Sie haben das vermutlich nicht gesehen, als das ZDF im Spätsommer ausprobierte, ob sich programmbudgetäre Verpflichtungen am Vorabend so weit reduzieren lassen, dass man im nächsten Schritt auch einfach Aquarien-Stillleben senden könnte, um die Kosten weiter zu senken. Macht nichts, da ging's Ihnen wie den meisten anderen Leuten, die die neue Factual-Reihe "Hab ich Recht?" nicht eingeschaltet haben (DWDL.de-TV-Kritik).

Normalos mit Vielleichtproblemen und drei Richter:innen, die ihren Klient:innen zu Offensichtlichkeiten raten – dieses ZDF-Experiment war ein Rechtsshow-gewordenes Vakuum der Bedeutungslosigkeit, gegen das jede "Lenßen hilft"-Folge wie ein Kleinod der Erzählkunst wirkt.

Mit einer Einschätzung allerdings lag man in Mainz goldrichtig: "Rechtliche Probleme können schwerwiegend und belastend sein." Das beweist dieser Tage ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst – mit gleich zwei Verfassungsklagen.

Da haben Sie aber einen großen Unterlagenstapel

ARD und ZDF wollen die Länder dazu verpflichten, sich (wieder) an das von ihnen selbst geschaffene Verfahren zur Beitragsanpassung zu halten; und der RBB wehrt sich dagegen, per Staatsvertrag diktiert zu kriegen, wie lange er sein Programm regional auseinanderzuschalten hat. Die Politik reagiert säuerlich auf die Vorstöße (zu Unrecht, wie DWDL-Kollege Timo Niemeier in seinem Kommentar findet).

Dass die Länder nur kurz nach der Klageankündigung von ARD und ZDF ihre Einigung auf ein neues Beitragsfestsetzungsverfahren bestätigten, macht die Sache nicht weniger kompliziert. Im Gegenteil: Ein gestaffeltes Widerspruchsmodell soll künftig zwar Blockaden einzelner Länder verhindern – aber bis das greift, bleiben die Fronten verhärtet.

Höchste Zeit, um für einen Schlichtungsversuch Leuten zu vertrauen, die sich am Glastisch stehend vor Obstkorbdekoration darüber kaputtlachen, dass ihnen früher ständig Sachverständige erklären mussten, wie Einspritzpumpen funktionieren, bevor sie ratsuchenden Lohnbuchhalterinnen mit kaputtrepariertem Auto zur Anwaltbeauftragung raten ("Petra weiß jetzt, was zu tun ist") und schöne Sätze sagen wie: "Oh, da haben Sie aber einen großen Unterlagenstapel mitgebracht."

Anders gesagt: Die aktuelle Lage schreit geradezu nach einer Spezialausgabe von "Hab ich Recht?" – Titel: Mein Sender, mein Beitrag & viel Ärger" (mit etwas mehr Action).

Juristische Klarheit nach KEF-Chaos gesucht

Ich stell mir das ungefähr so vor:

Szene mit den drei Richter:innen am Glasstehtisch vor Obstdekoration. Ronald Hinz, Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg, sagt: "Anette – du müsstest doch gleich'n Fall haben eigentlich, wenn mich nicht alles täuscht?" Woraufhin Heiter, Richterin an Amts- und Landgerichten in Baden-Württemberg, bestätigt: "Sogar 'nen ganz schönen."

Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke und ZDF-Intendant Norbert Himmler tragen stapelweise Akten ins Domblick-Büro, während die Off-Stimme ankündigt: "Oft genügt ein kleiner Beitragserhöhungswunsch. Doch wenn in den Landeshauptstädten die Emotionen hochkochen, entbrennt schnell ein Verfassungsstreit." Anschließend liest der SWR-Intendant (Bauchbinde: "Kai Gniffke (64), ARD-Vorsitzender, sucht prophylaktisch juristische Klarheit nach KEF-Chaos") den auf eine Pappkarte notierten Satz in die Kamera: "Die KEF hat 58 Cent Erhöhung empfohlen, aber die Länder wollen nicht zustimmen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, sie zur Verantwortung zu ziehen. Hab ich Recht?"

Die Richter:innen wollen sich den Fall in aller Ruhe anhören.

Ball flach halten und genau hinhören

Helga Bischoff, Richterin a. D., sagt: "Lassen Sie uns zunächst die Gemeinsamkeiten finden." Hinz, das "wandelnde Rechtslexikon" (und Vize-Blindentennismeister!), hat bereits den Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2021 auf der Zunge, und setzt an: "Beim Blindentennis wie beim Verfassungsrecht gilt: Manchmal muss man den Ball flach halten und genau hinhören."

Doch Himmler hat noch ein Video von der letzten Ministerpräsidentenkonferenz der Länder mitgebracht, das alle sehr müde macht.

Nach der Pause erwähnt Heiter diesig: "Sie wissen: Sie kriegen hier keine Rechtsberatung im eigentlichen Sinn." Unter Gniffke und Himmler erscheint eine mehrzeilige Bauchbinde: "Nach 841 DRiG ist es Richtern nicht erlaubt, spezifische Rechtsberatung zu geben. Sie dürfen lediglich über die allgemeine Rechtslage informieren. Eine medienanwaltliche Beratung wird dadurch nicht ersetzt."

Anschließend lassen sich die Chefs von ARD und ZDF darüber aufklären, dass sie mit ihren Anstalten Betreiber einer Anlage im Sinne des Bundeserkenntnisförderungsschutzgesetzes (BErFSchG) und damit verpflichtet sind, schädliche Einwirkungen auf die öffentliche Meinung zu unterlassen.

Gab es denn keinen Sachverständigen?

Vielleicht könne man die Ministerpräsident:innen aber auch einfach mal "auf eine rote Wurst" einladen. "Das steigert das nachbarliche Miteinander ganz ordentlich."

Gerade als Gniffke seine Bilanz in die Kamera spricht ("Ich würde sagen, ich hab zu 75 Prozent Recht"), poltert Bayerns Medienminister und Staatskanzleichef Florian Herrmann in die Aufnahme hinein ("Das ist ein unfreundlicher Akt! Gerade jetzt, wo wir kurz vor einer Lösung stehen!"), bevor der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer hinterherschlurfend nuschelt, das alles sei "für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wenig zuträglich".

Bischoff versucht einen "Runden Tisch der Rundfunkvernunft" zu organisieren. Hinz doziert erst über historische Präzedenzfälle aus seiner Richterkarriere und fragt die Herren, ob sie denn bei der Verantwortungsübernahme für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Bausachverständigen hinzugezogen hätten.

CSU-Mann Herrmann (Bauchbinde: "fühlt sich von Verfassungsbeschwerde provoziert") und Schweitzer gucken bedröppelt. Woraufhin Hinz erklärt: "Sie haben an der falschen Stelle gespart. Ich persönlich sehe da wenig Möglichkeiten."

Wollen Sie sich da weiter mit belasten?

Da klopft es an der Tür.

Brandenburgs SPD-Fraktionschef Daniel Keller steht davor – und ist völlig außer sich ob der Anstrengung des RBB, ebenfalls eine Verfassungsklage anzustrengen, um den neuen Staatsvertrag zu verhindern. Er sei "empört", und man müsse sich "als Landtag der Diskussion stellen, wie wir weiter damit umgehen, und ob Brandenburg bei der Sendeanstalt bleibt." Bischoff rollt mit den Augen und wünscht sich sehnlichst, dass ihr wieder irgendein Sachverständiger was mit Autos erklärt.

Aber das Schicksal hat andere Pläne: Mit energischen Schritten bahnt sich Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission, den Weg ins Büro: "Moment mal – wen interessiert denn der RBB? Wir haben eine Lösung für die Beitragsfestsetzung: ein gestaffeltes Widerspruchsmodell!" Hinz wundert sich: "Interessant. Erst klagen die Sender, dann bewegt sich die Politik. Bei uns auf dem Court nennen wir das einen gut platzierten Return."

Nach einem intensiven Blick in die Neuregelung bilanziert Heiter: "Bei Erhöhungen bis 2 Prozent müssen drei Länder widersprechen, bis 3,5 Prozent zwei, bis 5 Prozent eines? Das klingt ja komplizierter als die Punkteverteilung beim Eurovision Song Contest."

Fortsetzung folgt ganz bestimmt

Derweil ist Bischoff stolz, dass ihre Mediations-Künste sogar ohne Direkteingriff wirken konnten. "Die Verfassungsbeschwerde einen Tag vor unserer entscheidenden Sitzung hat allerdings nicht gerade zur Verbesserung der Atmosphäre beigetragen", dämpft Raab die Stimmung. Hinz versucht, die Situation aufzulockern: "Timing ist eben alles – beim Tennis wie in der Medienpolitik."

Apropos Timing: Gleich geht "Aktenzeichen XY … ungelöst" los und die Richterin a.D. macht kurzen Prozess: "Sie müssen sich auch fragen: Will ich mich da weiter mit belasten; will ich da Wege gehen, die zweifelhafte Erfolgsaussichten haben? Oder will und kann ich es ruhen lassen? Aber da kann ich Ihnen nicht bei helfen."

Anschließend: Abspann. Während Rudi Cerne im Splitscreen rechts schon die ersten Verbrecher:innen in die Spur quatscht, trotten Gniffke, Himmler, Herrmann, Schweitzer, Keller und Raab links in Richtung Dom davon. Dazu erscheint die von der Off-Stimme vorgelesene Einblendung: "Die KEF-Empfehlung wurde bis Redaktionsschluss nicht umgesetzt. ARD und ZDF warten auf einen Termin in Karlsruhe. Die Länder hoffen auf eine Einigung beim neuen Beitragsmodell. Ob Brandenburg wirklich aus dem RBB aussteigt, wird sich erst in der nächsten Folge zeigen."

Seriöser und gleichzeitig aktionsgeladener kann man das eigentlich kaum machen. Hat in Mainz jemand mitgeschrieben? Kleine Erwähnung im Abspann wäre nett.

Bis dahin: zurück nach Köln.

Alle drei Folgen von "Hab ich Recht?" sind in der ZDF-Mediathek zu sehen.