Völlig verschiedene Haushalte testen beim Vox-Hit "Hot oder Schrott?" Woche für Woche außergewöhnliche Produkte aus der ganzen Welt, vom Auto-Ansaug-Sonnensegel übers japanische Kochufuku-Schwitzfreibett bis zum Blitz-Butterkurbler. Zwischendurch rastet Berufs-Choleriker Detlef Steves wegen Lappalien aus ("Bin kurz vorm Plitzi-Platzen!", "Für mich ist das Experiment hier beendet!", "Vorsicht, dass keine Kratzer ins Auto kommen!"), jemand liest die schönsten Stilblüten aus einer kuriosen Bedienungsanleitung vor, und – zack: schon wieder ist eine Stunde Abendprogramm geschafft (Episoden bei RTL+ ansehen).

Trotz stetiger Ermahnung in den Vorjahren ist bei Vox immer noch niemand auf die Idee gekommen, dasselbe auch mal mit den TV-Trends des Jahres zu veranstalten. Also erledigen wir das einfach wieder selbst.

Bleiben Sie dran für die (erste, zweite) dritte Ausgabe von "Hot oder Schrott? Der große TV-Formatumtausch": Halten neue Shows und Genres ihre Versprechen? Oder kommt das Ganze, wie die Mehrheit der Geschenke, mit denen Sie am 1. Weihnachtsfeiertag aufwachen werden, direkt in den Umtausch?

Crossover-Promo: Heidi bei Joko, Kapuzis im Dschungel

Wer in den vergangenen Monaten deutsches Privatfernsehen einschaltete, konnte sich nie ganz sicher sein: War das da gerade ein Glitch in der Matrix – oder haben's RTL, ProSieben & Co. bloß wieder mit ihrem neusten Hobby übertrieben: der Crossover-Promotion?

Los ging's im Sommer während des Legenden-Dschungels, als plötzlich ein Rote-Kuttenträger im Baumhaus stand, während Sonja Zietlow daneben eine Schatzsuche abmoderierte: "Drei Frauen, die sich im Schutz der Nacht treffen, um die restlichen Spieler einen nach dem anderen zu eliminieren und am Ende lockt ein Schatz. An irgendwas erinnert mich das? Ich komme gerade nicht drauf..." Aber Sonja, wir helfen gern: Das war doch die Augenzwinker-Ankündigung der zweiten Staffel des von dir moderierten Psycho-Rästelformats "Die Verräter", das RTL+ wenige Wochen darauf mit einem "Halloween-Soecial fortsetzte – nachdem RTL die Kutte zuvor auch noch ins Studio von "Wer wird Millionär?" gesetzt hatte.

Kurze Zeit später waren Joko und Klaas bei ProSieben gerade dabei, im "Duell um die Welt" pantomimisch dargestellte Fabelwesen, Schimpfworte und Kamasutra-Stellungen zu erraten – als plötzlich Heidi Klum im Kapuzenpulli samt ihren frisch umgestylten Models der nächsten "Germany's Next Topmodel"-Staffel im Studio stand. Zum Gegenbesuch, weil Friseurmeister Heufer-Umlauf zuvor beim "Schnipp-Schnapp" (Klum) auf demselben Studiogelände geholfen hatte.

Die Zukunft des deutschen Fernsehens scheint offensichtlich in der Ankündigung von Fernsehshows während laufender Fernsehshows zu liegen. Und vielleicht muss man das bloß konsequent weiterdenken, um das ganze Potenzial dieser Idee zu entfalten.

Bei den "Verrätern" kommen Kandidat:innen, die nachts von ihren Spielgefährt:innen gemordet werden, demnächst direkt ins "Sommerhaus der Stars"; Heidi Klum verlangt ihren Models bald Multitasking ab: "Honey, dein Walk war super, aber deine Ankündigung der nächsten Staffel von 'The Voice' nicht authentisch genug!'" Bei "Let's Dance" lobt die Jury fortan: "Herrlich, wie du die Handlung der nächsten 'Bachelorette'-Staffel in deinem Quickstep interpretiert hast!" Und beim "Großen Backen" in Sat.1 modellieren die Kandidaten schon mal den nächsten ProSieben-Importflop aus Marzipan.

Mehr davon – Crossover isn't over!

ZDFneo übernimmt die Linearherrschaft

"Ab wann ist ein Spartensender eigentlich kein Spartensender mehr?", fragte DWDL im Oktober angesichts des Einschaltquoten-Durchmarschs von ZDFneo, der ja längst kein Einzelfall mehr ist. Und der den Ausgang der bevorstehenden Diskussion zwischen ARD und ZDF, die sich von der Politik aufgefordert auf eine Reduktion ihrer Zusatzkanäle einigen sollen, so spannend macht wie die nächste "Wilsberg"-Wiederholung.

In Mainz wird man jedenfalls kaum mehr als ein müdes Husten dafür übrig haben, falls die Kolleg:innen der ARD sich auch nur trauen sollten, den Vorschlag zu unterbreiten, einen Sender abzuschaffen, wo man sorglos stundenlang "Bares für Rares", coole Hollywoodfilme und TV-Krimis am laufenden Band senden kann. Ohne sich über den lästigen Auftrag Gedanken machen zu müssen. Und das nur für den geringen Preis, zwischendurch ein paar politisch überkorrekt besetzte Eigenproduktionen zu versenden, damit die in der Mediathek stehen dürfen.

Mit ZDFneo ist es wie mit der Künstlichen Intelligenz: Irgendwann wird das Ding den ganzen linearen Laden einfach übernehmen. Und wenn Horst Lichter erstmal durchs "heute journal" trödelt, ist uns das Lachen längst im Halse stecken geblieben.

Oh, Herrscher des Linearen – wir huldigen dir!

"Masked Singer", "Löwen" & Co.: Ablaufdatum überschritten

Sie kennen das aus dem Kühlschrank: Auf vielen Lebensmitteln steht, um deren Verschwendung vorzubeugen, dass sie "oft länger haltbar" sind als es das aufgedruckte Datum suggeriert. Verbraucher:innen sind dazu angehalten, bei der Prüfung auf ihre Sinne zu achten ("sehen, riechen, schmecken"). Es wird allerhöchste Zeit, das auch von Fernsehverantwortlichen einzufordern.

Zuallererst denen bei ProSieben, die ihren früheren Quoten-Hit "The Masked Singer" inzwischen so oft aufgewärmt haben, dass für die neuste Staffel kaum noch jemand zu Tische kommen mag. Die Show hat ihr MHD sichtlich überschritten, erkennbar am muffigen Geruch der immer gleichen Ratespiel-Routine und ersten Schimmelstellen auf den Kostümen. Da hilft's auch nicht mehr, ab und an eine frische Jury-Zusammensetzung unterzurühren.

Bei RTL lag die gerade zu Ende gegangene Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" bekanntlich schon ein halbes Jahr länger in der Kühlung als sonst; nicht bloß deswegen sind die Ablauferscheinungen auch dort unübersehbar. Der penetrante Bohlen-Geschmack wird sich nach der Lombardi-Verflüchtigung auch kaum mehr mit dem in Aussicht gestellten Bushido-Geschmacksverstärker überdecken lassen.

Und während die "Höhle der Löwen" bei Vox inzwischen nicht nur unter fortgeschrittener Materialermüdung leidet, denkt man einzig beim ZDF voraus und kennzeichnet seine "Rosenheim Cops" vorbildlich mit dem Zusatz: "Mindestens 25 Jahre bei gleichbleibender Routine gereift".

Einigen wir uns darauf: Auch die vielversprechendsten TV-Formate gehören spätestens nach sechs Staffeln in die Bio-Tonne, wo sie einmal zu Humus zerfallen dürfen, um Nährboden für neue Publikums-Hits zu werden. Die Strategie der Sender, Shows so lange in Plastik einzuwickeln, bis der Verwesungszustand eintritt, ist jedenfalls gescheitert.

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Mehr Miteinander: TV-Rivalen helfen sich gegenseitig

Nach Jahren der Konkurrenz haben die TV-Sender endlich verstanden: Gemeinsam sind wir stärker! Zu Beginn dieses Monats gewährte RTL der WDR-streikgeplagten "Sportschau" Studio-Asyl in Köln-Deutz – ein historischer Moment der Fernsehsolidarität. Das eröffnet einerseits ungeahnte Möglichkeiten der Zusammenarbeit (z.B. zwischen Sat.1 und dem RBB: "Julia Leischik sucht: den verschwundenen Rundfunkbeitrag"). Und birgt gleichzeitig das Risiko, dass die Hilfe unter Konkurrenten nach hinten losgeht – sofern die fremde Sendeumgebung nachhaltig abfärbt.

Wenn Esther Sedlaczek nach weniger Stunden im RTL-NFL-Studio plötzlich "geile Tore", "mega Assists" und den nächsten "Touchdown" herbeifantasiert, Markus Lanz seine Talk-Gäste in der RTL-Zwei-Leihkulisse mit "Was geht, Brudi?" empfängt und Sebastian Pufpaff auf seinem Arte-Ausflug die 1. Woke-WM erfindet, entwickelt sich schlimmstenfalls eine Art Stockholm-Syndrom – und danach ist nichts mehr, wie es einmal war.

(Wobei: Lanz bei RTL Zwei wäre den Versuch vermutlich schon wert.)

Go for Gruppenkuscheln, Fernsehdeutschland!

Alt & abgefahren: Mit Archivware zum Freemium-Streamer

Ist das genial – oder unverschämt? Bei ProSiebenSat.1 hat man versprochen, Joyn mit Haufenweise "Originals" in der Gunst der Zuschauer:innen nach vorn zu pushen und zeigt deshalb den angekündigten neuen "Stromberg"-Film – leider nicht. (Der läuft vor seiner ProSieben-Premiere zuerst bei Prime Video.)

Dafür hievt der Unterföhringer Powerstreamer im Archiv abgelegte Formate von früher wieder in die Produktion: "Comedystreet" und "Das Duell um die Geld" wurden bereits reaktiviert. Und mit ein bisschen Hirnschmalz lassen sich weitere Klassiker in der Sparvariante draufsetzen, um Joyn zum Kostenlos-Netflix des armen Mannes zu machen.

Wie wär's mit "Fort Boyard", aber nicht mehr auf einer echten Festung vor der französischen Atlantikküste, sondern aus dem Joyn-Heizungskeller, wo Promis gegen den Facility Manager antreten (Nachnutzung durch die nächste "Big Brother"-Staffel erwünscht); die Rolle der Tiger übernehmen drei ausgestopfte Katzen. Die Neuauflage der "Pyramide" besticht durch eine Kulisse aus gestapelten Amazon-Kartons, die nach jeder Runde recycelt werden – das Placement holt die Produktionskosten locker wieder rein. Und "Ruck Zuck" heißt jetzt "Zack Zack", wird komplett im Zeitraffer gedreht und senkt die Kosten für die Studiomiete auf ein Minimum.

Alles Mist, sagen Sie?

Dann ab in die Tonne mit den Discount-Comebacks!

Der Rest

Was sonst im zu Ende gehenden Jahr alles so los war im deutschen Fernsehen, lesen Sie wie jedes Jahr hier auf DWDL.de in den Tops und Flops der vergangenen zwölf Monate – bereits in wenigen Tagen.

Und damit: zurück nach Köln. Kommen Sie gut ins neue Jahr!