Wobei die auch für ihre Banalität in der Kritik standen, weil sie so auch als Infotainment bei Privatsendern hätten laufen können...
Das Verständnis für sogenannte „News to use“ scheint mir in vielen ARD-Köpfen noch nicht so stark verankert zu sein. Banales Fernsehen ist das für mein Empfinden jedenfalls nicht. Es ist eher die Hybris der Feuilletonisten, die sich fragen, ob man sich mit derartigen Themen wirklich befassen muss. Für mich ist es das Wunder des Alltäglichen, das man auf keinen Fall unterschätzen darf. Auch wir nehmen unsere Themen aus dem Alltag, aus der Mitte des Lebens unserer Zuschauer. Jegliche Hilfestellung ist wertvoll und wird von den Zuschauern auch gesucht. Im Falle der „Markenchecks“ hat das ganz wunderbar funktioniert. Und Hut ab, dass man sich getraut hat, auf diesem Sendeplatz vom üblichen Schema abzuweichen und stattdessen mal etwas zu Lidl zu machen.
Gewisse Mechanismen aus dem Privatfernsehen werden also offensichtlich übernommen...
Besonders aufgefallen ist mir das kürzlich, als das ZDF im Vorfeld des Spielfilms „München 72“ in wertvollen Programmmarken wie „Aspekte“ oder „Frontal 21“ Crosspromotion betrieben hat. Also viel von dem, was dem Privatfernsehen früher vorgeworfen wurde, haben die Öffentlich-Rechtlichen inzwischen selbst aufgegriffen. Insofern ist die jetzige Situation viel entspannter, der Wunsch nach Nähe zum Zuschauer verbindet inzwischen alle. Jetzt beginnt der Kampf um die Aufmerksamkeit neu - und den kann man in unterschiedlicher Qualität austragen. Grundsätzlich sehe ich darin aber eher einen Fortschritt.
Nochmal zurück zur „Akte“. Mit dem Aus der „Harald Schmidt Show“ sind nun wieder einige Sendeplätze in Sat.1 freigeworden. Wäre das nichts für Sie, zumal Sie ja auch schon mal zu Jahresbeginn mit „Akte Thema“ ein zweites Format am Start hatten?
Das Schöne ist ja, dass wir uns nach all den Jahren nicht anbiedern müssen. Beim Sender weiß man sehr genau, dass man mit unseren Inhalten eine Menge machen kann. Selbstverständlich stehen wir bereit, und die „Akte“ hat auch schon häufig gezeigt, dass die Marke gut erweiterbar ist. Auch wenn die Fernsehentscheider heute leider nur ganz kurze Phasen des Ausprobierens gewähren.
So wie bei dem „neuen Donnerstag“ bei Sat.1, der schnell wieder eingestampft wurde?
Ich gebe Joachim Kosack in dem grundsätzlichen Punkt vollkommen recht: Du kannst eigentlich nur konträr zu RTL programmieren. Dass das Experiment am Donnerstagabend zu Jahresbeginn nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurde, hängt sicher auch damit zusammen, dass man zu bestimmten Zeiten ungünstige Quoten noch weniger gut gebrauchen kann als zu anderen. Es wäre aber sicher nicht verkehrt, die Phasen des Ausprobierens ein wenig länger anzulegen.
Sie sehen also Chancen, dass die „Akte“ noch einmal einen Ableger erhalten wird?
Ich bin völlig sicher, dass es wieder einen neuen Ableger geben wird. Jeder sieht, wie wertvoll unsere Nähe zum Zuschauer ist. Jeder, der sich nicht permanent überlegt, wie man daraus noch mehr machen kann, hat seinen Entscheidungsjob nicht richtig verstanden.
Also wäre ein „Akte“-Ableger auch was für den 23:15-Uhr-Sendeplatz?
Auch auf den bisherigen Sendeplätzen von Harald Schmidt gibt es natürlich Möglichkeiten für neue Sendungen um den „Akte“-Kern. Leider waren wir zuletzt sogar etwas kürzer, weil Harald Schmidt einen Starttermin um 23:15 Uhr vertraglich zugesichert bekommen hatte.
… was interessanterweise bei der „Wanderhure“ oder der Champions League oft keine Rolle spielte. Man kann sich auch darüber wundern, dass die Spielfilme vor der „Akte“ seit geraumer Zeit ein paar Minuten länger geworden sind. Ihnen wurde da Sendezeit genommen...
Dass die Filme nie dieselbe Länge haben, ist ein Problem. Bei RTL ist es möglich, dass Sendungen immer um Viertel nach beginnen, aber bei Sat.1 fährt man ein anderes Programm. RTL hält die 15-Minuten-Zeit für ein Sanktum, Sat.1 nicht so sehr. Man kann stundenlang darüber nachdenken, ob das sinnvoll ist. … Wenn der Marktführer das über einen derart langen Zeitraum durchsetzt, wird das seinen Grund haben. Und wo immer wir dem nahekommen können, sollten wir es versuchen.
Um den Sendeplatz am Dienstagabend um 23:15 Uhr hat bei uns im Interview bereits Claus Strunz sein Interesse für „Eins gegen Eins“ bekundet – übrigens schon, bevor das Aus von Harald Schmidt bekannt war.
Ganz natürlich, dass es für Claus Strunz Sinn macht, vom Montag- auf den Dienstagabend verschoben zu werden. Dass er nach uns inhaltlich gut passen würde, kann man sich sicher vorstellen. Aber ich denke, „Eins gegen Eins“ ist inzwischen am Montagabend angekommen und gelernt worden. Auch wenn es die Sendung nach den Drittanbieter-Formaten immer schwer haben wird, weil deren Themen oft schwierig sind oder die Werbeinseln gerne mal kurz vor Schluss platziert werden.
Nochmal zum Jubiläum: Hat man vor der langen Zeit - den 20 Jahren - manchmal Respekt?
Respekt vor sich selbst? Na, ich stelle mir immer die Frage: Was würde Ulrich Meyer im Alter von heute sagen, wenn er sich mit Ulrich Meyer im Alter von 16 unterhalten würde? Das ist eines der entlarvendsten Gedankenspiele, denen man sich aussetzen kann. Bist du deinen eigenen Vorstellungen und Forderungen gerecht geworden? Oder hast du etwas noch Er-füllenderes gefunden, woran du damals noch gar nicht gedacht hast? Eine hoch spannende Auseinandersetzung mit sich selbst, stellenweise mit Kopfschütteln und hoffentlich Verzeihen am Ende eines solchen Dialogs. Dieser lange Zeitraum, den ich dabei bin, kann natürlich erschrecken. Andererseits habe ich mich 20 Jahre lang jeden Tag mit etwas befassen können, das mir Spaß gemacht hat. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht mit Freude in die Redaktion gegangen bin. Strebertum? Nein, ich mache das, was ich mache, richtig gern. Meine Frau hat mal einen schönen Satz gesagt: Glück ist, das, was man gut kann, häufig tun zu können. Auch wenn ich angesichts unseres hohen Ausstoßes an Sendeminuten kein Champagner-Rüttler bin, sondern eher ein Coca-Cola-Abfüller. Aber gerade Coca-Cola muss auf den Punkt das sein, was der Konsument will.